Arbeiten aus der Zukunftsnation

Die Hannover Messe hat Indien zum Partnerland erwählt - einen äußerst schwierigen neuen Markt, aber dafür auch einen sehr lukrativen. Die Industrieschau gibt Einstiegshilfe.

Die Wirtschaft Indiens kommt in Fahrt: Der Ausbau seiner technologischen Kompetenz ist für Indien zwingend, um im globalen Modernisierungswettlauf bestehen zu können. Dies gibt europäischen Unternehmen, vor allem auch mittelständischen Spezialanbietern, gute Geschäftsmöglichkeiten. "Viele Investitionen kommen bereits nach ein, zwei Jahren in die Gewinnzone. Gewinne von 30 % und mehr sind dann keine Seltenheit. Aber darüber spricht man nicht, um die Konkurrenz nicht aufzuwecken. Auch über jährliche Steigerungsraten der Umsätze von unter 15 % redet man hier ungern, die gelten als schlecht", erklärt ein Wirtschaftexperte der Deutschen Botschaft in New Delhi.
Durch diese neu entstehenden Märkte entwickelt sich in Indien die Messebranche sehr schnell. "Messen sind Spiegel der Märkte", sagte Kurt Schraudy, Geschäftsführer der IMAG auf der Componex/electronicIndia 2006 in New Delhi, deren Ausstellerzahl sich innerhalb von zwei Jahren um 40 % erhöhte.
Waren Messen in Indien noch vor wenigen Jahren eher traditionelle staatlich organisierte Leistungsschauen, so blühen jetzt Fach- und Industriemessen auf. "Hier in Indien gibt es bereits eindeutig zu viele Messen - und keinen Messekalender, der einen Überblick bieten könnte. Zudem halten viele Veranstaltungen nicht, was sie versprechen", sagt Isolde Aust de Quintela, bei der Deutschen Botschaft in New Delhi zuständig für Messen. Besonders gute Einstiegschancen sieht Isolde Aust de Quintela in den Bereichen Energie, Umwelttechnik, Transport und Logistik. Der große Bedarf an neuen Technologien, alternativen Materialien und modernen Produktionsverfahren zeigte sich auch auf der Auto Expo, die Anfang des Jahres in New Delhi stattfand. Ein besonders großes Interesse zeigten die Fachbesucher an den Bereichen Autoelektronik und an modernen Messverfahren. "Wir sind in erste Linie hier, um uns die Branche genauer anzusehen. Das Interesse der Besucher an unseren Messgeräten für die Qualitätskontrolle in der Automobilproduktion ist sehr groß", so Florian Ehmeier, beim Messgerätespezialisten MESA, Geretsried, zuständig für Asien.
Die neue chinesische Konkurrenz drängt mit ihren zunehmenden Überkapazitäten in neue Märkte wie Indien. 25 Aussteller aus der VR China stellen ihre Produkte vor, Taiwan war auf der zum ersten Mal auf der Auto Expo mit einem Gemeinschaftsstand mit gleich 67 Unternehmen vertreten. Indien ist jedoch keinesfalls das neue China, sondern ein Subkontinent mit eigener Wirtschaftskultur und einmaligen, oft sehr widersprüchigen Bedingungen. Weit mehr als das Reich der Mitte ist das Land in seiner Tradition verhaftet und die ungeheuren sozialen Probleme könnten Indien schon bald vor gewaltige Herausforderungen stellen. Etwa die Hälfte der fast 1,1 Milliarden zählenden Bevölkerung ist unter 20 Jahren und drängt bald auf den Arbeitsmarkt. Dort haben bereits heute lediglich 8 % der erwerbsfähigen Bevölkerung einen formellen Arbeitsplatz. Die Politik und staatliche Organisationen sind oft katastrophal organisiert. Infrastrukturmängel und viele unerwartete Schwierigkeiten bei Geschäften sind die Folge dieser Umstände.
Andererseits öffnet sich das Land seit wenigen Jahren. Mit Hilfe japanischer Unternehmen entstand eine sehr innovative und leistungsfähige Industrie. Bei den großen Produzenten und vielen Zulieferern leben die Grundgedanken des "Toyotismus", die Japans Autoindustrie nach dem zweiten Weltkrieg von der totalen Rückständigkeit an die Weltspitze katapultierte. In vielen indischen Fertigungswerken weisen die Qualitäts- und Produktivitätspfeile steil nach oben. "Wir haben hier noch viel zu verbessern. Wenn Ihnen bei der Betriebsbesichtigung etwas Verbesserungsfähiges auffällt, so sagen Sie es uns bitte, wir sind dankbar dafür." So begrüßt der Direktor eines großen indischen Automobilunternehmens eine vom "Forum Indien" organisierte Unternehmerdelegation aus Deutschland. "Gerade die Gespräche und Werksbesichtigungen bei den indischen Zulieferern haben die Teilnehmer beeindruckt. Das Qualitätsbewusstsein ist stark ausgeprägt und die japanischen Produktionsphilosophien werden nicht nur ausgehängt und zitiert, sondern auch gelebt", fasst Dirk Mayer, Partner bei Forum Indien die Eindrücke zusammen.
Neue Märkte versprechen Pioniergewinne. Und eines der besten Einstiegsinstrumente in neue Märkte sind Messen. So ist es ein passendes Konzept, Indien zum Partnerland der Hannover Messe (24. bis 28. April) zu machen. Hier besteht für europäische Aussteller eine einfache Möglichkeit, mit indischen Unternehmen und Ausstellern Erstkontakte zu knüpfen. Umgekehrt bietet die Messe indischen Unternehmen ein gutes Sprungbrett in die europäischen Märkte.
"In der Messehalle 6 werden zahlreiche indische Unternehmen, Verbände und Institutionen über ihren Weg informieren. Wir freuen uns auf sie", sagt Sepp D. Heckmann, Chef der Deutschen Messe AG, Hannover. Zu den Schwerpunkten der Präsentation werden Bereiche wie Energie, industrielle Zulieferung oder die indische Boombranche Automobilindustrie zählen. "Ganz gleich, um welchen Industriezweig es auch gehen mag: Die Welt ist gespannt auf Lösungen aus der Zukunftsnation."
Gerade in Deutschland sei das Interesse an Kooperationen mit indischen Unternehmen sehr groß, so Heckmann. "Deshalb achten wir bei der Konzeption der Partnerlandpräsentation besonders darauf, einen intensiven bilateralen Kontakt zur indischen Wirtschaft zu ermöglichen. Hierzu zählen die Vorstellung konkreter Investitionsprojekte, die Präsentation von Wachstumsbranchen und natürlich die Schaffung von Foren für den direkten Dialog."
Mit ihren zahlreichen Tagungen und Konferenzen sei die Hannover Messe ganz generell auch immer ein Treffpunkt für die internationale Politik. Somit biete sich indischen Unternehmen ein "nahezu perfekter Zugang zu den europäischen und internationalen Märkten, sei es nun als Fachbesucher oder Aussteller," sagt Heckmann.
Thomas Kiefer

m+a report Nr.2 / 2006 vom 24.03.2006
m+a report vom 24. März 2006