Unbestritten Marktführer

Reed Exhibitions bespielen die beiden wichtigsten österreichischen Messeplätze Salzburg und Wien als Hauptdarsteller.

Eines ist klar und benötigt keine langen Analysen. Reed Exhibitions sind in Österreich Platzhirschen und haben das Thema Fachmessen ganz gut im Griff. Haben die Briten das Messeland verändert? Um das beurteilen können, muss man einen Blick auf das "Davor" werfen.
Davor gab es Arnold Henhapl und seine Gesellschaft Salzburger Contactfachmessen. Henhapl ist der eigentliche Vater der Fachmesseszene in Österreich. Er erkannte ihre Bedeutung zu einer Zeit, da duellierten sich die Plätze Wien, Graz oder Wels noch um den Titel "größte Messe Österreichs". Das waren nach heutiger Typologie klare Mehrbranchenmessen, sie fanden im Herbst oder Frühjahr beim breiten Millionen-Publikum (so flunkerte zumindest der eine oder andere Messepräsident) auch großes Interesse. In diesen Markt hinein setzte Henhapl sein Fachmesse-Konzept, schmückte einige Jahre erfolgreich die Braut und fand 1992 mit Reed International einen feschen Bräutigam. Der setzte sich sozusagen ins "gemachte Nest". Reed startete somit gleich in der Pole-Position und dankte es Henhapl großzügig. Der sieht seither gelassen von seinem Schloss in der Nähe Salzburgs auf die Niederungen des Messewesens ...
Das war die erste Lektion, die die Reed-Manager um ihren Langzeit-Boss Johann Jungreithmair den österreichischen Messemachern erteilten: Messen sind ein konvertibles und handelbares Produkt. Das Beispiel machte Schule: Wolfgang Neumann, jetzt Veranstalter des World Energy Globe Award, verkaufte die respektable Energiesparmesse nach Wels und der Wiener Fachnischen-Produzent Jirasko versilberte im Laufe der Jahre fast sein gesamtes Portfolio an die Engländer. Reed hatte gezeigt: Kaufen zu einem fairen Preis ist noch immer billiger als mühsam zu entwickeln.
Die zweite Lektion hat Langzeiteffekt: Aussteller wollen gute und moderne Infrastruktur. Das wollten einige Politfunktionäre in Messeaufsichtsräten und Eigentümergremien nur zögernd akzeptieren. Schließlich sind Aussteller kein Wählerpotenzial und für Sonntagsreden genügten bis dahin nett geschmückten Podien. Der Druck der Reed-Leute aber war groß. Die Eigentümer des Messezentrum Salzburg reinvestierten die von Reed abgelieferten Hallenmieten über die Jahre ständig in Hallenerneuerungen und schufen damit ein erstes Benchmark für die Branche. Vor einigen Jahren stand dann auch Wien vor der Shakespeare-Frage: to be or not to be. Es war nahe liegend, dass Wiens Stadtväter mit dem Marktführer über einen Managementvertrag verhandelten. Was taten Reed Exhibitions: Sie sagten zu unter der Voraussetzung, dass die Stadt in ein neues Messezentrum investiert. Was auch prompt geschah und so steht nun seit gut zwei Jahren ein neues Messezentrum in Wien - mit allem, von dem der Rest der österreichischen Messemacher nur träumen kann: neue Hallen und Foyers, Parkflächen, moderne Infrastruktur, Hotel und - gerade in Planung - eine innerstädtische Verkehrsanbindung. Mitten drin: Reed Exhibitions mit einem fixen Managementvertrag, aber auch fixen Mietverpflichtungen. In Salzburg hingegen zahlt Reed nach wie vor Mieten je nach Bedarf und Größe einer Messe.
Seither versuchen Reed's Mannen redlich, jede Messe, die das verträgt, nach Wien zu verlegen - was jeder Controller für sinnvoll halten muss. Aber hier stoßen auch Reed Exhibitions an die Grenzen ihrer Möglichkeiten: Der Markt bestimmt, wo es lang geht. Und das sind im Messegeschäft die Besucher.
Fachmessen kann man unter den österreichischen Rahmenbedingungen sehr gut im Wien vorbereiten. Hier sind alle "ideellen Träger" zu Hause: die politischen Entscheidungsträger der Stadt und der Republik, die Ministerien, die Interessensvertretungen und Verbände, die Wirtschaftskammer mit ihren Fachgruppen, und die wichtigsten Medien.
"Hätten wir vergleichbare Rahmenbedingungen in Wels, wir wären Wien schon längst um Längen voraus", sagt Brigitte Dallinger, Chefin der Messegesellschaft in Wels. Sie verweist damit auf die Erreichbarkeit und zentrale Lage von Wels. Ähnlich sieht das auch der Dornbirner Messechef Roland Falger: "Dieser Zentralismus in Wien ist für uns nicht zu knacken. Wir definieren unseren Wirtschaftsraum anders und orientieren uns in die Schweiz und den süddeutschen Raum."
Die erwähnten Besucher kümmert das aber relativ wenig. Der österreichische Fachbesucher ist zu 95 % gewerblich und nicht industriell strukturiert. Er gönnt sich selten den Luxus eines mehrtägigen Messebesuchs. Er reist an, sieht sich um und fährt wieder nach Hause. Meist an einem Tag. Das ist schlecht für den Standort Wien. Die geografische Lage im äußersten Osten macht Tagesreisen nach Wien für den Großteil der Österreicher zu einer Mühsal.
Davon wiederum profitieren Städte wie Salzburg oder Graz. Ex-Reed-Mann Nilly Nail ist seit zwei Jahren Chef in Graz. Er arbeitet mit seinem Team an einem Qualitätskonzept bei der Betreuung von Besuchern uns Ausstellern. "Der positive Effekt von neuen Messehallen ist schnell verraucht. Letztlich zählen die inhaltlichen Rahmenbedingungen, Inszenierungen und Resultate", sagt Nail. Mit diesem Grundsatz konnte er bei der diesjährigen Fachmesse "AustroTech" (ein Schall-Derivat aus Sinsheim) bereits respektable Ergebnisse abliefern.
Bei der Befriedigung der Wünsche von Ausstellern und Besuchern relativeren sich die Größenunterschiede zwischen Reed Exhibitions und dem Rest der österreichischen Messebranche. Hier zählen Kundennähe, Ideenreichtum und harte Basisarbeit. Diese Eigenschaften kann Reed nicht exklusiv für sich verbuchen und der Wettbewerb um die Gunst des Kunden belebt den auch in Österreich heiß umkämpften Markt. Kein Thema scheint mehr vor den Begehrlichkeiten der Konkurrenz sicher. Nachdem Wels mit seiner Energiesparmesse einen Standard setzte, wird jetzt schon jede regionale Häuslbauermesse mit diesem Thema aufgeputzt. Selbst Flaggschiffen wie der Salzburger "Gast" weht ein rauher Wind entgegen. So holte sich Nail die langjährige Projektleiterin aus Salzburg nach Graz und überraschte kürzlich mit der Ankündigung, im nächsten Jahr eine Gastronomiemesse zu veranstalten, die Gastronomia.
Messeprofi Jungreithmair wird's gelassen sehen. Auch er hat schon vergleichbare Themen (zum Beispiel im IT-Bereich) parallel zu anderen Standorten in Österreich abgehalten. Teilweise sogar zum gleichen Termin. Und er ist Realist genug, um zu wissen, dass sich Widerstand immer dann formiert, wenn (Markt)Macht zu groß wird. Seine Leute kochen auch nur mit Wasser, ist die Branche sicher und sammelt emsig Beweise, dass auch die Reed-Akquisiteure mit dem Thema Naturalrabatt in letzter Zeit immer großzügiger umgehen. Letztlich schafft aber kein Rabatt positive Stimmung für Messen. Es sind die Aussteller und Besucher, die die Botschaft von guten oder schlechten Veranstaltungen weiter tragen. "Überwiegen die guten Botschaften, dann ist das gut für das Messeklima", weiß nach fast 40 Berufsjahren Brigitte Dallinger. Das gute Klima braucht auch Nilly Nail in Graz. Sein Bauprojekt - neue Hallen - kostet mehr als 50 Mio. EUR und wird 2007 fertig. "Der Markt ist aggressiver geworden und es werden in Österreich nur wenige übrig bleiben. Wir wollen dazu gehören", sagt er.
Das möchte auch der "Neue" in Salzburg. Henrik Häcker übersiedelt am 1. Oktober von Stuttgart nach Salzburg und soll dort emsig neue Messen entwickeln. Ob Reed als Hauptmieter in Salzburg dabei tatenlos zusehen wird? Kaum vorzustellen, dass sich Jungreithmair sozusagen im "eigenen Nest" ein Küken "unterjubeln" lässt. Wäre es ein gutes Thema, müsste er sich die Frage seiner Bosse in Paris oder London gefallen lassen, weshalb er nicht selbst die Idee hatte. Ist es unattraktiv, erledigt es sich von selbst. Kein leichter Start für Häcker.
Manche Dinge hängen in Österreich halt doch an der langen Leine der Messemacher aus England. Arnold Wiesberger

m+a report Nr.6 / 2005 vom 23.09.2005
m+a report vom 23. September 2005