Infrastruktur spiegelt sich in den Veranstaltungen

Für den Norden nicht wegzudenken: St. Petersburg steht auf der Messerankingliste an zweiter Position nach der Hauptstadt Moskau. Sergeij Alexeev, Chef von Lenexpo, über Aufgaben, Pläne und neue Projekte.

Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs stellte sich auch Lenexpo völlig neu auf. Wo steht die Messe heute?
Heute stehen wir in Russland unangefochten auf Platz 2. Zwölf Prozent aller russischen Messen werden bei uns, 49 % in Moskau und 39 % in allen anderen Regionen des Landes abgehalten. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass 75 % aller im Nordwesten Russlands organisierten Veranstaltungen hier stattfinden.

Welches sind neben Lenexpo die wichtigsten Ausstellungszentren der Stadt?
Lenexpo allein bietet 40 000 m2 Ausstellungsfläche auf acht Hallen verteilt. 65 000 m2 Freifläche stehen aber zusätzlich zur Verfügung. Daneben gibt es das SKK "Petersburgsky Arena" mit ungefähr 10 000 m2 und die "Manezh" in der Innenstadt mit ungefähr 4500 m2. Dort werden vorrangig Kunstmessen durchgeführt.

Welche Branchen werden von den wichtigsten Messen St. Petersburgs denn abgedeckt?
Mit den Themen Bau und Schiffsbau, Mechanik, Nukleartechnologie, Energie, Land-wirtschaft, Nahrungsmittel, Instrumenten-bau sowie Transport und Logistik sind wir in diesen Bereichen gut aufgestellt. St. Petersburg mit seinen 4,6 Mio. Einwohnern ist ein bedeutender logistischer Umschlagplatz Russlands. Es ist neben dem Land- und Luftweg auch mit dem Schiff zu erreichen. Hier ist zum Beispiel das Zentrum des russischen Schiffsbaus - diese Infrastruktur spiegelt sich in den Messen.

Und welche Veranstalter haben das Sagen?
Neben Lenexpo, die auch Eigentümerin des Messegeländes ist, sind Restec, Farexpo - früher Orthicon - und Primexpo-ITE aus Großbritannien die Hauptakteure.

Wie hoch ist denn der Internationalisierungsgrad überhaupt?
Primexpo führt bei uns die meisten Messen als ausländischer Veranstalter durch. Das Mitglied der ITE Group, London, investiert hier unter anderem in den Ausbau von Veranstaltungen der Lebensmittelbranche wie beispielsweise die Prod-tech, Foodpack, InterFood, die in Kooperation mit nationalen Organisatoren wachsen sollen. Ein weiteres Beispiel ist die Messe Frankfurt. Mit ihr haben wir eine Partnerschaft zur Durchführung der Auto+Automechanika. Weitere internationale Player sind Polexpo und die polnische Handelskammer, Finexpo aus Finnland sowie die Messe Hamburg. Auch E.J. Krause aus den USA und Turkel Exhibitions aus der Türkei nutzen den Standort.

Welches ist im Moment für Sie das bedeutendste Projekt?
Gerade (13. bis 15. Juni) fand das 10. Internationale Wirtschaftsforum statt. Es stand unter der Trägerschaft des Präsidenten der Russischen Föderation. Wir konnten über 1500 Teilnehmer und Gäste bei Lenexpo begrüßen. Ein Novum für uns war die Premiere von drei Ausstellungen im Rahmen des Wirtschaftsforums, die den Russen und ihren Partnern neue Technologien auf dem Energiesektor präsentierten und sich mit Innovationen und Investitionsvorhaben beschäftigten. Während des Forums wurden eine Menge Neuentwicklungen vorgestellt. Darüber hinaus bietet diese großangelegte Veranstaltung Raum für neue Denkanstöße. So hatten die Teilnehmer Gelegenheit, Beiträge von Nobelpreisträger Joseph Stiglits, einem der Autoren der Geldtheorie, sowie verschiedener Professoren aus Schweden und von der University of Columbia aus den USA zu hören. Außerdordentlich interessant für uns waren als Gäste auch Wirtschaftsminister aus Brasilien, Indien, China - also Ländern, die derzeit neben Russland das größte wirtschaftliche Wachstum verzeichnen - und damit eine ernstzunehmende Größe sind.

(Anm. der Red.: Restec, das Unternehmen, das vom russischen Messe-verband IUEF als viertgrößter Veranstalter Russlands gelistet wird, spielte bei der Orga-nisation des Programms eine maßgebliche Rolle.)

Neben den Herausforderungen des globalen Messemarktes, wie würden Sie denn die Beziehung zu Moskau beschreiben?
Eines ist klar, das Messegeschäft in Moskau ist viel größer, als in irgendeiner anderen Region Russlands. Ohne Zweifel ist die Hauptstadt für In- und Ausländer höchst attraktiv fürs Geschäft. Trotzdem ist es unsere Aufgabe, zusammen mit offiziellen Vertretern der Russischen Föderation die wirtschaftliche Entwicklung weiterer Regionen zu fördern und deren Messen international bekannt zu machen.

Wie gehen Sie mit der Konkurrenz um?
Wie schon gesagt, für den Norden sind wir der wichtigste Messefaktor. Außerdem sind wir überzeugt, dass jede Region ihren ganz eigenen Reiz auf Investoren hat, der jeweils von der ansässigen Industrie, der regionalen Wirtschaft, Politik und Kultur mitbestimmt wird. St. Petersburg gilt beispielsweise als die intellektuelle Hauptstadt Russlands. Hier entstehen neue Trends, neue Entwicklungen und Ideen gehen von ihr aus, die in der ganzen Welt von Interesse sind. Ein Zentrum der Kultur und Kunst, das ein entwickeltes Netz von Hotels und eine perfekte Infrastruktur aufweisen kann. Traditionell werden in der Stadt bedeutende internationale Treffen veranstaltet. Sie ist der stärkste touristische Anziehungspunkt im Land. Auch Experten beurteilen Investitionen in St. Petersburg als stabil. Die Stadt betreibt eine solide Haushaltspolitik.

Planen Sie angesichts dieses Optimismus weitere Investitionen?
Derzeit arbeiten wir an der Entwicklung weiterer zur Verfügung stehender Areale und an neuen Projekten. Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass wir erst 2005 unseren Pavillon 7 mit 16 000 m2 Fläche fertig gestellt haben. Die Ausstellungshalle kann leicht in einen Kongresssaal für bis zu 1000 Personen umfunktioniert werden und entspricht modernstem Standard.

Welche Auswirkungen hatte denn die 300-Jahrfeier 2003 auf neue Projekte?
Nicht nur Lenexpo, die ganze Stadt profitiert davon. Neue Straßen, Parks und Hotels steigern nicht nur die touristische Attraktivität. Auch unsere Messegäste begrüßen die Veränderungen und Investitionen in die Infrastruktur und das Stadtbild. Jetzt ist es an uns, die vorhandenen Messen weiter voran zu bringen und das innovative Potenzial zu nutzen. Interview: Christine Seizinger

m+a report Nr.4 / 2006 vom 15.06.2006
m+a report vom 15. Juni 2006