Das kleine Schwarze

Sein Notizbuch hätten viele gerne: Helmut Zander koordinierte als Protokollchef der Deutschen Messe AG nicht nur Besucher von Politikern. Seine Abteilung ist die Schlagader für Networking "made in Hanover".

Sie ist die einzige Messe, die die gesamte digitale Welt an einem Ort beschreibt: die CeBIT. Vom 9. bis 15. März geht es in Hannover wieder rund. Die Messe ist aber weit mehr als eine Produktschau. Die Faktoren Wissensvermittlung und Networking spielen eine zunehmend größere Rolle. Mit rund 30 Sonderpräsentationen und 800 Vortragsveranstaltungen gilt sie als eine der größten Vorstandsetagen der Welt. Die CeBIT 2005 zog rund eine halbe Million Besucher an, davon allein 120 000 Vorstände, Geschäftsführer und Selbstständige, 110 Delegationen aus 15 Ländern, Regierungschefs, Minister und Ministerpräsidenten.
Die ITK-Elite hat die Messe zu ihrem Treffpunkt erkoren. Keynote Speaker der Eröffnungsfeier ist Vodafone-Chef Arun Sarin. Prominent besetzt ist auch das 'International CeBIT Summit' am Vortag der Messe. Mit dabei sind unter anderem Gianfranco Lanci, President von Acer, Colin MacLean Boyd, CIO von Sony Ericsson, und Viviane Reding, Kommissarin für Information, Gesellschaft und Medien von der Europäischen Kommission. Da darf Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht fehlen. Sie wird - wie ihr Vorgänger aus Niedersachsen - sowohl die CeBIT als auch die Hannover Messe eröffnen, die nach einer Untersuchung des FAZ-Institutes "wichtigste Messe für die Wirtschaft". "Politik und Wirtschaft nutzen Messen als Forum und Bühne. Sie sind für sie attraktiv - aus vielerlei Gründen", sagt Helmut Zander, langjähriger Leiter der Abteilung Protokoll und Unternehmensevents der Deutschen Messe AG in Hannover. Er weiß: Die wirtschaftspolitische Auseinandersetzung macht auch vor Messen nicht Halt. "Hochrangige Events von enormer wirtschaftspolitischer Bedeutung haben eine hohe Anziehungskraft", freut er sich. Das erleichtert seine Arbeit. Es gehört zu seinen Aufgaben, dem Medienereignis Messe noch ein oder mehr i-Tüpfelchen in Form von prominenten Eröffnungsrednern aufzusetzen. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Sie suchen und finden gerade dort Foren mit vielen Journalisten. Auch für die Verbände ist die publikumswirksame Gelegenheit eine gesuchte: Schließlich können sich bei den großen internationalen Highlights und Produktinnovationen alle der breiten Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sicher sein. "Es ist das Grundinteresse der Politik", so Zander. Er ist Meister im Entwickeln von Beziehungsstrategien. Die VIP-Datei der Deutschen Messe AG ist groß. 35 000 bis 40 000 Adressen sind dort gespeichert, schätzt er. Handverlesene Kontakte bewahrt er an anderer Stelle auf:
Das Notizbuch des Protokollchefs ist legendär. Darin steht, wer in Politik und Wirtschaft Rang und Namen hat. Ein Werkzeug, um das er von vielen Kollegen beneidet wird, ist es doch - dank medialer Großereignisse wie Hannover Messe und CeBIT - sehr "gehaltvoll". Dabei ist es gar nicht so sehr das kleine schwarze Nachschlagewerk, auf das er baut. "Ohne persönliche Kontakte geht gar nichts." Das Vertrauen, sagt er, habe er sich durch praktische Arbeit allerdings erwerben müssen. 15 Jahre hielt er engen Kontakt zu den Büroleitern der Minister und zu deren persönliche Referenten. Er kennt die Abläufe und Verfahrensweisen in den Ministerien genau, schließlich saß er lange auf der anderen Seite des Schreibtischs: Helmut Zander arbeitete in der Niedersächsischen Landesregierung, zuletzt als Sprecher von Birgit Breuel, als sie Finanzministerin war. 1990 wechselte er zur Deutschen Messe AG. Dass der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder häufig auf den Hannover'schen Messen anzutreffen war, hat nicht nur etwas mit dessen Wohnort zu tun. Zanders ehemalige Kollegin aus dem Landtag war zur Büroleiterin des damaligen Kanzlers aufgestiegen... "Da habe ich unheimlich Glück gehabt."
Doch trotz bester Beziehungen: Eröffnungsveranstaltungen haben doppelte politische Brisanz. Bevor "man" sich trifft, grübelt die Protokollabteilung über der Sitzverteilung: Wer wird wo platziert? Es ist eine Aufgabe, die viel Fingerspitzengefühl erfordert. Zander: "Der Vorstand der Deutschen Messe AG lädt - lange im Vorfeld einer Veranstaltung - mit persönlichen Briefen ein, im In- wie im Ausland. Die Resonanz ist enorm." Den prominenten Politikern, Unternehmenslenkern oder Multiplikatoren steht seine Abteilung zur Seite. "Wir machen die Programme und wickeln sie von A bis Z ab."
Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit den Büros der hochrangigen Politiker. Die Absprachen mit dem Kanzleramt reichen bis in Kleinste. "Da darf nichts dem Zufall überlassen bleiben." Und wenn doch mal etwas anders läuft? "Das ist die Kunst des Protokolls: Das darf keiner merken." Im Laufe seiner Amtszeit habe er einen "siebten Sinn" für solche Dinge entwickelt. An Erlebnissen mit beeindruckenden und berühmten Persönlichkeiten mangelt es ihm nicht.
Die Königsklasse der Protokollabteilung sind die Besuche der ausländischen Regierungschefs. Im Fall des Besuchs Russlands Präsident Wladimir Putin im vergangenen Jahr blieb ein 20-köpfiges Vorauskommando fünf Tage, um alles durch- und abzusprechen. Russland war 2005 Partnerland der Hannover Messe. Vom 24. bis 28 April wird sich Indien an der Leine als dynamische "Zukunftsnation" präsentieren. Das wird auch Indien Regierungschef Manmohan Singh für die Intensivierung der Wirtschaftskontakte zwischen Indien und Deutschland nutzen. Wieder eine interessante Herausforderung für das Team vom Protokoll, das dann unter der Leitung von Michael Rose steht.

m+a report Nr.1 / 2006 vom 13.02.2006
m+a report vom 13. Februar 2006