Ohne die "Gunst der Könige" läuft im Reich der Mitte nichts

Klaus Michael Hilligardt, Aufsichtsratsvorsitzender der BMC AG, Stuttgart und Peking, über seine Erfahrungen, Strategien und Visionen im chinesischen Messemarkt.

Sie organisieren seit 1988 Messen in Fernost. Was macht die Faszination aus?
Schon als Tourist ist die Faszination den fremden Kulturen und den fernöstlichen Ländern gegenüber groß. Doch erst als Geschäftsmann bekommt man auch Zugang zu den Menschen. Ich hatte das Glück, das so genannte kulturelle Dreieck Asiens kennenlernen zu können: Japan, Korea, China. 1967 bis 1972 arbeitete ich für den Maschinenbauer Traub. Viele Freundschaften zu Japanern wurden geschlossen. Schon damals war ich dicht dran, konnte Vertrauen zu vielen gewinnen. Das hat mir später bei meiner Tätigkeit für Mesago immer geholfen. Die nächste Station war Korea. Danach kam China, wobei im Reich der Mitte schneller ins Geschäft eingestiegen wird. Wichtig ist deshalb gerade dort, Kontaktpersonen mit Ansehen zu kennen. Sie verschaffen einem Zugang zu den wichtigen Entscheidern. Unser Netzwerk ist unser Kapital: Es reicht bis in die höchsten Stellen. Erlangt man die Gunst des Oberen, stehen Projekte auf festen Beinen. Da hat sich bis heute nichts geändert.

Apropos Veränderung: Wie hat sich der chinesische Messemarkt in den Jahren gewandelt?
Früher hatte das Monopol auf Messen die staatliche Behörde CCPIT (China Council for the Promotion of International Trade). Einige wurden auch vom ISTIC, dem Institute for Scientific and Technological Information China, organisiert. Der Zufall wollte es, dass wir über dieses Institut schon recht früh auf dem chinesischen Markt aktiv werden konnten: Klaus Stubenrauch - ein Mesago-Mitarbeiter und Song Jian, der Vorsitzende der Kommission für Technologie und Wissenschaft ISTIC, studierten gemeinsam Maschinenbau und Raketentechnik in Moskau. Guanxi - dem glücklichen Zusammenspiel von Beziehungen - kamauch hier die entscheidende Rolle zu. So gelang es uns bereits vor zehn Jahren, in China ohne einen Joint-Venture-Partner loszulegen. Nach und nach kamen dann neben den Töchtern deutscher Großmessen aus München, Frankfurt und Düsseldorf Reed, CMP und VNU mit chinesischen Partnern auf den Markt. Vorreiter in China ist noch immer das CCPIT, wobei im Laufe der Zeit auch die Verbände zunehmend stärker wurden. Sie überholen gar die Ministerien an Bedeutung. Für Messeveranstalter und Aussteller sind sie die entscheidenden Partner.

Stichwort Aussteller: Wie entscheidet er sich bei den vielen Messen, die derzeit den chinesischen Markt überschwemmen, für die richtige?
Viele Chinesen wollen schnell mit irgendeiner Messe Profit machen, und es ist nahezu unmöglich, den Überblick zu behalten. Chinesische Messeprospekte nützen den Unternehmen kaum: Sie enthalten Informationen, die zwar ausdrücken, welche Wunschpartner oder Aussteller die Veranstalter gerne hätten, bilden aber oftmals nur einen Bruchteil der Realität ab. Deshalb sollte ein Unternehmen sehr gut überlegen und fundiert recherchieren, wo es ausstellt. Fragen wie: Welche Messen gibt es von welchen Veranstaltern müssen es beschäftigen. Der m+a Messeplaner ist ein gutes Instrument zur Vorbereitung. Die eigenen Ergebnisse mit den Erkenntnissen von Marktinsidern abzustimmen oder - noch besser - nach China zu reisen und sich vorab einige Ausstellungen als Besucher anzuschauen, ist absolut empfehlenswert. Notfalls mit einem Übersetzer, um selbst mit den Ausstellern vor Ort sprechen zu können.

Kann man sich nicht auf bekannte Veranstalter aus dem Ausland verlassen?
Das kann nicht pauschal so gesagt werden. Es gibt Chinesen, die ein Thema viel besser bestreiten, als ein ausländischer Organisator. Die quantitative Messeentwicklung schmeckt der chinesischen Regierung übrigens auch nicht.

Was will die Regierung unternehmen?
Durch glaubwürdige Messezahlen soll eine höhere Transparenz geschaffen werden. Ähnlich der FKM soll eine Institution, die zur Zeit gegründet wird, dafür Sorge tragen. Es wird an einem System gearbeitet, in das die Veranstalter ihre Messezahlen selbst einspeisen. Kontrolliert wird an anderer Stelle, danach abgeglichen.

Und was wird qualitativ noch unternommen?
Bei vielen Messen in China ist die Qualität enorm gestiegen. Die Chinesen haben viel gelernt. Einige Messeveranstalter sind Vollmitglied bei der UFI.

Welche Rolle spielt das?
In China eine große. Chinesen beurteilen nach derartigen Kriterien die Qualität einer Messe. Auch wieviele Systemstände beziehungsweise Special Stands auf einer Messe sind, ist von Bedeutung: Je mehr Stände in konventioneller Bauweise zu finden sind, desto besser ist in ihren Augen die Veranstaltung. Doch am sichersten funktioniert die Mund-zu-Mund-Propaganda: Die besten Veranstaltungen sprechen sich rum.

Sie haben Anteile von Messegesellschaften in Shanghai, Guangzhou und Peking gekauft. Warum?
Wir verfolgen damit eine Strategie: Wir wollen uns zuerst an der Ostküste platzieren, brauchen für unsere Vorhaben dort Mannschaften.

Warum kaufen Sie nur knapp über die Hälfte?
Jeweils 51 % zu kaufen hängt damit zusammen, dass wir an der Börse notiert sind: So können wir die Anteile voll konsolidieren. Außerdem können wir darstellen, dass der Verkäufer mit seinem geringeren Anteil innerhalb der Kooperation mit uns mehr verdient, als mit seinen 100 % vorher.

Wie schaffen Sie das?
Wir als internationaler Veranstalter garantieren eine gewisse Anzahl internationaler Beteiligungen, die wiederum allein 300 EUR pro m2 einbringen. Die qualitative Steigerung ist garantiert. Auch die Aussteller ziehen so mehr Profit aus den Messen. Das macht schnell die Runde, die Messe wächst. Durch mehr internationale Aussteller nimmt auch die internationale Besucherzahl zu.

Sie wollen sich an der Ostküste aufstellen: Welche weiteren Städte haben Sie im Auge?
Macao, Hongkong, Shenzhen und Dalian. Dort versuchen wir mit Veranstaltern oder Geländen zu kooperieren, die thematisch zu uns passen.

Und danach?
In einem zweiten Schritt kaufen wir weitere Messen zu und entwickeln eigene. Unser Ziel ist es, jeweils die Leitmessen der Branchen, die wir bedienen, auf den chinesischen Markt zu bringen. Daneben führen wir - vergleichbar mit dem englischen Erfolgsrezept von beispielsweise Reed - passende Fachpublikationen ein. Zwei Kosmetikfachzeitschriften verlegen wir bereits in Lizenz. Daneben arbeiten wir an ergänzenden, zu unseren Messen passenden Internetportalen, bisher zu den Themen Beauty, Mining und Maschinenbau, die ganzjährige Handelsplattformen darstellen.

Sind das Ihre Wachstumsfelder?
Ja, dabei gilt es aber immer im Auge zu behalten, dass wir ein Medienunternehmen sind. Unsere Medienkernkompetenz stärkten wir daher kürzlich durch den Zukauf von 51 % eines Unternehmens namens Flying Dragon, das sich auf Flughafenwerbung spezialisiert hat. Dazu gehören neben Showroomkonzepten alle bewerbbaren Flächen an Flughäfen. Bisher operiert Flying Dragon in Peking - andere Flughäfen bieten hier noch ungeheures Potenzial. Was wir anstreben ist Cross Selling - warum sollten wir nur m2 verkaufen?

Wie sieht Ihre Vision aus?
Wir wollen uns binnen drei Jahren zu einem der key player im chinesischen Messemarkt entwickeln und an der Börse ein beachtenswerter Mitspieler sein. Unser Merkmal dabei: einwandfreie Qualität all unserer Produkte.
Interview: Christine Seizinger

m+a report Nr.8 / 2005 vom 08.12.2005
m+a report vom 8. Dezember 2005