Beilagen unter Beschuss

Messespecials in Tageszeitungen sind uneffizient, sagen die Werbeprofis. Aber sie entdecken auch usnahmen.

Die Kommunikationschefs der deutschen Messen stellen den meisten Beilagen in Tageszeitungen kein gutes Zeugnis aus. Vor allem die ungenügende Messbarkeit wird bemängelt. "Es gibt nach wie vor keine Reichweitenmessungen der einzelnen Beilagen", stellt Peter Ottmann, Bereichsleiter Kommunikation der NürnbergMesse lapidar fest. "Wen erreichen wir hier wirklich? Wer gibt uns Orientierung hierüber?", fragt sich auch Jens Schreiber, Bereichsleiter Unternehmenskommunikation der Messe Frankfurt und schimpft: "Es gibt einfach keine Analyse!"
Gleichzeitig bezweifeln die Kommunikationsprofis, dass Messebeilagen, die einmal im Jahr erscheinen, ihre Zielgruppe finden. "Natürlich ist es schön, wenn über Messethemen berichtet wird", räumt Jochen Dosch, Leiter Marketing-Kommunikation bei der Koelnmesse ein: "Es muss aber auch die Frage erlaubt sein, wie intensiv eine solche Beilage denn gelesen wird." Hans Werner Reinhard, Unternehmensbereichsleiter Kommunikation bei der Messe Düsseldorf: "Eine Sonderbeilage ist schön und gut. Man freut sich. Aber eigentlich freuen nur wir uns."
Die Freude im Stillen zeigt es an: Die Messeveranstalter fühlen sich allein gelassen. Ohnehin berichten die großen Tageszeitungen nur stiefmütterlich über ihr Herzensthema. Und wenn dann einmal im Jahr ein Special zwischen den Wetterteil und das Panorama geschoben wird, merkt es keiner. Ottmann: "Wer soll das alles lesen, wenn Sie gleichzeitig drei Beilagen im Blatt haben?"
Und wenn doch einmal ein unbedarfter Leser in die Messebeilage hineinstolpert? Dann sucht er oft den schnellsten Weg heraus: "Die Qualität der Redaktion ist oft nicht gut genug. Es ist oft auch einfach zu viel PR dabei", reklamiert Ottmann. Stattdessen gelte es stärker journalistisch zu arbeiten, auch Kritik sei durchaus erlaubt. Kollege Jens Schreiber stimmt zu: "Die Beilagen haben oft nicht die gleiche inhaltliche Qualität wie die Leitartikel in der Zeitung. Das geht oft in die PR-Ecke und untergräbt schließlich die Glaubwürdigkeit."
Laut Reinhard sind die deutschen Großmessen deshalb zu einem Grundsatzentschluss gekommen: "In den Beilagen von Tageszeitungen ist von Anzeigen abzusehen." Das gelte allerdings nur für Anzeigen mit Unternehmensbezug. Bei Themen, die mit Veranstaltungen deckungsgleich sind, werde sehr wohl geschaltet. "Das macht auch nach wie vor Sinn", sagt Reinhard. Gleichzeitig bemühen sich die Pressechefs der Messen darum, dass die Überregionalen ihre Messebeilagen zu Gunsten von monatlichen Messeseiten auflösen.
Immerhin "Die Welt" und die "Süddeutsche Zeitung" sind mittlerweile umgeschwenkt und docken einmal im Monat eine Messeseite an den Wirtschaftsteil ihrer Blätter an. "Wir haben auch andere Tageszeitungen angesprochen", sagt Reinhard. Entschieden sei aber noch nichts: "Die Sache ist nach wie vor im Fluss." Keinesfalls ginge es darum, Anzeigen einzusparen, "wir finden es nur besser, einmal im Monat eine Sonderseite zu haben als einmal im Jahr eine Beilage."
Unabhängig davon ist Reinhard auch bereit in den regulären und somit teureren Zeitungsbüchern zu werben. So geschehen, als die vergangene Messebeilage des Handelsblatts erschien. "Wir haben hier im Hauptteil geschaltet", sagt Reinhard - offenbar wollte er die Tür nicht vorschnell zuschlagen. Auch als es darum ging, in einer Beilage das 60-jährige Jubiläum des Handelsblatts zu feiern, ließen sich Reinhard und Kollegen nicht lumpen: Erstmals schalteten sie im Rahmen der Gemeinschaft Deutscher Großmessen (GDG) ein gemeinsames Commercial. "Es kann durchaus sein, dass wir das jetzt öfter machen."
Auch wenn es um Beilagen geht, die messethemenaffin sind, lässt Reinhard die ein oder andere Anzeige springen. So gab es etwa zur Düsseldorfer Boot 2006 Kooperationen mit der "WamS", dem "Handelsblatt" sowie der Beilage "Visavis", die in der "Financial Times Deutschland" (FTD) erscheint. Auch zur Medica erschien im November eine Beilage, bei der sich Reinhard mit Anzeigen beteiligte. Gleiches gilt für die monatliche Beilage "Medbiz" der "FTD" und das "FTD"-Special "Kunststoffindustrie", das im April erschienen ist.
Auch Dosch lehnt Beilagen nicht Bausch und Bogen ab: "Eine Beilage ist dann interessant, wenn sie für unsere Zielgruppe interessant ist." Entsprechend hat der Kölner Kommunikationsexperte dieses Jahr bereits einige interessante Specials angestoßen. So gab es eine gemeinsame Beilage mit der Zeitungsgruppe Köln ("Kölner Stadtanzeiger", "Express", "Kölnische Rundschau"), um die neuen Messehallen am Rhein zu kommunizieren. Da das Gelände mit der Möbelmesse imm cologne in Betrieb genommen wurde, hat Dosch diese gleich im Special mitkommuniziert. "Ich hätte gerne auch eine nationale Beilage an den Start gebracht, aber hierfür gab es kein Budget." Immerhin war die Kölner Beilage in eine größere Kampagne eingebettet, in deren Rahmen Dosch auch bundesweit Anzeigen schaltete.
Doschs Kommunikationsziel war es, nicht als Hallenvermieter, sondern als Serviceanbieter aufzutreten. Dass die Wahl bei der Umsetzung dieser Strategie auf eine Beilage fiel, ergibt durchaus einen Sinn: "In diesem Rahmen konnten wir viele Facetten thematisieren, die wir in einer Anzeige naturgemäß nicht hätten unterbringen können." Damit bringt Dosch trotz aller Kritik einen der Vorteile von Beilagen auf den Punkt: Während sich die Botschaft einer Anzeige auf einen oder maximal zwei Punkte beschränken muss, können sich Werbewillige in einer Beilage ausgiebig erklären. Oder, wie es Frankfurt-Mann Jens Schreiber sagt: "Eine Beilage kommt oft als sehr schweres Menü daher."
Schreibers Bonmot ist nicht nur als Kritik zu verstehen, denn auch er setzt nicht nur auf Anzeigen-Fast-Food allein. So unterstützt er als Namenssponsor des Messe Frankfurt Marathons auch die regelmäßigen Beilagen, die in den Lokalausgaben von "Bild", "Frankfurter Neue Presse" und "FAZ" erscheinen. Voriges Jahr gab es zudem Beilagen zur "ART Frankfurt" in der "FAZ am Sonntag" und "Bild". Schreiber: "Der Vorteil der Beilage ist, dass ich hier auf einen Schlag über das gesamte Konzept informieren kann, so dass der Leser auf dieser Basis eine Entscheidung treffen kann, ob er an einer Messe teilnimmt oder nicht."
Ob es sich auch für Aussteller lohnt, in einer Messebeilage zu schalten, kommt laut Schreiber auf den Einzelfall an. "Eine Anzeige in einer Beilage tritt immer in Konkurrenz zu anderen Marketingtools. In Erwägung ziehen würde ich sie aber in jedem Fall." Auch die Art der Veranstaltung sollte bedacht werden, rät er. Wenn seltene Großereignisse wie die drupa in Düsseldorf anstehen, sei meist auch ein entsprechendes Budget vorhanden, sagt Kommunikationschef Reinhard. "Speziell wenn es um erklärungsbedürftige Produkte geht, macht es durchaus Sinn, sich an einer Beilage zu beteiligen."
Peter Ottmann stimmt zu: "Wenn ich es schaffe, durch eine Anzeige 100 Leute mehr an meinen Stand zu lotsen, ist es sicherlich sinnvoll zu schalten." Dennoch forciert der Nürnberger Beilagen "nicht so arg". Schließlich stelle sich die Frage, ob "hierbei nicht auch der Messeetat kannibalisiert" würde. Die Logik ist klar: Wenn das Budget durch Anzeigenschaltungen aufgebläht wird, erscheint den Controllern eine Messeteilnahme nachher noch teurer, als sie ohnehin schon war. Das kann nicht im Interesse der Messen sein. Das gilt auch für die billigste Lösung. Die wäre: nicht schalten und zu Hause bleiben. Markus Ridder

m+a report Nr.4 / 2006 vom 15.06.2006
m+a report vom 15. Juni 2006