Rasche Urteile für den Messefrieden

Die Einrichtung ist einmalig: das Panel der Baselworld. Es trägt wesentlich dazu bei, dass die Uhren- und Schmuckmesse von Nachahmungen oder gar Fälschungen befreit ist.

Es arbeitet seit über 20 Jahren, leise, geräuschlos und effektiv: das Panel der Baselworld. Auf der weltweit wichtigsten Messe für Uhren und Schmuck beschäftigt sich ein messeinternes Schiedsgericht mit Verletzungen von gewerblichen Schutzrechten, das heißt des Designs, der Marken, von Patenten sowie mit Fällen des unlauteren Wettbewerbs. Seine Entscheidungen haben häufig eine Wirkung über die Messe hinaus: Für Gerichte im In- und Ausland bilden sie eine Grundlage zur Urteilsfindung. Das Panel ist eine in der Uhren- und Schmuckwelt viel beachtete Institution - und bezüglich seiner Durchsetzungsfähigkeit in der Welt der Messen ein einzigartiges Instrument geblieben. "Welthandel bedeutet auch die Einhaltung von bestimmten Regeln", sagt Christoph Lanz, Leiter Management Services und Recht der MCH Messe Schweiz und Sekretär des Panels.
Im Fall der Uhrenindustrie wird die Produktion von Fälschungen weltweit auf mehr als 40 Millionen Stück im Wert von circa 7 Mrd . EUR geschätzt. Dies entspricht einem geschätzten Nettogewinn von 1 Mrd EUR jährlich. Obwohl es schwierig sei, den Wert der Nachahmungen zu beziffern und mit einer hohen Dunkelziffer gerechnet wird, besteht an diesen Hochrechnungen wenig Zweifel, so Lanz. Der Schaden der Betroffenen ist groß. Der Verband der schweizerischen Uhrenindustrie geht von einem Betrag von 500 Mio. EUR aus.
Entstanden ist diese Institution Panel aus einer Notlage heraus: Zu Beginn der 1980er Jahre sahen sich viele Aussteller der Uhren- und Schmuckmesse mit Nachahmungen ihres Designs, Verletzungen ihrer Marken oder mit unlauterem Wettbewerb konfrontiert. Sie mussten reagieren. Dazu stand ihnen aber nur der Gang an das staatliche Gericht in Basel offen. Dies verfügte vorsorgliche Maßnahmen, gültig für die Dauer der Messe. "Das führte dazu, dass das Gericht während der Messe lahm gelegt wurde: Es war vollständig ausgelastet, in den Messehallen herrschten Unsicherheit und Unruhe", erinnert er sich. "Die Messeleitung reagierte prompt und schuf mit dem Panel ein messeinternes Schiedsgericht", sagt Lanz, der damals vom Gericht zur Messegesellschaft wechselte. "Das Panel", erklärt er, "trifft vorsorgliche Maßnahmen für die Dauer der Baselworld, limitiert örtlich auf das Areal der Messe. Es fällt keine definitiven Urteile anstelle der staatlichen Gerichte - was aber nicht ausschließt, dass seine Entscheidungen als Expertenmeinungen in eventuellen späteren Verfahren vor einem ordentlichen Gericht weit über die Messe hinaus wirken." Die rechtliche Grundlage für dessen Tätigkeit unterzeichnen die Aussteller übrigens mit der Anmeldung. Im Ausstellervertrag erkennt jeder einzelne das Panel als Messeschiedsgericht an und sagt gleichzeitig mit seiner Unterschrift zu, sich dessen Entscheidungen zu unterwerfen.
Das Verfahren ist effizient, die Urteile sind kompetent: Wer als Aussteller die Nachahmung eines geschützten Designs oder die Verletzung der Marke auf der Baselworld entdeckt, kann am gleichen Tag bis 16.00 Uhr beim Panel Beschwerde einreichen. Voraussetzung dafür ist, das der Beschwerdeführer sein geschütztes Recht mit den entsprechenden Unterlagen nachweist. Die Mitglieder des Schiedsgerichtes - zwei erfahrende Fachleute aus dem Uhrenbereich, ein Schmuckspezialist, alle nicht schweizerischer Nationalität sowie drei Juristen schweizerischer Nationalität und ein Patentanwalt - versammeln sich jeden Tag um 17.00 Uhr und erörtern beziehungsweise beschließen alle an diesem Tag eingereichten Beschwerdefälle. Im Verlauf des Abends werden die Entscheidungen formuliert und schon am nächsten Morgen ab 9.00 Uhr begründen und verkünden die Mitglieder des Gremiums im Viertelstundenrhythmus ihre Schiedssprüche. Bei Ablehnung der Beschwerde können die beanstandeten Produkte unverändert weiter angeboten werden. "Bei Gutheißung hat der beklagte Aussteller eine Erklärung zu unterzeichnen. Er verpflichtet sich, auf die verletzenden Handlungen zu verzichten. Die Entscheidung des Panels ist sofort wirksam und muss ohne Verzug umgesetzt werden. Bei Bedarf ergreift die Messeleitung weitere Maßnahmen, die bis zu einer Schließung des Standes des Ausstellers reichen können. In gravierenden Fällen werden Aussteller von der Teilnahme an der nächsten Messe ausgeschlossen" sagt Christoph Lanz. "Wenn Sie so wollen, basiert unsere Arbeit auf einer mittelalterlichen Tradition bei Messen: rasche Urteile für den Erhalt des Messefriedens." Die Vorteile: "Die Aussteller wissen in kurzer Zeit, woran sie sind und verfügen über Rechtssicherheit." Namen werden nicht genannt, das Verfahren läuft ohne Öffentlichkeit ab. Diskretion ist Ehrensache in der Schweiz. Denn er weiß auch: Eine Entscheidung des Panels ist immer auch eine Entscheidung gegen einen Kunden. Die schnellen Beschlüsse bei der Baselworld sind vorbildlich für andere: Das Schnellgericht bei den Olympischen Spielen hat sich daran orientiert.
In den 22 Jahren seines Bestehens hat sich das Schiedsgericht mit etwas über 700 Fällen auseinandersetzen müssen. Nicht bei allen sei allerdings ein Urteil erforderlich gewesen. Der Respekt vor dem Panel ist groß: Manchmal führt allein seine Anrufung dazu, dass sich die Parteien auch außergerichtlich einigen (14 % der Fälle). Bei 74 % der Beschwerdefälle waren die Experten gefordert, es lagen Verletzungen von Rechten vor. In den übrigen Verfahren (12 %) wurden die Beschwerden abgewiesen. Die Zahlen belegen auch, dass das Panel eine strenge Praxis pflegt, ebenso, dass Beschwerden überlegt und meist nur in begründeten Fällen eingereicht werden.
"Wir werden dann tätig, wenn ein Aussteller unsere Dienste will - unter Wahrung der Rechte der Gegenseite." Das Panel ist für Christoph Lanz Teil des Qualitätsmanagements der Messe Schweiz. "Messegesellschaften, die den Stellenwert geistigen Eigentums hochhalten, müssen sich dem Thema Verletzung von gewerblichen Schutzrechten stellen."

m+a report Nr.5 / 2006 vom 14.08.2006
m+a report vom 14. August 2006