Identität mit System

Mobil, flexibel und modular sollen Messestände heute meist sein, was mithilfe von Messebausystemen machbar ist. Dass sie identitätsstiftend sind, wird aber ebenfalls erwartet. Hierin liegt eine große Herausforderung.

Messestände sind wie trojanische Pferde, die immer wieder neue Messehallen erobern. Dies meist in friedlicher Absicht, denn sie führen weder feindliche Krieger noch die im Zeitalter der medialen Vernetzung so gefürchteten Computerviren mit sich. Inhalt dieser "Fliegenden Bauten" ist vielmehr die Vermittlung von Botschaften und Informationen zu Marken, Produkten und Dienstleistungen. "Fliegende Bauten sind bauliche Anlagen, die geeignet und bestimmt sind, an verschiedenen Orten wiederholt aufgestellt und zerlegt zu werden", heißt es in der deutschen Landesbauordnung LBO. Mit diesem, inzwischen eher poetisch anmutenden Fachbegriff werden Bauwerke bezeichnet, die den Gegenpol zu den Immobilien bilden, also alle Baulichkeiten, die nicht fest verortet sind.
Die ersten "Mobilien" entstanden bereits in frühester Zeit aus ganz praktischen Erwägungen, um das Überleben in nomadischen Lebensformen zu sichern. Schon die ersten Zelte waren zerlegbar und mussten von den Nutzern rasch auf- und abgebaut werden. Das Prinzip Stütze und Membran, Druck und Spannung ist die Keimzelle aller folgenden modularen Bausysteme. Die Entwicklung von neuen Werkstoffen, von der gusseisernen Stütze bis zum superleichten Aluminiumrohr oder vom Baumwollgewebe zur optimierten Verbundmembran, hat die Entwicklung der nomadischen Architektur stets beflügelt. Aber auch neue technische Errungenschaften, beispielsweise aus der Schiff- und Luftfahrt oder dem Automobilbau fanden oftmals zuerst Eingang in die temporäre Architektur. Im Jahr 1922 notiert Le Corbusier in seinem "Ausblick auf eine Architektur": "Die Architekten leben in der Enge ihres Schulwissens, in der Unkenntnis neuer Regeln des Bauens, und ihre Einfälle bleiben gern bei den sich schnäbelnden Tauben. Aber die Konstrukteure der Ozeandampfer machen kühn und wissend Paläste, neben denen die Kathedralen ganz klein werden: und sie werfen sie ins Wasser."
Die Idee des industriell vorgefertigten Bauens prägte den Deutschen Werkbund, das Bauhaus und später auch die Lehre der Hochschule für Gestaltung in Ulm. An der HfG wurden in der Abteilung Visuelle Kommunikation erstmals Ausstellungssysteme, Messestände und Ausstellungspavillons als wichtige Bausteine im System der Corporate Identity etabliert. In der HfG-Info von 1955 heißt es: "Bei der Zusammenarbeit mit Firmen wird angestrebt, durch die Gestaltung der Mitteilungsformen vom Briefkopf und Firmenzeichen bis zum Messestand nach außen ein Bild der Firma zu geben, das ihr gemäß ist." So entwickelte Otl Aicher zusammen mit Hans G. Conrad ein flexibles Ausstellungssystem aus schlanken Stahlprofilen und Schichtholzplatten, das erstmals 1955 auf der Deutschen Rundfunk-, Fernseh- und Phonoausstellung in Düsseldorf gezeigt wurde.
Mobilität, Flexibilität und Modularität sind heute zentrale Grundanforderungen, um der Taktfrequenz im Messebetrieb gerecht zu werden. Modulare Bausysteme bieten mit intelligenten konstruktiven Verbindungen eine hohe Flexibilität und Kombinationsmöglichkeit an unterschiedlichsten Orten. Eine besondere Herausforderung ist es, über die Erfüllung funktionaler Parameter hinaus mit Systemen räumliche Identität für den jeweiligen Aussteller zu stiften. Die übergeordnete Struktur muss hier genügend Freiräume bieten, um Botschaften und Informationen zu ganz verschiedenen Marken und Produkten zu integrieren. Dies kann über die Ausstattung mit individuellen Wand- und Deckenfüllungen sowie zusätzlichen Komponenten wie Beleuchtung, Animationen und Möblierung geleistet werden. Modulare Systeme bieten im Hinblick auf neue Präsentationsformen, wie beispielsweise kleinere Hausmessen, die Chance, kurzfristig auf dynamische Veränderungsprozesse von Unternehmen zu reagieren. Gleichzeitig wird durch die langfristige Verwendung ein Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit geleistet. Anders als bei Immobilien, die für die "Ewigkeit" gebaut sind oder bei temporären One-way-Architekturen lassen sich modulare Systeme rasch auf veränderte Inhalte und Zielgruppen anpassen. Ein Aspekt, der nicht nur im Bereich der Messearchitektur, sondern auch in neuen Wohn- und Arbeitswelten eine zunehmende Rolle spielt. Jons Messedat

m+a report Nr.5 / 2006 vom 14.08.2006
m+a report vom 14. August 2006