Fachmesseland mit neuer Dynamik

Österreich gewinnt gerade durch die guten Kontakte in die mittel- und osteuropäischen Länder zusätzlich an Bedeutung.

Österreich - europäisch betrachtet - im Messewesen eher ein Leichtgewicht? "Es kommt auf den Betrachtungswinkel an", kontert Johann Jungreithmair. "Wenn man als Messlatte absolute Aussteller- und Besucherzahlen von Einzelveranstaltungen nimmt oder Geländegrößen, so mag dies zutreffen. Rechnet man diese auf Größenverhältnisse von Österreich im Vergleich zu Deutschland um (1:10, wenn man die Einwohnerzahl nimmt) wird schon einiges relativer", sagt der Geschäftsführer und CEO von Reed Exhibitions in Österreich. Doch das als sei nebensächlich: "Einzig und allein für den Erfolg entscheidend ist die Frage, mit welchen Mitteln und auf welchem Weg ich als Anbieter meine Zielgruppe optimal erreiche." Und hier greife eine österreichische Fachmesse (mit nationaler beziehungsweise interregionaler Ausrichtung und der Österreich-typischen Klein- und Mittelstandsstruktur) viel punktgenauer als eine internationale Leitmesse in Deutschland oder Italien. Überschaubarkeit und damit Machbarkeit bei gleichzeitiger Repräsentativität des Marktes, Branchentreff zu sein, der auch gesellschaftliche Komponenten widerspiegele - das habe das österreichische Fachmessewesen in den letzten drei Jahrzehnten gestärkt. "Nicht ohne Grund gedeiht der Fachmesseplatz Salzburg, obwohl er nicht allzu weit von München, Mailand oder Zürich entfernt liegt."
"Die österreichischen Messegesellschaften sind anerkannte Spezialisten für themenorientierte Publikumsmessen sowie für Fachmessen von nationalem und "grenzüberschreitendem" Format. Hier haben wir eine attraktive Nische besetzt," pflichtet Walter Dermuth, Messepräsident der Kärntner Messe, Klagenfurt, dem Kollegen bei. Manfred Grubauer, Messe Linz, sieht darin viele Chancen für den vermeintlichen "Leichtgewichtler" im Sinne von Qualität vor Quantität. Eine der Stärken sei schließlich auch die Wirtschaftskraft des Standortes Österreich.
Gegenüber den Weltleitmessen hätten die Veranstaltungen einige Vorteile: das Angebot sei komprimiert (für Fachbesucher auch an einem Tag zu bewältigen), und es komme tatsächlich noch zu qualitativ hochwertigen Kontakten zwischen "Verkäufern" und "Käufern". Brigitte Dallinger, Messe Wels: "Österreich ist und bleibt ein wichtiger Markt für viele internationale Anbieter und hat gerade durch die guten Kontakte in die Mittel- und Osteuropäischen Länder zusätzlich an Bedeutung gewonnen." Nicht zu vergessen sei die Denkweise. Roland Falger, Direktor der Dornbirner Messe: "Die österreichische Mentalität kommt auch in den Messemachern zum Vorschein. Zumindest für unsere Messeveranstaltungen hören wir immer wieder und natürlich sehr gerne, dass das gute, stark persönliche Verhältnis des Messeteams zu den Ausstellern sehr geschätzt wird."
Ganz wichtig ist Jungreithmair noch ein weiterer Punkt: die Messenebenqualität, für die Österreich bekannt ist. "Abseits des Messetrubels Geschäftsgespräche fortzuführen, Gastronomie, Hotellerie und Kulturgenuss auf Weltniveau, umrahmt von einer herrlichen Landschaft - kurzum, Business mit Wellbeing in einem sicheren Land zu kombinieren, diese Erfolgskombination adelt den Fachmesseplatz Österreich." Rechne man nun auch die geografische Zentrallage als Kriterium hinzu, bekomme Österreich als wohl kleines, aber ideal gelegenes Fachmesseland neue Dynamik, betonen die Messeveranstalter unisono.
Der Übergang von Publikumsmessen zu Fachmessen ist kein einfacher. Roland Falger: "Die Dornbirner Messe, übrigens die einzige private Messegesellschaft mit eigenem Gelände in Österreich, und auch die Messegesellschaften in den anderen Bundesländern leben von den Publikumsmessen - ausgenommen vielleicht die Reed-Standorte Salzburg und Wien. Neue Fachmessen zu lancieren und aufzubauen bedeutet hohe Investitionen, die in Dornbirn durch die traditionellen Publikumsmessen finanziert werden können." "Seine" Fachmessen im deutschsprachigen Raum konnten in den vergangenen Jahren stark an internationaler Bedeutung zulegen. Zu den renommierten Messen in Dornbirn gehören art bodensee, Gloria und die technische Fachmesse intertech. Die art bodensee, die seit 2001 veranstaltet wird, wurde gemeinsam mit Galeristen aus Deutschland und Österreich entwickelt. "Die Qualität, die Atmosphäre und die Preise der Kunstwerke zeichnen die kleine, feine Kunstmesse - die einzige im Hochsommer - auch international aus," sagt Falger. Mit 200 Ausstellern und 10 000 Besuchern ist die Gloria bereits im sechsten Jahr ihres Bestehens ein fixer Bestandteil im Leben der Christen. "Die Mischung aus Kommerz und Kirche machen die Gloria einzigartig." Die intertech ist nach 16 Jahren in der Bodensee- und Alpenregion erfolgreich eingeführt, zählt rund 400 Aussteller und 15 000 Besucher. "Mit den neuen technischen Messen wie der Arbeitsschutz-Messe Preventa (seit 2001) oder der ÖPNV-Fachmesse PublicTrans (ab 2006) nutzt die Dornbirner Messe das kaufkraftstarke Vierländereck Schweiz - Fürstentum Liechtenstein - Deutschland - Österreich."
Aufbruchstimmung auch in Innsbruck. Geschäftsführer Georg Lamp beschreibt seine Vision: "Der Messestandort Innsbruck soll sich zu einem Ganzjahresbetrieb entwickeln." Zwar seien zur Verwirklichung dieses Plans noch einige Investitionen notwendig, doch "durch verschiedene Kooprationen, aber auch Eigenveranstaltungen, soll das Messegeschäft wesentlich intensiviert werden und im Ranking Österreichs einen Spitzenplatz einnehmen."
Erfolgreich arbeitet auch die Messe Wels, die im nächsten Jahr beginnen wird, ihre Kapazitäten zu erweitern und die Infrastruktur auf ein internationales Niveau zu heben. "Mit der neuen multifunktionalen Messehalle mit einem Ausmaß von etwa 20 000 m2 haben wir dann ein optimales Angebot für Fachmesse-Aussteller sowie Gastveranstalter und können unsere Potenziale in Bezug auf Marktstärke durch Kundenorientierung und zentrale geografische Lage entsprechend nutzen", freut sich Brigitte Dallinger, die die Messe Wels auch in den nächsten zehn Jahren unter den drei bedeutendsten Messeplätzen in Österreich sieht. Zu den größten und wichtigsten Messen in Wels gehören die Herbstmesse, die Agraria und die Energiesparmesse. "Die landwirtschaftliche Leitmesse hat bemerkenswerten internationalen Zulauf, die Frequenz an hochwertigen Besuchern ist enorm," sagt die Messechefin, die sich auch darüber freut, dass "sich die Energiesparmesse als Plattform für modernes energieeffizientes Bauen und erneuerbare Energien erfreulich entwickelt. Ein zukunftsträchtiges Thema, gerade bei den Energiepreisen, wie wir sie heute erleben."Weit über die Grenzen Österreichs aus strahlt auch die internationale Holzmesse Klagenfurt. Mehr als 20 % der Fachbesucher kommen aus dem Ausland. Das Einzugsgebiet umfasst Süddeutschland, die Schweiz, Italien, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, die Slowakei, Ungarn und Tschechien.
Nicht nur die Kärntner profitieren von der EU-Erweiterung. Auch der Messestandort Graz zeichnet sich durch seine geografische Lage mit der Nähe zu den Märkten in Zentral- und Südosteuropa aus. Die Macher wissen das geschickt zu nutzen und machen derzeit mit einer starken inhaltlichen Aufrüstung des Veranstaltungsportfolios von sich reden. "So langsam merkt man schon , dass in Graz was geht. Wir hinterlassen Spuren," sagt Nilly Nail, Geschäftsführer messecentergraz Betriebsgesellschaft. Im März wurde das erweiterte Tagungszentrum mit einer Kapazität von 1500 Tagungsgästen in Betrieb genommen. Durch zusätzliche Investitionen in die Messe- und Kongressinfrastruktur in Höhe von 58 Mio. EUR sollen in den nächsten Jahren die Rahmenbedingungen in Graz weiter verbessert werden. Dazu wird auch die Errichtung der neuen Messehalle 1 beitragen.
Auch hier ist die Etablierung neuer Fachmessen angesagt. Zuletzt punktete Graz mit der Premiere der Austrotec, die im Juni stattfand. Die Internationale Fachmesse für Produktion, Automation und Qualitätssicherung - ein Ableger der deutschen P.E.Schall GmbH - erzielte mit 275 Ausstellern und mehr als 4200 Fachbesuchern "einen beachtlichen Erfolg", so die Projektleiterin Hildegard Fischer. Gemeinsam mit Branchenvertretern soll das Profil der Austrotec nun geschärft und weiter entwickelt werden. Nilly Nail: "Fest steht, dass der Automative-Bereich auch 2007 eine zentrale Rolle spielen wird." Auch mit der Impact, der Fachmesse für Marketing, Verkauf und Kundenbeziehungen, die im Juni zum zweiten Mal durchgeführt wurde, hat das messecentergraz einen Erfolg verbuchen können. Reed Exhibitions hatte seine Publica, die für April in Wien geplant war, aufgrund des Soges der neuen Impact absagen müssen. Und noch an einer anderen Stelle ärgert Nail, der seit zwei Jahren in Graz ist, seinen ehemaligen Arbeitgeber. Vom 10. bis 13. September 2006 schickt er die Gastronomia, die Fachmesse für den professionellen Gastgeber, an den Start. Messeleiterin ist Evelyn Straitz, die über exellente Kontakte zur Gastro- und Hotelleriebranche verfügt: Über lange Jahre betreute sie die "Gast"-Messen für Reed. Straitz ist sicher, dass "die Gastronomia ein durchschlagender Erfolg" wird. "Wir fokussieren den südostösterreichischen Raum und die EU-Zukunftsregion. Dort herrscht großes Interesse an einer professionellen und innovativen Fachmesse."
Zwar ist die EU-Erweiterung erst kurz Realität und es ist noch etwas früh, Bilanz zu ziehen. Doch auch Johann Jungreithmair ist überzeugt: "Die Anfänge sind vielversprechend, die Chancen enorm."

m+a report Nr.6 / 2005 vom 23.09.2005
m+a report vom 23. September 2005