Grau ist alle Theorie

Schneeberger Hochschulstudenten gehen praktisch ans Werk: Vom Entwurf neuer Möbel bis zur Realisation in schuleigenen Werkstätten erfolgt alles in Eigenarbeit.

Sich und ihre Arbeiten präsentierten 26 internationale Hochschulen auf der imm cologne im Januar. Viele frische Ideen waren dort zu sehen. Wegen ihres Möbeldesigns tat sich eine Hochschule besonders hervor: Der Studiengang Holzgestaltung des Fachbereichs Angewandte Kunst Schneeberg der Westsächsischen Hochschule Zwickau erhielt einen von der Koelnmesse ausgelobten Designpreis für sein Projekt zum Thema "Sitzen auf Holz und Metall". Nicht nur die Sitzmöbel, sondern auch der Messestand selbst mit seiner warmen Akzentbeleuchtung und von Motoren getriebenen anmutigen rotierenden Präsentationsflächen wurde in der schuleigenen Holzwerkstatt hergestellt.
Insgesamt 14 Studenten aus zwei Semestern entwickelten während eines halben Jahres unter der Betreuung der Professoren Gerd Kaden, Dorothea Vent und Jochen Voigt eine fantasievolle Sitzmöbelkollektion, die dank der Unterstützung des Möbelherstellers Thonet auch umgesetzt werden konnte. Vor allem auf das dort gern benutzte schwingende Stahlrohr konnten die Studenten zurückgreifen, nutzten aber auch selbst gewählte Werkstoffe wie Gummi und Kunststoff. Sitzschalen wurden in Verleimtechnik selbst hergestellt.
"Ziel war nicht das serienreife Sitzobjekt - sowieso ein Ding der Unmöglichkeit in der kurzen Zeit -", erläutert Jochen Voigt, "sondern das freie, künstlerische Herangehen an ein großes Thema. Bei aller Freiheit stand die Funktionalität im Mittelpunkt." Alle Sitzobjekte wurden von den Studenten aus dem Originalmaterial in Originalgröße selbst hergestellt, teilweise mit Unterstützung der schuleigenen Holz- und Metallwerkstätten. Anders als in den meisten anderen Designausbildungsstätten in Deutschland arbeiten die Schneeberg-Studenten in der Tradition der Bauhauswerkstätten weitgehend in großzügig eingerichteten Werkstätten an ihren Entwürfen.
"Obwohl der Computer und alle damit verbunden Möglichkeiten als wichtiges Werkzeug angesehen und in das Studium integriert wird - was an allen Hochschulen geschieht -", so Voigt, "besitzt die Arbeit mit dem Originalmaterial die Priorität. Unsere Studenten sollen deshalb nach Möglichkeit eine handwerkliche Ausbildung besitzen, wenn sie bei uns beginnen. Sie arbeiten weitgehend frei ohne jegliche bürokratischen Formalitäten zu jeder beliebigen Tages- und Nachtzeit in unseren Werkstätten. Unserem wichtigsten Werkstoff Holz verpflichtet, studieren die Studenten sozusagen an Hobelbank und Holzbearbeitungsmaschinen. Wohl einmalig ist die Situation, dass alle Studenten kostenfrei kontinuierlich und großzügig mit Holz und anderen Materialien versorgt werden, die es ihnen ermöglichen, auch in großem Umfang Entwürfe zu realisieren. Dies sichert ein beständiges Training beim Entwickeln eines sicheren Gespürs für die Ästhetik des Werkstoffs und für die Machbarkeit von Entwürfen. Bekanntlich wird heute am Computer ,alles möglich', ohne es wirklich zu sein. Dem versuchen wir durch ein sehr praxisnahes Studium entgegenzuwirken."
Diese fast "paradiesischen" Zustände im Studium werden nicht durch besondere staatliche Unterstützung ermöglicht, sondern durch sich ständig erweiternde vielfältige Kontakte zu Praxispartnern (wie Thonet), die den Nachwuchs mit finanziellen Mitteln oder Material unterstützen. Das Resultat sind in jedem Semester Studienarbeiten in der Qualität und Fülle, wie sie in Köln zu sehen waren.
Die Stuhlentwürfe zeigen, dass auch eine Affinität zu anderen Werkstoffen gegeben ist, obwohl Holz bevorzugt wird. Auf diese Weise werden die Studenten auch mit den Besonderheiten von Metallen, Kunststoffen et cetera vertraut gemacht. Der hohe Eigenanteil bei der Herstellung lässt den Studenten ein ganz anderes Verhältnis zu seinem Entwurf aufbauen, als dies beim bloßen Computerentwurf entsteht. Sogar die aus Schichtholz geformten Sitzschalen einiger Stühle (Stefan Hahnemann, Florian Schmigalle, Christiane Kunath) wurden selbst hergestellt, wobei die Beschäftigung mit dem Bau von Pressformen und -lehren eine große Rolle spielte.

m+a report Nr.2 / 2006 vom 24.03.2006
m+a report vom 24. März 2006