"Wachstum ist vorprogrammiert"

Vertreter aller zehn EU-Beitrittsländer versammelten sich anlässlich der CMT an einem Tisch. Stuttgarts Messechef, Ulrich Kromer, über Ergebnisse und Aussichten.

Beim Tourismus Round-table trafen sich Minister und Experten und diskutierten über Stärken, Chancen und Potenziale durch die EU-Erweiterung. Was hat Ihnen am besten an der Diskussion und der Veranstaltung gefallen?

Ulrich Kromer: Am meisten überrascht hat mich die große Offenheit und die Hilfsbereitschaft, mit der unsere baden-württembergischen Firmen und Tourismusorganisationen auf die "neuen Familienmitglieder" zugegangen sind.
Das waren ganz konkrete Hilfsangebote zum Ausbau der touristischen Infrastruktur in den zehn EU-Beitrittsländern, Einladungen zu Kooperationen vor allem im Ausbildungsbereich und bei Fragen der Qualitätssicherung. Es wurde allerdings auch deutlich gemacht, dass die Zusammenarbeit langfristig keine Einbahnstraße sein kann - schließlich sind die meisten dieser Länder für Baden-Württemberg auch künftig Märkte vor der Haustür.

Wie war die Resonanz der zehn ausstellenden EU-Beitrittsländer, die auch Partnerländer der CMT waren, auf ihren Messeauftritt in Stuttgart?

Also, ohne jede Übertreibung: Alle waren begeistert. Wir haben viele Briefe des Inhalts bekommen, dass es den Ländern mit Hilfe der CMT und ihrer Medienpräsenz noch weitaus stärker gelungen ist, ihren Bekanntheitsgrad zu steigern, als man das vorher für möglich hielt. Wir haben neben dem eigentlichen Messe-Marketing bereits im Vorfeld Pressereisen in praktisch alle zehn Länder organisiert. Da kommt schon was an publizistischer Power rüber.

Verzeichnen Sie auch auf anderen Messen vermehrt Aussteller aus den Neulingsländern?

Im Moment steht für uns noch stärker die Akquise von Fachbesuchern aus Mittelosteuropa im Vordergrund. Aber bei Fachmessen wie der Intervitis/Interfructa oder der Interbad - wo sozusagen ein natürliches Ausstellerpotenzial in Ländern wie Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Polen oder Slowenien besteht - werden wir in diesem Jahr schon einige Aussteller in Stuttgart begrüßen dürfen. Ich bin sicher: Die Dinge werden sich entwickeln, wenn vielleicht auch nicht vom Start weg mit Tempo 200.

Und wie unterstützen umgekehrt Sie Ihre Aussteller, die sich für diese Märkte interessieren?

Wir versuchen derzeit, Angebot und Nachfrage schwerpunktmäßig am Messeplatz Stuttgart zusammen zu bringen. Deshalb tun wir über unsere Auslandsvertretungen sehr viel für die Fachbesucher-Akquise in den EU-Beitrittsstaaten. Kooperationen mit Messen in Mittelosteuropa sind erst der nächste Schritt. Da muss man sehr genau hinschauen, wo ein solches Engagement Sinn macht.

Wo sehen Sie die größten Chancen der EU-Erweiterung für die deutsche Wirtschaft?

Kein zweites Land in Europa wird durch die EU-Erweiterung so stark profitieren wie Deutschland. Es kommen rund 70 Millionen potenzieller Konsumenten zur europäischen Familie hinzu - das sind hoch interessante, relativ rasch wachsende Märkte.
Einen weiteren Aspekt sollte man nicht unterschätzen: Die Mehrzahl dieser Länder hat starke, über Jahrhunderte gewachsene Verbindungen mit Deutschland - nicht so sehr mit England, Frankreich oder Spanien...

Welche Risiken sehen Sie?

Die einzige Gefahr, die ich im Moment sehe, ist, dass vielleicht in einigen Ländern die Träume gar zu große Blüten treiben und das Erwachen dann schmerzhaft sein könnte. Die Mehrzahl der zehn neuen EU-Länder hat noch immer einen großen Nachholbedarf in Sachen Infrastruktur und Wirtschaftkraft.

Und was prognostizieren Sie der deutschen Messewirtschaft durch den Beitritt der zehn Neuen für die Zukunft?

Organisches Wachstum ist vorprogrammiert, wenn man die Verhältnisse in den neuen Ländern vor allem Mittelosteuropas - Zypern und Malta werden hier sicher nicht die Hauptrolle spielen - gründlich studiert und daraus die richtigen Strategien zur Erschließung der jeweiligen Märkte entwickelt. Die beiden Länder Estland und Litauen haben völlig andere Strukturen und sind viel kleiner als etwa Ungarn, Tschechien und Polen. Es kommen neue Player ins Spiel, und jeder will auf die ihm gemäße Art behandelt werden. Interview: Christine Seizinger

m+a report Nr.2 / 2004 vom 18.03.2004
m+a report vom 18. März 2004