Keine geschlossene Gesellschaft

Schweizer Messebauunternehmen suchen Wachstum im Ausland. Dabei können sie noch auf das gute Image von "Swiss-made quality" setzen. Gleichzeitig wächst die Konkurrenz auf dem ohnehin schwierigen Heimatmarkt

Alt eingesessen und bekannt. Dass sind Merkmale, die in der Schweiz fast garantierten, dass das Messebaugeschäft floriert. Denn Schweizer, das ist gewiss, kaufen am liebsten bei Schweizern. Da spielt selbst der Preis nicht die erste Geige und Design, das in Deutschland vielleicht schon von gestern ist, geht bei den Eidgenossen immer noch, wissen Brancheninsider. So konservativ der Markt auf den ersten Blick scheint, zumindest gibt er eine gewisse Sicherheit, dass man in der Schweizer Messebaubranche alt werden kann. Wahre Dinosaurier im Geschäft sind zum Beispiel Big Player wie Nüssli, Hüttwilen, der schon seit 1941 im Geschäft ist und die Messerli AG, Wetzikorn, deren Firmengeschichte schon bis ins Jahr 1954 zurückreicht.
Dennoch, alleine mit dem Geschäft der temporären Bauten scheint auf Dauer die Existenz nicht mehr gesichert und viele Messebauunternehmen in der Schweiz sind bestrebt, ihr Portfolio auszudehnen und ihre Auslandsaktivitäten zu forcieren. So übernahm die Andreas Messerli AG erst kürzlich eine Mehrheitsbeteiligung an Retailpartners AG. Das Unternehmen beabsichtigt, mit dieser Beteiligung sein Standbein im Bereich Retail Interiors weiter auszubauen. Außerhalb der Schweizer Berge ist Messerli dazu einer der großen europäischen Messebauer und Ausstellungsdesigner mit Dependance zum Beispiel auch in Doha, Qatar.
Groß im Geschäft und im Ausland aktiv ist Nüssli als ebenfalls führender Anbieter temporärer Bauten für Events, Messen und die Bauindustrie. Die international tätige Firmengruppe verbindet Know-how aus verschiedenen Geschäftsfeldern, unter anderem Bühnen, Tribünen und Gerüste mit Messebau. Die daraus entstehenden Synergien führten dann auch 2000 zur Gründung einer eigenen Messebau-Unit. Diese aber, so Martin Joos, Leiter Messebau bei Nüssli, sei international noch gar nicht so bekannt, obwohl Nüssli sich darauf spezialisiert habe, großflächige mehrstöckige Messeprojekte zu realisieren. Zum Kundenkreis gehört die deutsche Autoindustrie ebenso wie die Pharmaindustrie der Schweiz. Nüssli war beispielsweise auch "dick im Geschäft" als im Deutschland zur WM gerufen wurde. Allein im Herzen Berlins entstanden mit dem nachgebauten Olympiastadion und der Bundestagsarena zwei markante temporäre Bauten.
Mit solch spektakulären Auftritten verschaffen sich die Schweizer außerhalb der Alpenrepublik Renommee, das sie im Wettbewerb um internationale Aufträge gegenüber den Kollegen aus dem Ausland gut aussehen lässt. Ein Image von dem die Schweizer schon lange profitieren, das aber, so Schweizer Insider, nicht mehr ganz der Realität entspreche. Denn, obwohl die Schweizer noch die "swiss quality" als USP betonten, gebe es zum Beispiel in Deutschland Messebauunternehmen, die mindestens genauso gut arbeiteten, ist Carsten Nadler, Key Account Manager bei Impact Unlimited, überzeugt. Das Unternehmen aus dem Appenzeller Land geht ebenfalls neue Wege, um sich von den Wettbewerbern abzusetzen: Das Leistungsportfolio wird erweitert um ein Full-Service-Angebot für Messen und Events. Service Unlimited heißt das neue Programm, das von der US-Mutter für den Schweizer und europäischen Markt adaptiert wurde. Es bietet vielfältige Dienstleistungen rund um Messestand, Marketingmaßnahmen Organisation und Consulting. "Der Markt erwartet solche Angebote. Im internationalen Vergleich ist die Entwicklung hinsichtlich Service in der Schweizer Messebaubranche um Jahre zurück," so Nadler.
Huber Exhibition Management, Unterengstringen, tummelt sich im messebaunahen Bereich zusätzlich auf anderen Spielwiesen. Das Unternehmen organisiert den "Swiss Pavilion" auf der Midest im November in Paris. In Kooperation mit Osec Business Network Switzerland, SMZ, dem schweizerischen Fachverband metallverarbeitender Zulieferer und Swiss Business Hub France wird der perfekte Schweizer Auftritt auf der weltgrößten Industriezuliefermesse organisiert. Die Dienstleistungen sind umfassend und enthalten auch PR- und Werbemaßnahmen, den Zugriff auf eine Hospitality Area bis hin zur Standreinigung und Abfallentsorgung. So bietet Huber als "Generalbevollmächtigter" des Messeveranstalters Reed France vor allem KMUs aus der Schweiz den problemlosen Einstieg in den internationalen Markt.
Expomobilia ist ein weiterer Player aus der Schweiz der vor 30 Jahren mit Geschäften im Land startete, aber die Landesgrenzen schon längst hinter sich gelassen hat. Das Unternehmen aus Zürich sieht die Zukunft bei US-Kunden und in Asien, denn der Schweizer Markt stagniere, so Verkaufsleiter Massimo Toma. Dementsprechend macht Expomobilia rund 70 % des Umsatzes inzwischen im Ausland mit Unternehmen, die "bereit sind, Swiss Quality noch zu bezahlen."
Doch nicht nur die Großen aus der Schweiz sind erfolgreich. Auch andere sind im Land der Eidgenossen schon lange unterwegs. So gehört auch Pape Messebau zu den führenden und ältesten Standbau-Unternehmen der Schweiz. Aus kleinen Anfängen ist im Verlauf von 25 Jahren eine etablierte Firma gewachsen, die nach wie vor inhabergeführt und unabhängig existiert. Auch Zysset aus Olten startete schon 1972 als Werbeagentur und realisierte vor 26 Jahren erste Messeprojekte im Ausland und betreute zwei Jahre später auch ausländische Kunden. Seit 1990 ist Zysset Standbauer für Schweizer Gemeinschaftsstände, für die Schweizerische Zentrale für Handelsförderung OSEC und Swissmem, Gruppe Textil. Ebenfalls im Reigen derer, die seit einem viertel Jahrhundert aktiv sind, befindet sich das Traditionsunternehmen Mathys Expo SA, mit Sitz in Vernier/Genf.
Seit der Unternehmensgründung hat auch Steinmetz Expo aus Volketswil, Zürich schon über 10 000 Großprojekte sowie 40 000 mittlere und kleinere Projekte in Europa, im Nahen und Mittleren Osten, in Asien sowie in den USA realisiert.
Alle, ob groß oder klein erkennen, dass das Geschäft der Zukunft außerhalb der Schweizer Landesgrenzen gesucht werden muss. Nur dort können die Unternehmen auf Dauer Wachstum generieren. Auch der lange geschlossene Schweizer Inlandsmarkt ist im Wandel. Immer mehr Firmen aus dem Ausland gründen Niederlassungen in der Schweiz, um sich dort ein Stück vom Messebaukuchen und den dazugehörigen Dienstleistungen abzuschneiden - und das in einem Land, dass mit der Baselworld, der Art Basel und dem Autosalon in Genf eigentlich nur drei internationale Messen habe, beklagen Branchenkenner.

m+a report Nr.5 / 2006 vom 14.08.2006
m+a report vom 14. August 2006