Wunderwelt Werkstoffe

Modernste Hightechmaterialien begegnen uns in allen Lebensbereichen, ob zu Hause, im Büro oder auch auf Messen, Ausstellungen und Events. Architekten und Designer können bei ihren Konzepten aus einem stetig wachsenden Angebot schöpfen.

Mit neuen Technologien bei der Herstellung von Werkstoffen eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten der Gestaltung und Funktionalität. So werden beispielsweise selbstleuchtende Textilien als Werbeträger oder Displaystrukturen eingesetzt. Textilien mit Lichteffekten werden in immer stärkerem Maße zum Markieren, Warnen, Wegweisen und Werben auf unseren Straßen, in Gebäuden und Verkehrsmitteln verwendet. Basis für die Entwicklung dieser selbstleuchtenden textilen Lichtquellen sind metallisierte Fäden, die in das Gewebe eingearbeitet werden.
Für das so genannte Kronleuchterprojekt aus Stoff des Messeauftritts von Mercedes-Benz auf dem Autosalon Genf 2006 entwickelte die Firma Ellermann, Rietberg, eigens eine neue Klebetechnik. Der 50 m lange und rund 20 t schwere amorphe Leuchtkörper, der in seiner Form einem flachen Schiffsrumpf ähnelt, wurde vor Ort unter die Decke gehängt. Projektleiter Hannes Dziggel: "Ein derart großes Stoffsegel mit einer genau definierten Wölbung ohne helfende Verstrebungen herzustellen war für uns eine große Herausforderung." Mit der Klebetechnik lassen sich auch sehr komplexe Zuschnittformen absolut gerade und wärmeresistent ausführen. Diese Eigenschaft war besonders wichtig, da das Deckensegel eine gigantische Lampe mit 2500 Leuchtstoffröhren war. Bei diesem Projekt war die Fernwirkung bei einer Hallenhöhe von über 25 m ein zentrales Kriterium.
Kleine Teilchen - große Wirkung: Spricht man über neue Technologien, so darf der Begriff der Nanotechnologie nicht fehlen. Die Natur hat es uns vorgemacht: Geckos haften durch Nanostrukturen unter den Füßen an der Decke und auch die Lotusblume reinigt ihre Blätter mit ihrer Hilfe auf ihrer Oberfläche. Kunststoffe, mit Nanopartikeln ausgestattet, erhalten neue Eigenschaften, wie größere Härte oder Flammenresistenz. Keramiken mit Nanopartikeln sind mittlerweile härter, leichter und verschleißfreier als Metall. Stoffe mit einem nanoskaligen Imprägniersystem sind nicht nur leichter zu reinigen, sondern antibakteriell, geruchshemmend und Schmutz abweisend. Kaffee-, Ketchup- oder Colaflecken auf Sitzen haben so keine Chance mehr. Dieses Imprägniersystem wird zurzeit in einem Verbundprojekt entwickelt.
Werkstoffe erhalten auch durch einen noch jungen Zweig der Materialforschung, der so genannten Adaptronik, neue, intelligente Eigenschaften: Laute, unangenehme Geräusche entstehen häufig durch Vibrationen. Schwingungen sorgen für einen permanenten Lärmteppich. Je leichter das Material desto heftiger schwingt es und umso lauter wird es. Intelligente Materialien können das Problem lösen: Sie spüren die Schwingungen und wirken ihnen gleichzeitig entgegen. Fasern und Folien aus Piezokeramik beispielsweise minimieren die Lärmbelastung.
Innovative Materialien und ihr Einsatz im Projekt sind schon immer spannende Themen für Architekten, Designer und Produktentwickler gewesen. Die bekannteste Materialsammlung weltweit ist Material ConneXion. Seit letztem Jahr ist das Unternehmen nicht nur in New York und Mailand, sondern auch in Köln vertreten. Die Bibliothek und Onlinedatenbank umfasst über 3000 Materialmuster aus acht Produktkategorien. Hier findet sich zum Beispiel ein Holz-/Polymer-Verbundstoff, der eine leichtere, feuchtigkeitsbeständigere Alternative zu echtem Holz ist, transluzentes Glasfasergewebe mit einer Lichtdurchlässigkeit von 50 %, Gewebe und Tapes mit eingearbeiteten Lichtleitfasern, pigmentiertes Leder, dessen Farbe sich abhängig von der Temperatur ändert, Hochdrucklaminate, die digitale Bilder enthalten, Textilstoffe, die durch die Verwendung von Heißschrumpffasern einen dreidimensionalen Effekt erzielen, rückreflektierende Textilien, die von der Rückseite bedruckt werden, wodurch Grafiken ohne Intensitätsverminderung über das gesamte Textil möglich sind, flexibles, elastisches, magnetisches Blech, laminierte Spanplatten, die elektrisch leitfähige Partikel enthalten, Naturstoff, der zur leichten Aufnahme von Druckfarben beschichtet ist, und vieles mehr. Die Bibliothek leistet auch einen wichtigen Beitrag zum Thema Materialtransfer - Materialien, die für ein bestimmtes Produkt entwickelt wurden, finden somit auch in anderen Branchen Anwendung.
Das Stuttgarter Unternehmen raumPROBE baut in seiner Stadt eine Ausstellung auf, in der die unterschiedlichsten Materialien vor Ort anhand von Mustern erlebt werden können. Architekten, Designer und Entwickler haben hier die Möglichkeit, sich über Oberflächen, Halbzeuge und aktuelle Materialinnovationen zu informieren und sich durch die Vielfalt inspirieren zu lassen. "Da die intelligente Anwendung von Materialien für den Markterfolg eines Gestalters immer wichtiger wird, haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die zahlreichen Innovationen in der Materialtechnologie zusammenzutragen", so Joachim Stumpp, Geschäftsführender Gesellschafter. In der Ausstellung werden neben "vergessenen" Materialien wie Filz oder Lehm, die wieder zu neuem Leben erwachen, vor allem aktuelle Materialien präsentiert. Zum Beispiel das transluzente Material Magiflex, das holografische Eigenschaften aufweist, so dass im Vorbeigehen die Formen anfangen, sich zu bewegen.
Eine weitere Plattform für Architekten sind Messen, die immer häufiger Wettbewerbe und Sonderpräsentationen zum Thema "Neue Werkstoffe" anbieten. So wird beispielsweise auf der Materialica vom 10. bis 12. Oktober in München der Materialica Design Award durchgeführt. Und auf der Hannover Messe Industrie präsentierte iF International Forum Design in diesen Tagen die zweite Sonderschau rund um das Thema Materialien, die iF material trends 2006. Die 1000 m2 große Ausstellung "Sensual materials" rückte die Sinne in den Mittelpunkt: Was kann Menschen in Bezug auf Material beeinflussen, was kann positive - oder negative - Assoziationen wecken, Emotionen auslösen? Welche Erkenntnisse können daraus abgeleitet werden, welche Aspekte sind für die Produktentwicklung wichtig? Unterstützt wird iF hierbei von der Münchener Kreativagentur designafairs.
In den USA sind Mineralwerkstoffe (Solid Surfaces) und Engineered Stones bei Architektur und Interior Design schon längst auf dem Vormarsch. Um diese Zukunftsmaterialien auch in Europa einem möglichst breiten Fachpublikum nahe zu bringen, hat die Survey Marketing + Consulting, Bielefeld, vor drei Jahren die E3S (European Solid Surface Show & Engineered Stone Exhibition) aus der Taufe gehoben. Hier wird die gesamte Bandbreite an Materialien, Gestaltungen und Einsatzmöglichkeiten im Objektbereich, Innenausbau und Laden- und Messebau präsentiert. Was wissen Architekten und Planer über die innovativen Oberflächenmaterialien? Welche Erfahrungen haben sie bisher damit gemacht? Antworten auf diese und weitere Fragen versprach die Informationsveranstaltung "Innovative Oberflächenmaterialien" im Rahmen der E3S während der ZOW im Februar im Messezentrum Bad Salzuflen.
Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat sich dieses zukunftsträchtigen Themas angenommen und fördert die Entwicklung neuer Werkstoffe. Von 2003 bis 2008 gehen rund 85 Mio. EUR pro Jahr an das Förderprogramm "WING - Werkstoffinnovationen für Industrie und Gesellschaft".
Angela Wiegmann

m+a report Nr.3 / 2006 vom 28.04.2006
m+a report vom 28. April 2006