Mangelnde Koordination trotz staatlicher Reglementierung

Nach dem atemberaubenden wirtschaftlichen Aufschwung überschlagen sich die Messeereignisse in Südkorea: Zentren eröffnen, Veranstaltungen werden gelauncht. Was fehlt, ist noch die Abstimmung der Macher untereinander.

In den letzten 40 Jahren hat sich Südkorea zu einer der stärksten Industrienationen weltweit entwickelt. Noch in den 1960er Jahren war das ostasiatische Land eines der ärmsten Länder der Welt, das praktisch nur landwirtschaftlich geprägt war. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 680 Mrd. US$ in 2004 lag die südkoreanische Wirtschaft im internationalen Ranking auf Platz 10. Getragen wird die Wirtschaftsleistung zu etwa 35 % von der Industrie- und Bauwirtschaft; der Dienstleistungssektor trägt zu 50 % dazu bei. Im Vergleich zum Vorjahr (+4,6 %) wird die südkoreanische Wirtschaft in 2005 mit einem Wachstum von nur 4 % einen leichten Dämpfer erhalten, so die Prognosen der privaten Wirtschaftsinstitute in der Republik Korea.
Südkorea sieht seine Zukunft vor allem im Ausbau der Technologie- und Dienstleistungsbranchen. Besondere Schwerpunkte bilden die Bereiche Logistik, Umwelttechnik, Erneuerbare Energien, die Bio- und Nanotechnik sowie Medizintechnik. Diesen Themen widmen sich verstärkt auch in jüngster Zeit die national und international aktiven Messegesellschaften. Ähnlich wie im Nachbarland China oder Japan sind die südkoreanischen Messeaktivitäten im Vergleich zu Europa jung und stark von Fachverbänden sowie staatlichen Institutionen geprägt, wie Ministerien beziehungsweise dem koreanischen Handelszentrum KOTRA. Hinzu kommt, dass die Messegelände und deren Betreiber bei der Organisation von Messen thematisch in starker Konkurrenz zueinander stehen. Es gibt zahlreiche Branchenmessen, die sich in der Nomenklatur ähneln oder zeitlich überschneiden, da die wichtigsten Partner der Messeveranstalter - die Fachverbände - nicht miteinander kooperieren.
Nach einer jüngst veröffentlichten Studie des internationalen Messeverbandes UFI, in der die asiatische Messewirtschaft analysiert wurde, fanden in Südkorea in 2004 insgesamt 141 Fachmessen statt. Die vermietete Gesamtfläche betrug 509 000 m2, was eine durchschnittliche Vermietung pro Messe von 3610 m2 ausmachte. Gemessen an diesen Parametern stand das ostasiatische Land an dritter Stelle von 13 aufgeführten Ländern nach China (exklusive Hongkong) und Japan.
Mit einer gesamten Hallenfläche von 127 206 m2 liegt Südkorea laut Studie auf sechster Position.
Da es bisher keinen umfassenden Messekalender gibt, der einen Überblick zu den Messeaktivitäten verschaffen könnte, wurden die ersten Schritte zur Lichtung des Messedschungels in einem Leitfaden des Ministeriums für Handel, Industrie und Energie (MOCIE) getan. Seit wenigen Jahren veröffentlicht das MOCIE am Ende jeden Jahres für das jeweils folgende Jahr eine Liste von etwa 40 bis 45 Messen, die das Ministerium aus wirtschaftlicher und politischer Sicht für besonders wichtig erachtet. Die Schwerpunkte liegen auf den Bereichen Maschinenbau, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Elektronik, wobei die gelisteten Messen eine besondere finanzielle Förderung erhalten. Das Budget in 2005 liegt bei etwa 2,55 Mio. EUR. Zu den bedeutendsten internationalen Branchenmessen zählen zum Beispiel die Werkzeugmaschinenmesse Simtos, die Busan Marine Week, die Seoul Motor Show, die Umweltmesse Envex, die Maschinenbaumesse KOMAF, die Automobilzuliefermesse KOAA und die Korea Electronic Show KES. Südkoreas größtes und bedeutendstes Messegelände war bisher das Convention & Exhibition Center (COEX) in Seoul. Mit einer Hallenkapazität von 36 027 m2 werden auf dem 1979 eröffneten Gelände jährlich etwa 25 Messen vom gleichnamigen Veranstalter organisiert. Daneben beherbergt das Gelände zahlreiche Gastveranstaltungen. Im April 2005 musste das COEX, zumindest an der Ausstellungsfläche gemessen, seine führende Position abgeben. Mit dem neu eröffneten Korea International Exhibition Center (Kintex) hat das nordöstlich der Hauptstadt gelegene Goyang ein hochmodernes Messegelände mit einer Hallenfläche von 53 541 m2 erhalten. Die ersten Messen wie die Simtos oder die Seoul Motor Show sind bereits vom COEX ins Kintex umgezogen. Träger des neuen Messegeländes ist die Kintex International Exhibition Ltd., an der praktisch vollständig staatliche Institutionen, wie die Provinz Gyeonggi und die Stadt Goyang, beteiligt sind.
Das drittgrößte Messegelände befindet sich in der Hafenstadt Busan. Das Busan Exhibition & Convention Center (BEXCO) wurde 2001 mit einer überdachten Ausstellungsfläche von 26 400 m2 eröffnet.
Überwiegend Fachmessen der Textilindustrie wie beispielsweise die bedeutendste Textilmaschinenmesse Südkoreas, Kotrex, werden im 11 617 m2 großen Daegu Exhibition & Convention Center (DEXCO) durchgeführt. Daegu gilt als Produktionszentrum von Textilien und Stoffen.
Vor wenigen Wochen eröffneten die Messegelände Kimdaejung Convention Center in Gwangju mit einer Hallenfläche von 9 072 m2 und das Changwon Exhibition & Convention Center (CECO) mit 7 826 m2 überdachter Fläche.
Mit der Gründung des südkoreanischen Messeverbandes Association of Korean Exhibition Industries (AKEI) in 2002 wurde unter der Schirmherrschaft des MOCIE eine Institution geschaffen, die sich ausschließlich der Förderung und Entwicklung der Messewirtschaft in der Republik Korea widmet. Des Weiteren beauftragt der Messeverband im Auftrag des MOCIE jedes Jahr eine extra akkreditierte Prüforganisation zur Kontrolle statistischer Messedaten. Die internationalen koreanischen Fachmessen werden in einem Portal auf der Website des Messeverbandes veröffentlicht. Der AKEI hat gegenwärtig 37 Mitglieder, die sich unter anderem aus den Besitzern der Messegelände, Messeveranstaltern, Messedienstleistern und Fachverbänden der ausstellenden Wirtschaft zusammensetzen. Natalja Winges

m+a report Nr.8 / 2005 vom 08.12.2005
m+a report vom 8. Dezember 2005