"Wir sind noch nicht da, wo wir sein sollten"

Die deutsche Messewirtschaft verkauft sich in punkto Arbeitsplatzattraktivität unter Wert, findet Kölns Messechef Jochen Witt. "Messe ist faszinierend und Messegesellschaften bieten ein erstklassiges Arbeitsumfeld." Nur: Das weiß kaum jemand ...

Das häufige Gerede und die vielen Schlagzeilen um die Privatisierung der Messegesellschaften sowie um Subventionen stören nicht nur Jochen Witt. Dadurch würde das Messewesen in der allgemeinen Wahrnehmung zu sehr in die Nähe der öffentlichen Verwaltung gerückt. "Das ist nicht gut für das Image des Messewesens. Doppelt Schade: Denn diese Schlagzeilen schrecken auch den hochkarätigen akademischen Nachwuchs." Die Arbeitsplatzwahl werde nicht nur von den Fakten bestimmt, sondern auch vom Image. Deutsche Messegesellschaften seien für internationale Top-Absolventen als Arbeitgeber dadurch nicht attraktiv genug, sagt Kölns Messechef. Nur die wenigsten Studierenden wüssten um die vielen Chancen, die sich im Messewesen für sie auftun. Die Veranstalter verkauften sich unter Wert, kritisiert er. "Deshalb gehen die besten Hochschulabgänger lieber zu Coca Cola oder den McKinseys dieser Welt und kommen nicht zu uns." Das sei bedauerlich, nirgends seien die Karrierechancen größer und die Arbeitsfelder attraktiver und spannender als im Messewesen. "Es gibt wohl kein Geschäftsfeld, das Berufsanfängern ein internationaleres Entree bietet."
Dass sich die deutsche Messewirtschaft unter Wert verkauft respektive verkauft wird, führt er auf mehrere Faktoren zurück. Einer davon: Das Messewesen fehle im wirtschaftswissenschaftlichen Studium. "Es wird nur gestreift. Damit wird es der Branche nicht gerecht. Wir sind terra incognita." Witt bemängelt die Reduktion der Messe auf ihre Funktion als Marketinginstrument. Sie sei außerdem auch ein hoch effektives Vertriebsinstrument. "Genau genommen vereint die Messe alle Aspekte des Marketings und des Vertriebs geballt in einem kurzen Zeitraum." Die Komplexität des Berufsbildes Messe-Management sei nicht bekannt. "Was eine Messe macht, was Messemachen bedeutet, dass der Kunde Teil des Produktes ist, die emotionalen Komponenten - das geht alles unter."
Da den Kölnern dieser Mangel bewusst ist, haben sie bereits vor sieben Jahren eine Stiftung für das Institut der Messewirtschaft an der Uni Köln gegründet. Die Messegesellschaft sei zwar ohne jeden Einfluss, aber der Kontakt zum Institut sei sehr eng. So könnten die Studenten Praktika bei dem Veranstalter machen. 20 der Studenten, die mittlerweile ihren Abschluss haben, seien belegbar in der Messeszene geblieben, die erste Promotion hat es jetzt auch gegeben.
Das Thema Messe soll in der Ausbildung hoch gehalten werden: Das Studium der Messewirtschaft laufe außerhalb der Pflichtfächer, es sei ein reines Wahlfach. Das Interesse der Studierenden sei dennoch groß. "Es ist das am besten besuchte Wahlfach an der Uni Köln", so Witt stolz. Die Stellenwert, den die Koelnmesse dem Institut, das von drei Professoren geführt wird, beimisst, spiegele sich zum Beispiel durch Unterstützung der Mitarbeiter bei den Vorlesungen wider. Auch Wettbewerber werden eingebunden. "Das Institut ist da sehr offen, um den Studenten ein möglichst breites Spektrum zu geben." Witt kritisiert, dass die Bereitschaft der Messewirtschaft, sich darüber hinaus in dem Institut einzubringen, äußerst gering sei. "Da ist keine Spur von Kooperation zu spüren. Ein typischer Ausdruck des deutschen Messewesens: Profitieren will jeder, beitragen keiner." Er bedauert: "Leider funktioniert es nicht, die akademische Nachwuchsförderung auf breitere Beine zu stellen. Dabei könnten wir gemeinsam wirklich Schwungmasse generieren." Es müssten doch alle dafür Sorge tragen, dass Messe für die Top-Absolventen einer der attraktivsten Arbeitsplätze ist, die es am Markt gibt.
Die deutsche Messewirtschaft sei auf Veranstalterseite eher mittelständisch strukturiert und deshalb ideal für junge Leute. Denn Messe bedeute nicht nur eine Vielzahl von Branchen und Ländern. Es bestünde auch rasch die Möglichkeit, in vielfacher Funktion tätig zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Messe sei Kommunikation pur. "Sie haben immer mit Menschen zu tun."
Durch die Wahrnehmung des Messewesens durch den akademischen Nachwuchs nah an der öffentlichen Verwaltung werde übersehen, dass "Messegeschäft heute ein harter Wettbewerb auf privatrechtlicher Ebene und analytisches, strukturiertes Vorgehen angesagt ist. Unsere Historie wirkt sich im Recruitingmarkt nachteilig aus", sagt der Messechef. In den öffentlichen Dienst gehe man, um einen sicheren Arbeitsplatz zu erhalten, und nicht um zu gestalten. Unternehmerische Mentalität aber sei im Messewesen stärker gefragt denn je. Es gelte daher, an der Wahrnehmung zu arbeiten, ein positives Image zu entwickeln - auch international. Der Messeplatz Deutschland sei nicht nur für Deutsche ein attraktiver Arbeitsplatz. "Wir versuchen, das Berufsbild Messe positiv zu beeinflussen."
Erst kürzlich sei die Koelnmesse eine Kooperation mit der FH Köln für den Studiengang Corporate Architecture, Fairs and exhibitions eingegangen. Für Köln zahlt sich das Engagement mittlerweile aus: "Wir bekommen in jedem Jahr viele tausend Bewerbungen." Doch wären mehr finanzielle Mittel und eine breitere Basis der Ausbildung des akademischen Nachwuchses wünschenswert. Witt: "Es ist wichtig, dass wir langfristig die Besten an uns binden."

m+a report Nr.3 / 2006 vom 28.04.2006
m+a report vom 28. April 2006