Gemeinsam stark

Eine einende Vision hat die deutschen Messemanager erfasst: eine gemeinsame Plattform im Internet für alle Messen, alle Unternehmen und alle Produkte. Nur eine Frage ist noch offen: Wer stellt die Plattform?

Die deutschen Messegesellschaften rücken näher zusammen - zumindest im Internet. Mit dem productpilot der Messe Frankfurt und der expodatabase des m+a Verlags haben zwei Unternehmen Portale ins Netz gestellt, die eine gemeinsame Plattform schaffen sollen, um Produkte und Unternehmen zu finden und zu präsentieren. Während der Frankfurter m+a Verlag bereits die Messe Berlin und den privaten Messeveranstalter Hinte, Karlsruhe, für sein Angebot gewinnen konnte, hofft die Messe Frankfurt auf ein Engagement der Messen in Köln und Düsseldorf.
Bereits Mitte der 90er Jahre hat der damalige Messe-Frankfurt-Geschäftsführer Raimund Hosch mit einer Messe im Netz experimentiert. Die Ambitionen waren groß: Die "messe21" sollte nicht nur ein Kommunikationsportal werden, die Unternehmen sollten ihre Produkte hier auch kaufen und verkaufen. Hoschs Vision war eine Art eBay für Händler. So ehrgeizig das Projekt war, so schnell scheiterte es im Jahr 1998. Hosch hat seine Ideen bekanntlich mittlerweile in veränderter Form als Chef der Messe Berlin umgesetzt und dort erfolgreich in den "Virtual Marketplace" einfließen lassen (Vgl. m+a report 6/2004).
Klaus Reinke hält die "messe21" auch heute noch für eine "wegweisende Idee", doch, so der Geschäftsführer der Messe Frankfurt Medien und Service GmbH, "sie kam einfach zu früh". Das heutige Konzept der Frankfurter greift deshalb die Entwürfe von damals auf, unterscheidet sich aber dadurch, dass keine Transaktionsmöglichkeiten gegeben sind: "Das ist auch nicht unsere Kompetenz", sagt Reinke. Ihm geht es um das, was im Kern auch eine Messe in der Offlinewelt ausmacht: Hersteller und Händler zusammenzubringen. Zentral ist die Produkt- und Unternehmenssuche: Sucht ein Händler nach Töpfen, Tassen oder Tafelsilber wird er automatisch zu hinterlegten Profilen derjenigen Unternehmen geleitet, die diese Waren herstellen.
Während der Suchende beim productpilot ausschließlich auf das hinterlegte Profil geleitet wird, geht er bei der expodatabase den Weg über den Server der Messegesellschaften. Das Prinzip lautet: Durch die Messe zum Produkt. Ein klarer Vorteil, wie Dorit Vogel-Seib, Chefredakteurin Datenbanken beim m+a Verlag findet. "Datenschutz und Urheberrecht sind somit gewährleistet." Durch die integrierte Messesuche könne interessierte Fachbesucher auf expodatabase nicht nur nach Produkten und Firmen fahnden. "Die ausstellenden Unternehmen können auch recherchieren, wo ihr Wettbewerber vertreten ist", sagt Vogel-Seib. "Wir bieten ein unabhängiges Instrument, mit dem sie zielgerichtet Messen finden." Und die Suche nach der passenden Messe ist heute alles andere als trivial: "Schließlich suchen Unternehmen weltweit nach neuen Plattformen für ihre Produkte."
Die Messesuche hat auch Marcus Eibach, Leiter des Geschäftsbereiches Unternehmensentwicklung, Neue Messen & Services bei der Deutschen Messe AG überzeugt. Wer Flatscreens herstellt und auf der Suche nach der richtigen Messe für sein Produkt ist, wird via expodatabase auf die CeBIT aufmerksam gemacht. "Das ist ein wunderbares Selektionskriterium", lobt Eibach, hebt aber auch hervor, dass das Portal noch bekannter werden müsse.
So überzeugt Eibach von der Messesuchfunktion ist, so kritisch sieht er die Produktsuche im Rahmen eines Megaportals. "Die universelle Suchmaschine ist Google. Alles andere spielt sich in Community-Foren ab. Und hier brauchen Sie immer eine thematische Klammer, mit der die Mitglieder etwas anfangen können." Eine solche Klammer können Messemarken wie die CeBIT oder die Hannover Messe sein, glaubt Eibach. Entsprechend hat er Ende der 90er das Produktportal der Messe Hannover unter dem Titel "Globis" aufgelöst und die Produktsuche auf die Homepages der Messen dezentralisiert.
Andere vertreten die These, je größer, desto besser. Die Logik: Je mehr Produkte in der Datenbank, desto größer die Auswahl und desto attraktiver ist der Marktplatz für die Händler. Mit diesem Prinzip hat sich auch der auf Konsumenten spezialisierte Marktplatz Ebay durchgesetzt. Dass die Gewinner um die größte B2B-Plattform in Deutschland sitzen werden, ist allerdings alles andere als ausgemacht. So will Messe-Frankfurt-Chef Michael von Zitzewitz vor allem den etablierten virtuellen Märkten Asiens, etwa Globalsources.com und Alibaba.com, mit seinem productpilot Paroli bieten.
Erst im August vergangenen Jahres hat das amerikanische Internetunternehmen Yahoo vier Milliarden Dollar für 40 % der Anteile der chinesischen B2B-Plattform Alibaba hingeblättert - und damit eindrucksvoll die Bedeutung der neuen Internetmarktplätze unterstrichen. Um dem entstehenden Riesen auf Augenhöhe begegnen zu können, scheint sich bei den Frankfurtern die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass es ohne eine Kooperation nicht geht.
Dabei war die Öffnung für andere deutsche Großmessen ursprünglich gar nicht die Absicht der Messe Frankfurt. "Erst die Resonanz aus dem Markt hat uns zu dieser Idee gebracht", sagt Reinke. Zwar sei noch nichts in trockenen Tüchern, doch die Aufsichtsratsitzungen der Messen seien auch erst im Oktober und November dieses Jahres. Zeitlich gäbe es also noch die Möglichkeit, eine neue Gesellschaft mehrer Messen für den Piloten bis Januar zu schmieden.
Nicht auszuschließen, dass der Strukturwandel den Messen tatsächlich einmal das Geschäft verhageln könnte. Schließlich bringen die Internetplattformen Verkäufer und Einkäufer zusammen - die selbe Geschäftsidee liegt einer Messe zugrunde. Selbst von Zitzewitz konstatiert: "Einkäufer und Beschaffungsexperten in aller Welt und in allen Branchen setzen in ihrer täglichen Arbeit mehr und mehr auf das Internet." Das liege an kürzeren Produktzyklen und beschleunigten Einkaufsprozessen in den globalisierten Märkten.
Allerdings sieht sich Alibaba keineswegs als Gegenspieler, sondern als Partner etablierter Messen. So ist Porter Erisman, Vice-President, International Marketing and Business Development bei Alibaba.com in Hongkong, derzeit mit dem ebenfalls in Hongkong ansässigen Messeausrichter Kenfair International im Geschäft. Die Kooperation erstreckt sich auf die Konsumgütermesse Kenfair Mega Show, die jährlich im Oktober stattfindet. Erisman entwickelt E-Mail-Kampagnen und klinkt Onlinewerbung für die Messe auf seiner Homepage ein. "Die Kooperation ist darauf fokussiert, zielgerichtet Käufer anzusprechen; für andere Messen gewinnen wir aber auch Aussteller". Drei weitere Messe-Partnerschaften hat Erisman bereits abgeschlossen und will sie in Kürze kommunizieren, sagt er gegenüber dem m+a-report.
Natürlich profitiert auch Alibaba von den Kooperationen: Das Unternehmen hat auf der Mega Show den Status eines Haupt-Mediensponsors und ist durch einen zentralen Stand auf der Messe vertreten. Doch nicht nur auf den Messen seiner Kooperationspartner zeigt Alibaba Flagge. Erisman hat sich auch mit eigenem Stand auf der im August veranstalteten Konsumgütermesse Tendence Lifestyle in Frankfurt präsentiert. Auf diese Weise wird sein Onlinemarktplatz auch bei denen bekannt, die ihre Geschäfte noch nicht im Netz eintüten. Erismans Strategie: Aus Offlinern Onliner machen.
Logisch, dass sich Erisman weitere Messe-Deals vorstellen kann: "Wir sind sehr an der Zusammenarbeit mit einem deutschen Messeveranstalter interessiert, sowohl in Deutschland selbst als auch in China." Selbst eine Messe zu organisieren, kommt für ihn hingegen nicht in Frage. "Wir glauben, dass Messeveranstalter und Internetmarktplätze sich am besten entwickeln, wenn sie sich auf ihr Kerngeschäft fokussieren". Zwar hätten die Geschäftsmodelle einiges gemeinsam, im operativen Bereich gebe es aber gewaltige Unterschiede. So sei es für einen Onlinemarktplatz fast unmöglich, einen erfolgreiche Messe zu entwickeln. "Ein Unternehmen kann einen Bereich erfolgreich entwickeln, aber nicht beide."
Das dürfte Merle A. Hinrichs, Vorsitzender der Geschäftsführung von Global Sources anders sehen. Sein Unternehmen setzt klar auf eine Multichannel-Strategie: Global Sources stellt jährlich Informationen zu 1,4 Millionen Produkten und 130 000 Lieferanten auf zehn Online-Marktplätzen, in monatlich erscheinenden Magazinen, in über 90 Sourcing-Reports sowie auf 14 Messen zur Verfügung. Mit dieser Struktur kann er seinen Kunden einen Service bieten, wie nur wenige seiner Konkurrenten: Die Kommunikation von Produktinformationen auf allen gewünschten Kanälen. Allerdings sind nicht alle Plattformen gleich gut entwickelt. Schon ein Blick in die Bilanz 2005 zeigt, dass das Unternehmen mit internetbasierten Lösungen groß geworden ist. So erwirtschaftete Hinrichs vergangnes Jahr 48 % der Umsätze mit Onlinemedien, 38 % mit Magazinen und nur 13 % mit Messen. Insgesamt 90 % der Umsätze generierte er zudem mit chinesischen Firmen.
Erst vor wenigen Jahren startete Global Sources das Geschäft mit den Messen, zunächst in Shanghai, seit diesem Jahr finden seine sechs "China Sourcing Fairs" in Hongkong statt. Erstmals wird Hinrichs seine "China Sourcing Fair: Gifts & Home Products" auch im Juni kommenden Jahres in Dubai an den Start bringen. Die "China Sourcing Fair: Gifts & Home Products" ist die größte Messe der Chinesen: Allein die erste Veranstaltung dieses Frühjahr in Hongkong zog nach Unternehmensangaben über 30 000 Einkäufer aus rund 140 Ländern an. Und auch auf der Herbstmesse sollen sich wieder 4000 Aussteller auf den 70 000 m2 Ausstellungsfläche des Asia-World-Expo-Centers präsentieren. Auch der Zeitpunkt ist nicht schlecht gewählt: Überseereisende können in einem Trip die "China Sourcing" (19. bis 22. Oktober), die "Hong Kong Gifts and Premium Fair" (20. bis 23. Oktober) und die "Canton Fair" (25. bis 30. Oktober) besuchen.
Alle Messen haben ein ähnliches Spektrum rund um Geschenke, Produkte für Küche, Tisch und Haushalt und kleine Elektrogeräte. Damit gibt es starke Überschneidungen mit den großen Konsumgütermessen der Frankfurter, die ihre Brands bekanntlich auch im Ausland - und speziell in Asien - verankern wollen. Kein Wunder also, dass gerade die Messe Frankfurt Interesse zeigt, mit einer eigenen Internetlösung zurückzuschießen. Derzeit soll Global Sources bereits über knapp eine halbe Millionen aktive Käufer in den Datenbanken verfügen. m+a-Frau Vogel-Seib sieht die Bedrohung aus Fernost dennoch gelassen: "Es wird keiner von uns schaffen, das Portal in China zu werden. Das Geschäft werden die Chinesen nicht aus der Hand geben." Markus Ridder

m+a report Nr.6 / 2006 vom 22.09.2006
m+a report vom 22. September 2006