Von geilen Preisen und hohen Kosten

Um lukrative Projekte pitchen Eventagenturen oft genug ohne Honorar. Doch die Billigvariante der Partnerwahl kann potenzielle Kunden auch teuer zu stehen kommen.

Geiz ist geil. Der lockere Slogan, der ursprünglich für billige Unterhaltungselektronik stand, mutierte innerhalb kürzester Zeit zum Preiskampfvirus, gegen den anscheinend keine Branche immun ist. Auch nicht die der Eventagenturen, deren Kunden es inzwischen meisterhaft verstehen, bei Etatverhandlungen die Daumenschrauben anzusetzen. Fairer Umgang im Geschäft scheint out, Solidarität unter Agenturen sogar megaout zu sein.

Die Sitten sind rau: "...nachdem Sie nicht kostenlos präsentieren, wir aber Präsentationen ausnahmslos als von den Agenturen zu erbringende Vorleistungen im Rahmen der Akquisition sehen, sind unsere Versuche zusammenzukommen, wohl ohnehin nicht von Erfolg gekrönt. ... halten Sie mich auf dem Laufenden, sollten Sie Ihre Strategie in punkto Vergütung von Präsentationen mal überdenken. ..." Dieser Kundenbrief, der m + a vorliegt, zeigt deutlich: Bei der Suche nach neuen Kunden heißt es für viele Agenturen Vogel friss oder stirb. Aus einer Präsentation wird plötzlich ein mehrstufiger Pitch, oder man stellt hinterher fest, dass der neue Etathalter der alte ist und der Wettbewerb praktisch nur zur Legitimation diente, bei dem der Gewinner von vorne herein feststeht. Ähnliche Erfahrungen kann Reinhard Pommerel, Inhaber der gleichnamigen Agentur aus dem norddeutschen Berne nur bestätigen: "Es sind schnell vier oder fünf Agenturen gleichzeitig im Pitch um einen Auftrag. Da bekommt man bei Nachfragen zu Honoraren schnell zu hören, alle anderen machen das auch so." Kunden nutzen die Situation natürlich aus. Frei nach dem Motto teile und herrsche wissen diese genau, dass sich heutzutage kaum jemand dem Druck entziehen kann, möglichst kostengünstig zu präsentieren.

Denn Stolz muss man sich leisten können. Selbst Agenturchefs, die darauf halten sich nicht vor das Preiskarussell spannen zu lassen, können sich von der Unkultur des Preisdumpings nicht ganz befreien. So tritt Matthias Kindler, Chef der Münchner Agentur The Companys durchaus selbstbewusst potenziellen Kunden gegenüber: "95 % unserer Pitches werden bezahlt. Aber ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass wir nie umsonst präsentieren." Natürlich ist man langjährigen Kunden gegenüber toleranter und die Aussicht auf Folgeaufträge macht ebenfalls gewogener, selbstausbeuterisch zu agieren. Eine mit Sicherheit auch unter den Agenturen unausgesprochen akzeptierte Praxis - es macht eben jeder.
Doch darin liegt gleichzeitig die Crux. Es geht nur selten um eine langjährige glückliche Kunden/Agenturbeziehung, in der man erst investiert, um langfristig zu profitieren, sondern meist um die Ausschreibung einzelner Eventprojekte. Dass die klassische Werbung auch schon länger diesen Below-the-line-Bereich für sich entdeckt hat, macht den Umgang mit preisverwöhnten Kunden nicht einfacher. Denn die Konkurrenz wächst ausgerechnet in Krisenzeiten.

Ein Ausweg aus der Misere scheint es zu sein, die entgangenen Honorare nach einem vergeblichen Pitch hinten herum in anderen Bereichen, bei anderen Kunden und anderen Projekten zu verbuchen, damit das Eventgeschäft überhaupt betriebswirtschaftlich lukrativ bleibt.
Ein weiterer ist, die eigenen Dienstleister, genauso wie man es selber erlebt, an die Kandare zu nehmen und den Preiskampf so nach dem Radfahrerprinzip nach unten durchzureichen. Dass alles kann aber keine Dauer haben. Wer immer nur nach billigen Lösungen schreit, der nimmt in Kauf, dass die Qualität der Arbeit auf der Strecke bleibt. Also müssten alle diszipliniert werden, Kunden wie Agenturen, damit aus der Unkultur des Pitchens wieder ein fairer Wettbewerb wird.
Doch in der Realität ist man weit vom offenen Umgang miteinander entfernt. Stefan Rössle, Geschäftsführer der Hamburger Agentur kontrapunkt, kennt Situationen, die nicht dazu beitragen, das Vertrauen in den Auftraggeber zu stärken. "Wenn ein langjähriger Kunde mir versichert, dass ich als einzige Agentur anbiete, und ich dann von anderer Seite erfahre, dass außer mir noch andere im Rennen sind, ist das kein Beweis für Transparenz. Schließlich kennt man sich in der Branche und spricht miteinander, da kommt so etwas raus."

Miteinander zu sprechen scheint überhaupt ein Ansatz zu sein, einen für alle akzeptablen Ausweg aus dem Dilemma zu finden. Da ist der Verband gefragt seine Mitglieder um sich zu scharen und als Forum Marketing Eventagenturen (FME) gegen die Pitchpraxis anzugehen. Erste Schritte sind gemacht. Die "Musterrechnung", mit der das FME plakativ begreiflich machen wollte, wo und wie bei diesem Thema das Geld verbrannt wird, ist in der Branche auf viel Aufmerksamkeit gestoßen. Damit aber nicht genug. "Es wäre ein guter Ansatz, wenn der Verband in der Lage wäre, gewisse Verhaltensregeln auf die Beine zu stellen", wünscht sich Pommerel. "Ich erwarte von einem Verband ein Reglement." Damit rennen beide offene Türen ein. Dennoch: Stefan Rössle warnt als FME-Vize vor zu großen Erwartungen an einen wie auch immer gearteten "code of conduct", an dem schon andere gescheitert seien. Zuletzt musste der GWA hilflos zuschauen, als sich bedeutende Dickschiffe der Werbebranche die Schlacht um den Etat des Autovermieters Sixt lieferten - trotz Verhaltenskodex des Verbandes. Daher gibt Rössle zu bedenken: "Beide Seiten - Kunden und Agenturen - müssen sich bewegen und dazu wird es auch von unserer Seite aus weitere Initiativen geben."

Johannes Milla, Milla und Partner,
Stuttgart, wird als Vorsitzender des Arbeitskreises Wettbewerbskultur im FME noch deutlicher: "Unsere Rechnung, wie viel Geld auch auf Kundenseite tatsächlich bei Pitches verbrannt wird, hat auch einige Kunden nachdenklich gemacht." Es gehe auch deren Controller inzwischen nicht nur darum, den billigsten Anbieter zu finden. Milla und der Arbeitskreis erkennen in der Inflation der Wettbewerbe auch ein Ausbildungsproblem: Der Wunsch nach Qualifikation sei auf Kundenseite durchaus vorhanden. Deren Problem: Entscheidungsträger würden immer jünger und die wenigsten Marketingstudiengänge bereiteten darauf vor, sich mit Agenturen und Briefings auseinander zusetzen. "Es geht längst nicht mehr nur um das Thema Pitchhonorare, sondern um generelle Fairness im Wettbewerb", so Milla.
So lange manchmal auf Kundenseite Pitches lediglich zur Tischvorlage für Vorgesetzte würden, oder entgegen der Ankündigung in zwei oder drei Wettbewerbsrunden plötzlich in mehreren Runden gerungen werden müsse und falsche Angaben das Bild vom Wettbewerb verzerrten, sei das Honorar doch nur noch ein Punkt unter vielen. Die Lösung: "Ein völlig anderer Ansatz des Umgangs miteinander," glaubt Milla. "Über sorgfältiges Screening, Workshops, den Dialog und durch gegenseitiges Kennenlernen ist viel eher gewährleistet, dass zwischen den Partnern die Chemie stimmt." Helfen könnte dabei auch ein Leitfaden zur Kultur des Kennenlernens, der demnächst vom FME veröffentlicht werden wird.
Ein wirkungsvolles Instrument, mit dem auch Matthias Kindler mit seiner Eventcompany gute Erfahrungen gemacht hat. Diese arbeitet schon mit Ähnlichem: "Fünf Schritte auf dem Weg zur Partnerschaft" klärt jeden Interessenten darüber auf, was er von der Eventcompany im Wettbewerb erwarten kann. Ein solches Kennenlernen bei einem Workshop schütze die Kunden dann ebenfalls vor Enttäuschungen mit Agenturen, die sie nur durch die Wettbewerbspräsentation kennen. Milla: "Wenn man sich im laufenden Eventprojekt von der Agentur trennen muss - was immer öfter passiert - dann ist meist viel Zeit und Geld auf Kundenseite verloren."

Also braucht es nur einen neuen Kodex und die Welt ist in Ordnung? So schnell wird es kaum gehen. Realistisch ist da Thomas Germann von der Wiesbadener Agentur on air productions: "Pitchkultur und Pitchhonorare sind ein umstrittenes und teilweise heftig diskutiertes Thema. Ich bin der Auffassung, dass sich die Agenturen (vor allem die FME-Mitglieder) zuerst intern noch deutlicher und offener austauschen müssen, bevor man nach außen eine populistische, teilweise sogar scheinheilige Diskussion führt. Solange man es nicht schafft, ein einheitliches Auftreten zu gewährleisten, sollte jede Agentur mit kaufmännischen Verstand, Selbstbewusstsein und Gespür für seriöse Anfragen jeweils seine eigene Entscheidung treffen." Annic Effertz

m+a report Nr.3 / 2004 vom 23.04.2004
m+a report vom 23. April 2004