Perspektivwechsel

Kein leichter Job für Fotografen: Waren früher von Messebauunternehmen und Ausstellern eher Standfotos gefragt, so geht es heute darum, bei Messeauftritten die Markeninszenierung und Atmosphäre ins Bild zu setzen.

Herr Brigola, Sie sind als Fotograf viel auf Messen im In- und Ausland unterwegs. Wer sind Ihre Auftraggeber?
Victor S. Brigola: Das ist ganz unterschiedlich. Meine Kunden kommen aus Messebaufirmen und sind Architekten. Aber auch Kommunikationsagenturen, die für dem Aussteller den Messeauftritt kreieren, gehören dazu.

Also haben Sie ein breit gefächertes Kundenportfolio auf einer Messe?
Nicht nur das. Oft arbeite ich sogar für mehrere Auftraggeber auf einem Stand. Das hat für diese zwar den Vorteil, da sie sich die Kosten teilen können, ist aber nicht immer ganz unproblematisch.

Welche Probleme gibt es denn?
Die Ansprüche an Bilder und Motive sind bei ein und demselben Messeauftritt oft ganz verschieden. Der Architekt hat einen anderen Blickwinkel auf den Stand als das Messebauunternehmen, der Aussteller hat ebenfalls eigene Vorstellungen von den Fotos, die er haben möchte und nicht zuletzt kommt die Kommunikationsagentur mit weiteren speziellen Wünschen. Für sie müssen die Aufnahmen dann wieder ins Gesamtkommunikationskonzept des Standes passen.

Das hört sich nach komplizierten Briefings an ...
Nicht unbedingt. Da kommt es auch auf das Verhältnis zum Kunden an. Zum Beispiel Expotechnik, ein Messebauunternehmen, für das ich häufiger tätig bin, kennt meine Arbeit gut und lässt mir freie Hand bei der Motivsuche und Darstellung. Wir liegen sozusagen auf einer Wellenlänge. Und Expotechnik nutzt meine Fotos ja auch zur Eigendarstellung des Unternehmens in seinen Broschüren und beim Internetauftritt.

Worauf legen Sie denn bei der Fotografie von Messeständen besonderen Wert?
Ich habe irgendwann begonnen, vor allem tagsüber am Stand zu arbeiten. Die Menschen, die sich auf einer Messe bewegen, sind für mich sehr wichtig, denn sie füllen die Motive mit Leben. Es kommt nicht mehr so sehr darauf an, reine Standarchitektur - also den nackten Aufbau - zu zeigen, sondern viel mehr darauf, die Kommunikation, die auf der Messe stattfindet, einzufangen.

Per Foto?
Natürlich, das geht. Man kann die Atmosphäre wunderbar einfangen. Durch andere Blickwinkel, neue Motive und die Arbeit mit Schärfe und Unschärfe können Markenbotschaften und das Gefühl für den Messeauftritt aufs Papier gebracht werden. Aber da haben Messeverantwortliche in Unternehmen und manche Messeveranstalter teilweise andere Vorstellungen als die Fotografen selber.

Denen fehlt also der neue Blick?
Also, es liegt wohl an beiden Seiten. Den Fotografen, aber auch den Kunden, fehlt letztlich dann doch der Mut, oder sie können einfach keine neuen Wege der Darstellung beschreiten.

Wieso?
Gerade auf Automessen kann man diese Erfahrung machen. Da gibt es Marken, deren Verantwortliche im Kommunikations- und Messegeschäft sehr konservativ sind, wenn es um Motive des Messeauftrittes geht. Andere wiederum wären vielleicht gerne innovativer, dürfen es aber nicht sein.

Wer sollte es ihnen verbieten?
Wenn eine große Marke in ein globales Marketingkonzept eingebunden ist, dann gibt es einfach strikte Regeln für den Markenauftritt weltweit. Über das Corporate Design wird streng gewacht. Damit natürlich auch über alle Messemotive, die nach außen gehen. Mit der individuellen Freiheit des Fotografen darf es dann natürlich nicht vorbei sein. Interview: Annic Kolbrück

m+a report Nr.4 / 2006 vom 15.06.2006
m+a report vom 15. Juni 2006