Veranstalter drücken aufs Tempo

Die globale Messeszene ist in Bewegung. Die Deutschen arbeiten hart daran, dass ihnen die weltweite Pole-Position erhalten bleibt.

Das Jahr 2005 ist zwar schon ein paar Monate alt, aber erst in den letzten Wochen sind die deutschen Messegesellschaften an die Öffentlichkeit gegangen, um ihre Ergebnisse für das vorangegangene zu verkünden. Demnach war es ein Gutes, 2004 hatte es in sich. Nur ein paar Beispiele: Umsatzwachstum mit deutlicher Ergebnisverbesserung bei der Messe Frankfurt, die Messe München fuhr das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Der Konzernumsatz der NürnbergMesse kletterte im vergangenen Jahr um sieben Prozent auf über 108 Mio. EUR, der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) gegenüber dem Vorjahr um rund 50 % auf 25,9 Mio. EUR, einen Umsatzsprung gab es bei der Messe Stuttgart.
Das lässt die Veranstalter nicht ruhen: Sie investieren. In Konzepte und - für alle sichtbar - in Gelände. Von Hamburg bis Freiburg wird derzeit kräftig gebaut und modernisiert. In Köln entsteht - leider begleitet von Negativschlagzeilen und Korruptionsverdacht - ein neues Gelände, das nach Angaben von Messechef Jochen Witt "das attraktivste Messegelände Europas" sein wird. Nürnberg baut eine neue Halle neben dem neuen CCN Ost, die Halle 4A, in Stuttgart wächst das neue Messegelände. Der lang ersehnte Bau direkt am Stuttgarter Flughafen wird über rund 100 000 m2 Hallenfläche sowie ein hoch modernes Kongresszentrum verfügen und ab Frühjahr 2007 "startklar" sein.
Deutsche Messen in der Krise? Davon ist keine Rede (mehr). Fest steht nur, in den vergangenen fünf Jahren hat sich viel verändert. Was geblieben ist: die Spitzenposition. Die deutsche Messeindustrie ist nach wie vor weltweit führend. Gute Konzepte, viel versprechende Services, Ausstellungsmöglichkeiten, die flexibel den Bedürfnissen der verschiedensten Branchen gerecht werden und eine effiziente Logistik - hervorragende Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Branche.
Was neu ist, ist der Wettbewerb der deutschen Veranstalter untereinander. Dass diese aggressiven Auseinandersetzungen nicht unbedingt immer marktwirtschaftlich vernünftig sind, verschärft das Ganze - nicht immer zum Vorteil der Ertragskraft der Messegesellschaften. "Der Standortwettbewerb bringt mit sich, dass Verbände die Messegesellschaften gegeneinander ausspielen", klagte schon vor zwei Jahren Münchens Messechef Manfred Wutzlhofer und warnte: "Das darf jedoch nicht soweit gehen, dass Messen nicht mehr kostendeckend arbeiten können." Sein Kollege Bernd A. Diederichs von der NürnbergMesse kristisiert: "Was mir nicht gefällt, ist das gnadenlose Abwerben. Das funktioniert nur über den Preis. Abwerbeerfolge sind Pyrrhussiege, da die Wirtschaftlichkeit dieser Messen in Frage gestellt ist." Was tun? Schließlich sind von neuen Veranstaltungen keine hohen Deckungsbeiträge zu erwarten. Und die verbesserten Dienstleistungen der Messegesellschaften kosten Geld.
Eigentlich müsste es angesichts wachsender Erwartungen der ausstellenden Unternehmen an die Veranstalter Preisanpassungen geben. Was jeder weiß (aber nicht jeder tut): "Wir können auf die verschärfte Wettbewerbssituation nicht mit Preissenkungen reagieren. Das ist keine geeignete Maßnahme", sagte Manfred Wutzlhofer, Chef der Messe München, auf der Bilanzpressekonferenz im Juli. Thomas H. Hagen, Alleinvorstand der Weidmüller Gruppe, und Präsident des Ausstellungs- und Messe-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (AUMA), findet, dass "Aussteller bereit sein müssten, angemessene Preise für eine Messebeteiligung zu zahlen." Auch wenn die Preise hier zu den niedrigsten und damit Deutschland im Vergleich zu den Überseemärkten zu den günstigsten Messeplätzen gehört: Preiserhöhungen sind derzeit kaum durchzusetzen. Das weiß auch er. Dennoch wurde auf den Bilanzkonferenzen der Messegesellschaften der letzten Wochen landauf landab die Forderung nach (markt)gerechten Preisen lauter.
Wenn auch der Inlandsmarkt in etwa stagniert und die Hallenkapazitäten steigen - "Überkapazitäten" bleibt ein Unwort. Erstes Problem: Hallen sind die Produktionskapazitäten der Messegesellschaften. Die Flächen müssen vorgehalten werden, um überhaupt die Chance zu haben, die ein und andere (lukrative) Messe an Land ziehen zu können respektive in der Region zu halten. Zweites Problem: Es kostet Zeit und Geld, neue Formate zu entwickeln. Dritte Herausforderung: Besagte Hallenflächen wollen ausgelastet werden. Und da neue Konzepte selten gleich ein ganzes Gelände sondern eher nur kleine Flächen benötigen, wird gnadenlos abgeworben. Das scheint noch in erster Linie über den Preis zu funktionieren. Kaufen ist eben kostengünstiger als mühsam zu entwickeln.
Gebuhlt wird mehr oder minder deutlich. Die Messegesellschaften von Köln und Berlin haben sich Branchenkreisen zufolge intensiv um die Games Convention, Europas erste umfassende Erlebnismesse für interaktive Unterhaltung, Infotainment und Edutainment bemüht. Vor vier Jahren wurde diese neue Veranstaltung der Leipziger Messe belächelt, kaum einer gab ihr eine Chance. Heute gibt sie als das Mekka der Spiele-Freaks: Über 134 000 Besucher pilgerten vom 17. bis 21. August nach Leipzig. Auch andere Messegesellschaften zeigen sich angriffslustig. Die Messe Düsseldorf und die Igedo Company hadern nicht nur mit der Messe Berlin in Sachen Mode, die Düsseldorfer gehen auch der Messe Offenbach ans Leder. Mit der Great Leather Show wollen sie eine neue Messe starten und damit dem Branchenstandort Offenbach das Geschäft abnehmen. Die Koelnmesse hat den Münchener Kollegen die Motorradmesse Intermot abgeluchst, dafür wandert die crm expo von Köln nach Nürnberg.
Dass außer Hallenflächen zurzeit nichts zementiert zu sein scheint, zeigt das Beispiel Schall. Der private Messeveranstalter verlegt ab 2007 seine Veranstaltungen, darunter die Motek und die Control, von der kleinen Messe Sinsheim in die neue Messe Stuttgart. Weitere Wechsel dürften vorprogrammiert sein, Verbände als ideelle Veranstaltungsträger führen bereits Gespräche. Schließlich hat die Stuttgarter Region eine enorme Wirtschaftskraft: Baden-Württemberg ist das exportstärkste deutsche Bundesland. Noch ist die Frage offen, welche Messen nach Stuttgart wechseln werden.
Die Messegesellschaften werden ob des harten Wettbewerbes nicht müde, nach neuen Themen und Konzepten zu suchen. Auch alte werden wieder belebt auf der Suche nach der ultimativen Veranstaltungslücke. Das Tempo, das die deutschen Veranstalter dabei vorlegen, ist rasant. Aber es muss gehalten werden, wenn Deutschland auch künftig Trendsetter bleiben will. Das verlangt den Teams der Messegesellschaften einiges ab.
Michael Peters, Geschäftsführer der Messe Frankfurt, die in diesem Jahr unter anderen die Collectione launchte, eine neue Konsumgütermesse für die Großformen des Handels, und im nächsten Jahr die "The Design Annual" an den Markt bringen wird, ist sicher: "Es wird in Zukunft mehr Messen geben als in der Vergangenheit."

m+a report Nr.6 / 2005 vom 23.09.2005
m+a report vom 23. September 2005