Den Fälschern an den Kragen

Klauen statt ordern. Gerade für Messen ist Marken- und Produktpiraterie ein heißes Thema. Fotografierverbot, Beschlagnahme möglicher Plagiate, Schiedsstellen, Rechtsberatung - die Veranstalter werden zunehmend initiativ.

Zur Frankfurter Konsumgütermesse Ambiente hat der Designer und Gründer von busse design ulm, Rido Busse, ein ganz besonderes Verhältnis. 1977 entdeckte er dort auf dem Stand eines Herstellers aus Hongkong ein exaktes Plagiat der von ihm entworfenen Brief-/Diätwaage 8600 der Firma Soehnle-Waagen - angeboten zu 1/6 des Originalpreises, aber auch in deutlich schlechterer Qualität. Damals beschloss Busse, durch die Vergabe eines Negativpreises die Öffentlichkeit sowie den Gesetzgeber auf diesen Missstand aufmerksam zu machen und über die negativen volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Plagiaten und Fälschungen aufzuklären - die Geburtsstunde des "Plagiarius". Er wird jährlich auf der Ambiente an die dreistesten Plagiatoren vergeben. Symbol ist der schwarze Gartenzwerg mit der goldenen Nase (die sich Plagiatoren verdienen).
Was als laienhafter Kopierversuch in Hinterhof-Werkstätten begann, hat sich zu einer hoch professionellen Industrie mit weltweitem Netzwerk entwickelt, hinter dem laut ICC London (International Chamber of Commerce) sogar die Mafia und das organisierte Verbrechen stecken. "Die Gewinnspannen sind mittlerweile lukrativer als bei Drogenhandel und Schmuggel, die Strafen hingegen lächerlich gering", heißt es einer Erklärung der Aktion Plagiarius. Wachsendes Know-how seitens der Plagiatoren gepaart mit modernster Technik führe dazu, dass die Qualität der Nachahmungen besser werde und selbst Fachleute nicht immer eindeutig ihre Originale identifizieren und von Plagiaten und Fälschungen abgrenzen könnten. "Es ist äußerst schwierig, aufwändig und Kosten treibend, Fälschern auf die Spur zu kommen. Denn die Auswirkungen treffen jeden von uns", mahnte Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell in seiner Laudatio zur Verleihung des Negativ-Preises.
Die Europäische Kommission schätzt, dass bereits 7 bis 10 % des Welthandels Fälschungen und Plagiate sind und dass dadurch weltweit ein volkswirtschaftlicher Schaden in Höhe von 200 bis 300 Mrd. EUR pro Jahr entsteht und mehr als 200 000 Arbeitsplätze vernichtet werden. Tendenz steigend. Faber-Castell: "Produktpiraten kennen keine Krisenzeiten. Das Geschäft der Fälscher und Nachahmer boomt. Der deutsche Zoll hat allein 2005 Plagiate im Wert von 91 Mio. EUR beschlagnahmt."
"Wenn hohe Profite winken, werfen auch zunehmend westliche Unternehmen und Händler ethische Bedenken über Bord", bedauerte Rido Busse auf der Preisverleihung des schwarzen Gartenzwerges. Eine traurige Angelegenheit: "Bei den aktuellen 58 Einreichungen zum Plagiarius-Wettbewerb beispielsweise wurden rund zwei Drittel der Plagiate in Europa (davon rund 50 % in Deutschland) hergestellt oder verkauft; nur ein Drittel stammte aus China und Südostasien." Der Designer: "Den Schaden haben die kreativen, ehrlichen Unternehmen. Angefangen von Umsatzrückgängen über den Verlust von Marktanteilen und die Zerstörung der Glaubwürdigkeit der Marke bis hin zu unberechtigten Produkthaftungsklagen. Werden Qualitäts- und Sicherheitsstandards vernachlässigt, so bekommen auch die Konsumenten die negativen Auswirkungen von Fälschungen und Plagiaten zu spüren." Minderwertige Produkte könnten nachweislich Gesundheit oder sogar Leben gefährden.
Produkt- und Markenpiraterie ist auch in Politik und Wirtschaft zu einem Thema mit Top-Priorität geworden. So will die Bundesregierung die Rechte von Schutzrechtsinhabern zukünftig weiter stärken. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries legte vor kurzem einen Gesetzentwurf vor, der vorsieht, dass Geschädigte in Zukunft auch von Dritten Informationen verlangen können, zum Beispiel von Spediteuren, Paketdiensten oder Internet-Providern. Außerdem können geschädigte Unternehmen Schadensersatz verlangen.
Die Jury des Plagiarius-Wettbewerbs 2006 vergab drei Preise, sieben Auszeichnungen und zwei Sonderpreise. Den 3. Preis gab es für den Stuhl "Vero". Das Original stammt von der Victoria Design AG, Baar, Schweiz, das Plagiat von der G-Collection GmbH, Rothenthurm, Schweiz. Originalhersteller des Mokik Bikes "MadAss" ist Sachs Fahrzeug- und Motorentechnik GmbH, Nürnberg, der des Plagiats die Eastern Motorcycle Co. Ltd., Nanjing, Jiangsu, China, für den Vetrieb zeichnet Panon Sp. z o.o., Warschau, Polen, verantwortlich. Der 1. Preis ging an die Waschtisch-Armatur "Giorno" der Aloys F. Dornbracht Gmbh & Co. KG, Iserlohn. Das Plagiat fabriziert Groemix Sp. z o.o., Warschau, Polen.

m+a report Nr.2 / 2006 vom 24.03.2006
m+a report vom 24. März 2006