Gesucht: Messebesucher

Die Messebranche, die bislang durch eher aktionistische Marketingmaßnahmen ihre Kunden gewonnen hatte, muss umdenken - sowohl was die Besucherwerbung angeht als auch die Einbindung der Aussteller in Marketingaktivitäten.

Eine Messe zu veranstalten bedeutet mehr als den erfolgreichen Verkauf von Quadratmetern. Während noch vor einigen Jahren die wesentlichen Anstrengungen auf der Ausstellerwerbung lagen, sind Veranstalter heute mehr denn je gefordert, auch die punktgenaue Ansprache potenzieller Messebesucher in den Mittelpunkt zu rücken. Dabei spielen einerseits Aktivitäten zur Neukundengewinnung eine Rolle, nahe liegender und effizienter sind darüber hinaus jedoch Maßnahmen, die ehemalige Messebesucher einbinden. Doch gerade von Letzterem sind Veranstalter bislang noch weit entfernt.
Marketingverantwortliche wissen, dass es wesentlich billiger ist, einen Kunden zu halten, als einen Neukunden zu gewinnen. Umso erstaunlicher ist es, welch eine kleine Rolle bis heute Kundenbindungsaktionen eine Rolle in der Messelandschaft spielen. Anstatt mit den Besuchern einen kontinuierlichen Dialog aufzubauen und so das Interesse an der Veranstaltung das ganze Jahr über aufrechtzuerhalten, werden von Veranstaltungstermin zu Veranstaltungstermin immer wieder enorme - und nicht zuletzt auch budgetintensive - Aktivierungsenergien freigesetzt, um das (neue) Besucherpotenzial zu erreichen. Dabei wäre es einfach, mit geeigneten Instrumenten dafür zu sorgen, dass die Veranstaltung in den Köpfen der Besucher permanent präsent bleibt: zum Beispiel durch die Herausgabe einer regelmäßig erscheinenden Printpublikation - einer Art Kundenzeitung. Veranstalter, die dieses Instrument nutzen und über Neuigkeiten zur Messe schreiben, den Besucher zum Beispiel über geplante Sonderschauen oder besondere Vortragsforen unterrichten und diesen Inhalt noch mit interessanten, aktuellen Meldungen aus der Branche paaren, können sich einer hohen Aufmerksamkeit gewiss sein. Für diejenigen, denen das Budget für eine Printpublikation zu hoch erscheint, kann vielleicht die kostengünstigere Variante, der E-Mail-Newsletter, das Mittel der Wahl sein. Aber auch hier gilt: nur eine gesunde Mischung zwischen Messeinformationen und Branchenmeldungen findet auf Dauer Beachtung.
Sicher, beide Maßnahmen kosten Geld - aber bevor sich Kommunikationsverantwortliche angesichts des Budgets dagegen entscheiden, ist es ratsam abzuwägen, inwieweit sich Teile des Werbebudgets für Anzeigen oder für die Versendung von Mailings an Kaltadressen einsparen lassen könnte.
Es gibt jedoch ein Hemmnis, wenn Veranstalter über solche Kundenbindungsinstrumente nachdenken: Der Einsatz von Direkt- und Dialogmarketingmaßnahmen setzt voraus, dass man im Besitz von Kontaktdaten ist. Der Veranstalter muss seine Besucher also namentlich kennen. Was bei der Zielgruppe Aussteller in der Regel kein Problem darstellt, gestaltet sich bei der Zielgruppe der Besucher schon schwieriger: Noch längst erfassen nicht alle Veranstalter die Adressen der Besucher. Hier besteht noch viel Nachholbedarf in Sachen Aufbau und Nutzung einer qualifizierten Kundendatenbank.
Doch selbst wenn Besucherdaten vorliegen - zum Beispiel durch die bequeme Vorregistrierung im Internet -, wird der Dialog häufig nicht weitergeführt. Nach Registrierung erhält der Besucher eine automatisch generierte E-Mail als Bestätigung: "Begeben Sie sich mit dieser Bestätigung an die Tageskasse und Sie erhalten Ihr Eintrittsticket". Nur wenig Gedanken werden daran verschwendet, wie man dem Besucher die Vorbereitung zur Messe komfortabel ermöglicht. Dabei ist gerade dieser Punkt nicht zu unterschätzen.
Wie eine Umfrage der Fachzeitschrift "Direkt Marketing" im Herbst letzten Jahres ergab, bemängeln Messebesucher die unzureichend zur Verfügung stehenden Informationen zu Veranstaltungen. Interessierte werden immer weniger am Telefon kompetent beraten oder erhalten kaum noch per Post ausführliche Beschreibungen - von der Zusendung eines Ausstellerkataloges können sie nur träumen. Stattdessen müssen sie sich mühsam durch endlose Seiten im Internet klicken.
Gerade im Online-Zeitalter scheinen sich viele Veranstalter für diesen sparsameren Weg zu entscheiden - aber ist dieser auch auf Sicht erfolgversprechender?
Messeveranstalter, die nur Standflächen verkaufen, und Aussteller, die davon träumen, dass mit der Standbuchung Kunden und neue Interessenten von alleine kommen, irren. Gefragt ist der gemeinsame Einsatz, um eine Messe zum Erfolg zu bringen.
Die Aussteller, die nach wie vor zur hofierten Zielgruppe der Veranstalter gehören - was angesichts der Umsätze, die durch die ausstellenden Unternehmen erbracht werden, auf den ersten Blick nachvollziehbar ist -, müssen sich immer mehr bewusst werden, dass auch sie wesentlich zum Gelingen der Veranstaltung beitragen müssen. Eine Messe ist für sie eine hervorragende Kontaktplattform, die bereitgestellt wird. Dass aber Besucher einer Messe tatsächlich Interesse für das eigene Unternehmen zeigen, liegt nicht mehr nur in der Macht des Veranstalters.
Der Veranstalter wiederum kann es den Ausstellern schwer oder einfach machen, sich zu engagieren. Wer attraktive Werbepakete schnürt und die Strategie des "doppelten Kassierens" ablegt, ist gut beraten. Gemeint ist hier das bislang weit verbreitete Berechnen von Werbepauschalen oder das Inrechnungstellen von Eintrittsgutscheinen, die Kunden der Aussteller am Messetag eingelöst haben.
Gesucht ist mehr denn je ein Konzept, das eine Win-Win-Situation für beide Seiten birgt. So stellt zum Beispiel der Veranstalter der Mailingtage seinen Ausstellern Werbemittel kostenfrei zur Verfügung und die danken es ihm mit regen Einladungsaktivitäten. Die "Multiplikatoren-Strategie" geht auf: 2005 wurde laut Veranstalter mehr als ein Drittel der Besucher über Ausstelleraktivitäten generiert. Ein Ergebnis, das die Ausgaben für die Produktion der Werbemittel rechtfertigt.
Die Zeiten, in denen alleine die Anzahl der Aussteller Besucher anlockte, sind endgültig vorbei. Besucher möchten ihre wertvolle Zeit sinnvoll nutzen, suchen nach neuen, kreativen Ideen, Lösungen und gewinnbringenden Kontakten. Wer hier in der Kommunikation und der Gestaltung der "Informations- und Kontaktplattform Messe" nur kontextunabhängig den Rotstift anlegt, wird es schwer haben, langfristig Besucher - und schließlich auch Aussteller - für sich zu gewinnen.
Andrea Brändli, Chefredaktion Fachzeitschrift "Direkt Marketing"

m+a report Nr.3 / 2006 vom 28.04.2006
m+a report vom 28. April 2006