Alle guten Dinge sind zwei. Oder doch drei?

Durch den Boom der Erneuerbaren Energien wachsen die deutschen Windenergiemessen dynamisch. Ob gleich alle Plattformen langfristig Bestand haben werden, ist allerdings fraglich.

Es gibt sie noch, die deutschen Boombranchen. So prognostiziert das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit einen Branchenumsatz im Bereich der erneuerbaren Energien von 40 Mrd. EUR bis zum Jahr 2020. Vor allem der Bereich Windenergie scheint auch die Phantasie der deutschen Messechefs zu beflügeln. So gibt es mit der Husumwind und der WindEnergy in Hamburg und der Energy im Rahmen der Hannover Messe gleich drei Großveranstaltungen in Sachen Wind. Der Wettbewerb um das Thema ist verständlich: Der Bundesverband Windenergie beziffert den Umsatz der Branche auf 7,1 Mrd. EUR - das wäre mehr als die Hälfte des Marktes für erneuerbare Energien. Allerdings glauben einige Branchenexperten mit Blick auf den Messemarkt nicht an das Motto "alle guten Dinge sind drei". Drei Windenergiemessen - das könnte eine zu viel sein.
Das erste Messeunternehmen, das in Sachen Windenergie aktiv wurde, war die Messe Husum: Bereits 1987 öffnete sie erstmals ihre Pforten für die im Entstehen begriffene Branche. "Die Entwicklung der Husumwind ging einher mit dem wirtschaftlichen Fortschritt der deutschen Windindustrie, diein den vergangenen 15 Jahren ein gewaltiges Innovationstempo realisiert hat", sagt Geschäftsführer Hanno Fecke. Seitdem musste sich das nordfriesische Städtchen mit 15 000 Einwohnern alle zwei Jahre auf kilometerlange Autokorsos einstellen, den die Besuchermassen bildeten. Auch bei der Unterbringung der 520 Aussteller und 16 000 zahlenden Besucher können die Messeteilnehmer nicht auf die üblichen Kapazitäten einer Großstadt rechnen.
Immerhin hat Fecke mittlerweile einiges unternommen, um die Lage zu entspannen. So gibt es unter der Internetadresse www.husumwind.com eine Datenbank mit rund 1000 Pensionen und Ferienhotels. Zudem hat er Vermieter im nördlichen und mittleren Schleswig-Holstein aufgefordert, freie Zimmer zu melden. Gleichzeitig mit einer neuen Halle hat er bereits 2003 einen neuen Parkplatz für rund 800 Autos bauen lassen. Diesen können dann auch die 100 Aussteller nutzen, die Ende März 2006 auf der dritten New Energy Husum ausstellen. Themenschwerpunkte sind hier unter anderem Biomasse und Solarenergie.
Besonders stolz ist man in Husum auf den neuen Kooperationspartner: Gemeinsam mit den Hannoveranern will man den Schritt ins internationale Geschäft wagen. In Planung ist zurzeit der Launch einer Husumwind China. Zwar war bereits vergangenes Jahr die erste Husumwind in Shanghai geplant. Aufgrund von zeitlichen Überschneidungen mit anderen Veranstaltungen zum Thema soll diese dem Vernehmen nach aber verschoben werden. Generell soll "die Präsenz in China nur der Anfang sein", sagt Sepp D. Heckmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Messe AG in Hannover: "Unter den Marken Energy und Husumwind können wir auch in Südamerika neue Märkte erschließen."
Hört sich dieser Teil der Kooperation noch nach Zukunftsmusik an, sieht die Einbindung der Husumwind in die Energy schon konkreter aus: In Halle 13 der Hannover Messe wird das Thema Windenergie in einem eigenen Ausstellungsbereich hervorgehoben. Hier gibt es in einem "Branchen- und Exportforum Erneuerbare Energien" Vorträge und Diskussionen rund um das Thema. Fecke: "Wir erreichen so neue Zielgruppen, da sich die Windenergie hier im Kontext des gesamten Energiemarktes präsentiert."
Vor allem kann Fecke durch die Kooperation den neuen Wettbewerber WindEnergy auf Distanz halten. Die Hamburger waren vor drei Jahren angetreten, um den Ausstellern ein Sprungbrett für das internationale Geschäft zu bieten. "Die Messe ist damals auf Betreiben der Industrie entstanden, die einen internationalen Standort mit guter Infrastruktur suchte", sagt Peter Bergleiter, Projektleiter der WindEnergy. Entsprechend stolz ist er auf die gute Perfomance bei den ausländischen Besuchern der WindEnergy: Reisten vor drei Jahren erst 1800 von jenseits der Grenzen an die Elbe, waren es vergangenes Jahr bereits 2600 von insgesamt 10 000 Besuchern. Bei den Ausstellern sehen die Zahlen noch besser aus: Vergangenes Jahr kamen 330 Unternehmen, davon 129 aus dem Ausland.
Dabei lassen sich bei allen Windenergiemessen die eigentlichen Hersteller von Windenergieanlagen an zwei Fingern abzählen. "Die überwiegende Mehrheit der Aussteller sind Zulieferer, Projektplaner und Finanzierer", sagt Bergleiter. Allerdings kommen diese meist nur, wenn auch die großen Originalhersteller mit im Boot sind. Mit den Branchenriesen Enercon aus dem norddeutschen Aurich und den Dänen Vestas hat Bergleiter aber zwei große weiße Flecken auf der Landkarte. "Alle anderen Hersteller sind aber vertreten", sagt er. Zudem sei man weiter in Gesprächen. Doch auch ohne die Branchenriesen ist der WindEnergy-Projektleiter zuversichtlich kommendes Jahr rund 400 Aussteller begrüßen zu können.
Nur die Energy würde die Hamburger dann noch übertreffen. Mit 750 Ausstellern und 78 700 Besuchern ist sie fast so groß wie die beiden norddeutschen Windmessen zusammen. Allerdings hat sie ein weitaus größeres Produktportfolio..
Ulrich Rothgerber, Abteilungsleiter Hannover Messe für den Bereich Energy, glaubt dennoch an die Synergien, die sich durch die Eingliederung in die Industrieschau ergeben: "Hier wird die gesamte Wertschöpfung der in der Energy gezeigten Lösungen abgebildet." Zudem steigerten "das internationale Publikum, die große Medienaufmerksamkeit und das hohe politische Interesse an der Hannover Messe" auch den Stellenwert der Energy.
Es gibt sie halt noch, die deutschen Boombranchen. Ob gleich drei Messen langfristig davon profitieren können, scheint allerdings fraglich, denn auch aufstrebende Märkte konsolidieren sich irgendwann. Dann könnte es auch in Sachen Messe heißen: Alle guten Dinge sind zwei. Markus Ridder

m+a report Nr.7 / 2005 vom 27.10.2005
m+a report vom 27. Oktober 2005