Goldgräberstimmung im Eventgeschäft

In Deutschland darbt die Erlebnisbranche. In Russland wird das Thema Marketing mit Emotionen gerade erst entdeckt. Events und Incentives haben dort Zukunft.

Russen und Deutsche - die einen trinken Wodka, die anderen Bier. Soviel zu den Vorurteilen. Geschäfte zwischen deutschen und russischen Partnern sind jedenfalls schon lange nicht mehr von solchen Stereotypen geprägt, sondern funktionierten bereits, bevor die Regierungschefs Schröder und Putin gemeinsam Traktoren auf der Hannover Messe erklommen.

Gute Abschlüsse wollen auch entsprechend gefeiert werden, und so bietet das Geschäft in Russland ein weites Feld. Die Wirtschaft boomt mit einem aktuellen Wachstum von offiziell 7 %, vor allem in Moskau und St. Petersburg, den Metropolen für Business und Leisure. Das Eventgeschäft dagegen steckt selbst dort noch in den Kinderschuhen. Früh erkannt hat das Mario Flaschentraeger, der mit seiner Frankfurter Agentur Commpany gen Osten aufgebrochen ist und in Russlands Hauptstadt seit einigen Monaten eine Dependance seiner Eventagentur betreibt, wobei das rasante Tempo des Markteintrittes dafür spricht, dass er mit diesem Geschäft eine echte Bedarfslücke entdeckt hat.
Das eigentliche Geschäft begann im November 2004. "Es verlief relativ zügig. Im Mai letzten Jahres waren wir auf der drupa in Düsseldorf und kündigten dort an, dass wir nach Russland gehen. Rund sechs Wochen danach hatten wir die erste Anfrage für eine B2B-Veranstaltung, die wir auch realisiert haben", schildert Flaschentraeger die Anfänge.

Aufhänger der Geschäftstätigkeit sei aber neben solchen Aufträgen die Vermittlung von AV-Technik gewesen, eine für ihn etwas skurrile Situation, denn die ersten Kunden waren große Technikfirmen, die in Russland jedoch auf die Leistung Dritter zurückgreifen mussten, weil sie selbst keine Infrastruktur vor Ort hatten.
Dabei seien qualifizierte Mitarbeiter das A und O. "Die Präsenz vor Ort ist ein Muss. Selbst mit Partnern kann man nicht arbeiten", so Flaschentraeger über seine Erfahrungen vor Ort. "Wir haben einige Agenturen ausprobiert, die in unserem Metier tätig sind, aber das Niveau ist einfach noch weit unter dem, was an Eventmarketing in Deutschland stattfindet." Es fehle nicht am Equipment, die russischen Kollegen hätten einfach noch keine Erfahrung in diesem Job. Dazu kommen unterschiedliche kulturelle Ansprüche. "Weniger wäre mehr gewesen" sei zum Beispiel schwer zu vermitteln.
Sprachkenntnisse sind ebenfalls immens wichtig. "Wir hätten keine Chance, wenn wir nicht Muttersprachler beschäftigen würden", weiß Flaschentraeger. Ilja Eisen, der als Generalbevollmächtigter das Büro Moskau leitet, ist Russe: "Die Sprache drückt ja auch Emotionen aus und die sind vom Russischen ins Deutsche immer noch leichter zu vermitteln als ins Englische." Ein wichtiger Aspekt bei Verhandlungen gerade im Eventgeschäft.

Die Commpany ist in Russland angekommen. Die Kunden kommen noch in erster Linie aus dem Ausland. "Es gibt eine klare West-Ost-Bewegung", sagt Flaschentraeger. Die Russen selber sehen noch nicht den Bedarf an Event- und Promotionveranstaltungen, da das Geschäft auch ohne recht gut laufe. "Dass es durch unsere Unterstützung noch 15 % oder 20 % mehr Umsatz sein könnten, ist schwer rüber zu bringen", ergänzt Eisen. Doch beide sind sich sicher: Der Nachfrageboom nach den heute noch so begehrten Konsumgütern, die kaum beworben werden müssen, wird nicht erst in zehn Jahren verebben, sondern viel früher. Da muss man gerüstet sein. Autohersteller zum Beispiel, die bis dato aus dem Vollen schöpften, könnten sich dann nicht mehr entspannt zurücklegen. "Das ist unser potenzielles Klientel. Wir haben die Infrastruktur und gute Kontakte," erklärt der Frankfurter Agenturchef die Positionierung im russischen Markt. Die Agentur will Schnittstelle und Angebot für deutsche Unternehmen sein, die mit Promotion- und Incentiveveranstaltungen in Russland auftreten wollen. Einfach gesagt: "Wir bieten alle Arten der Live-Kommunikation außer klassischer Werbung", beschreibt Flaschentraeger das Portfolio. Auch wenn der philosophische Überbau von Markeninszenierungen und -botschaften in 3D in Russland noch nicht angekommen ist, Ilja Eisen ist sicher: "Das wird sich schnell ändern, da jeder, ob Markenartikler oder nicht, versucht die Produktion zu erhöhen und auf den Markt drängt." Daher sei das Geschäft auch noch an ganz anderer Stelle interessant, im Incentivebereich und bei der Mitarbeitermotivation. Bei den meisten Unternehmen fehlten nach wie vor qualifizierte Mitarbeiter. Es gebe aber Bemühungen, für Führungskräfte attraktiv zu sein. Auch im Bereich der Unternehmerreisen stecke viel Potenzial, denn das eigene Erleben sei schwer zu ersetzen.

Das Ziel: "Wir wollen die etablierteste Agentur in Deutschland sein, die für den russischen Markt arbeitet. Eine spezielle Website mit russischen Angeboten wird demnächst frei geschaltet. Das Büro in Moskau soll aufgestockt werden, denn die Commpany macht bereits jetzt ein Viertel des Umsatzes mit Russland. Was aber symptomatisch für die Situation in Deutschland sei. "Wir machen schon 60 % unseres Umsatzes im Ausland. Das zeigt die schlechte Entwicklung des deutschen Marktes, trotz der anhaltenden Marktbereinigung."
Die Entscheidung für Russland sei goldrichtig gewesen, wenn man bedenke, dass die Commpany im ersten Jahr dort schon mit Profit abschließen konnte. "Die Jagd hat begonnen und am besten ist man von Anfang an mit dabei."

m+a report Nr.5 / 2005 vom 12.08.2005
m+a report vom 12. August 2005