Weltmeisterschaft der Hindernisse

Unter dem Motto "Zu Gast bei Freunden" werben FIFA und der FC Deutschland für die Fußball-WM 2006, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sowie um die Marketingsbudgets der internationalen Blue Chip-Unternehmen.

Infiziert durch den "Virus Weltmeisterschaft" dürfte es wohl kaum ein Unternehmen geben, das aktuell nicht auch sein Stück von der großen Fußballtorte abhaben möchte. Die Ernüchterung der Marketingverantwortlichen kam und kommt jedoch spätestens, wenn die Schweizer Kollegen der FIFA ihre Vorstellungen von Budgets und Nutzungsrechten erläutern. Eigentlich ist die Spielregel ganz einfach: Wer nicht bezahlt hat, darf grundsätzlich gar nichts. Und wenn doch jemand aus Sicht der FIFA ein werbliches Foul begeht, bei dem pfeift der auf Angriff und Sturm spezialisierte Juristenstab der FIFA mit roter Karte. Mit teils realitätsfernen und konsumentenunfreundlichen Regeln konfrontiert, setzt sich Commpany seit nunmehr sechs Monaten täglich auseinander. Denn die Frankfurter Agentur betreut im Auftrag eines namhaften Chemiekonzerns während der WM organisatorisch mehr als 40 internationale Gästegruppen mit mehreren hundert VIP-Gästen. Hierbei geht es mittlerweile mehrheitlich darum, die Kundenwünsche mit dem Machbaren in Einklang zu bringen. In der nunmehr 30-jährigen Tätigkeit im Veranstaltungsgeschäft kann ich mich an keine Veranstaltung erinnern, die derartig paranoid und überzogen geplant wurde. Vielmehr erinnert die theoretische Logistik der WM an ein Computer-Strategiespiel mit offenem Ausgang. Im Agenturalltag drehen sich die Fragen bei der Planung der einzelnen Gruppen nur noch um Themen: Wie kommen wir am besten von A nach B? Wie funktioniert das Einlassprocedere? Was passiert, wenn ein Gast ein Werbe-T-Shirt trägt? Wie werden sich die Gäste im Stadion zurechtfinden? Von der Unbefangenheit zurückliegender sportlicher Großereignisse ist bei der WM 2006 nichts mehr zu spüren. Organisatorischer Overkill und Reglementierungswut werden die Veranstalter an die Grenzen bringen. Die ersten Zugeständnisse der FIFA in Sachen Kartentausch zeigen, dass die selbsternannten Zeremonienmeister weit von der Realität entfernt sind. An den Stadiontoren wird es spannend werden. Dann wird sich zeigen, ob die FIFA und die lokalen Organisatoren in der Kreisklasse oder Champions League spielen. Mario M. Flaschentraeger

m+a report Nr.3 / 2006 vom 28.04.2006
m+a report vom 28. April 2006