"Das schnelle Geschäft - das gibt es nicht"

In vielen westeuropäischen Ländern stehen vor dem Menschlichen Preis und Leistung. In Russland ist das umgekehrt: Das Streicheln der Seele muss sein.

Die Qualität der Produkte ist wichtig, kommt aber bei den Russen erst an zweiter Stelle, sagt Gunther Geisweid, Geschäftsführer der Hera GmbH, Enger, der erfolgreich in Russland ausstellt.

Herr Geisweid, was kommt denn dann bei Geschäften im Rubelland an erster Stelle?Geschäfte werden in Russland anders gemacht, als wir das aus Westeuropa gewohnt sind. Das gilt für Messeauftritte ebenso wie für alle sonstigen Aktivitäten in diesem Markt. Zunächst einmal lernt man sich kennen, baut eine Beziehung zu dem Geschäftspartner auf, entwickelt ein Vertrauensverhältnis: Dabei wird viel geredet, gut gegessen und das ein oder andere Glas Wodka ist auch dabei. Die Qualität der Produkte, die man absetzen möchte, ist zwar wichtig, steht aber, eng verbunden mit dem Service und der Zuverlässigkeit eines Unternehmens, auf zweiter Position. Erst danach geht es um den Preis der angebotenen Leistung. In Deutschland und in vielen westeuropäischen Ländern ist die Reihenfolge umgekehrt. Aber wie gesagt: In Russland braucht man einen langen Atem und viel Einfühlungsvermögen.

Seit wann sind Sie hier tätig?Anfang 2001 haben wir begonnen, den russischen Markt zu bearbeiten.

Warum fiel die Entscheidung gerade auf das Riesenland mit seinen 143 Mio. Einwohnern?Russland ist ein riesiger Markt, der westlichen Unternehmen gute Absatzchancen bietet. Der Wohlstand der Bevölkerung wächst und damit die Bereitschaft, Geld auszugeben. Zudem gibt es ein hohes Interesse am Design und der Funktionalität von Produkten. Man braucht jedoch viel Geduld, vor allem aber gute Kontakte, um in diesem Markt Fuß zu fassen.

Wie ist Ihnen das gelungen?Die Export Marketinggesellschaft (EMG) der deutschen Möbelindustrie mit Sitz in Herford hat uns durch Beratung, Bereitstellung von Bürofläche mit Infrastruktur sowie eines Mitarbeiters aktiv unterstützt. Anfang 2005 hat Hera diesen Mitarbeiter als Repräsentanzleiter übernommen und ist seitdem mit einer eigenen Repräsentanz für die Russische Föderation in Moskau vertreten. Ein solcher Schritt ist unerlässlich, um in diesem Land Geschäfte mit großen Kunden zu gewinnen und weiter entwickeln zu können.

Welche Rolle spielten in diesem Zusammenhang Messen?In den ersten Jahren (2001 bis 2003) haben wir im Rahmen eines deutschen Gemeinschaftsstandes auf der "Mebel" in Moskau ausgestellt. Auf dieser Messe finden Sie sowohl Möbelhersteller als auch Zulieferer, was für die Produktentwicklung der Hersteller - unserer Kunden - nicht unbedingt von Vorteil ist. Seit 2004, als die ZOW zum ersten Mal in Moskau stattfand, stellen wir hier aus. Veranstalter ist die Survey Marketing & Consulting GmbH & Co. KG mit Sitz in Bielefeld. Diese Veranstaltung ist spezifisch auf den Bedarf der Zulieferunternehmen zugeschnitten. Eingeladen werden nur die Entscheidungsträger in den Unternehmen, was effektive Messekontakte sicher stellt. Daraus haben sich für uns einige gute Kunden entwickelt.

Wie bewältigen Sie die Logistik?Survey macht es den Ausstellern so einfach wie möglich: Sie buchen ein Komplettpaket in einer festgelegten Standgröße von 30, 45, 60, 90 oder 120 m2, das neben dem Standbau inklusive Stromversorgung, Beleuchtung, Teppichbodenausstattung et cetera auch den Eintritt für die Besucher und das gesamte Catering umfasst. Auch der Transport und die Anlieferung der Ausstellungsexponate werden organisiert.

Welche Vorteile hat diese Organisation für Sie?In einem unübersichtlichen Markt wie Russland ist dies ein unschätzbares Plus! Für einen Mittelständler wären die Kosten ohne ein solches Komplettpaket nicht kalkulierbar.

Wie läuft Ihre hausinterne Messeorganisation ab?Mit dem Transport und der Anlieferung der Ausstellungsexponate läuft ein großer Teil der Messeorganisation über den ZOW-Veranstalter oder dessen Servicepartner. Für die Entwicklung und Auswahl der Exponate zeichnen die Forschungs- und Entwicklungsabteilung und der Vertrieb am Firmenstandort von Hera in Enger verantwortlich. Die interne Ablauforganisation der Messe vor Ort übernimmt der Repräsentanzleiter in unserem Büro in Moskau.

Was gilt es auf russischen Messen zu berücksichtigen: Adaptieren Sie in irgendeiner Form Ihre Standarchitektur?Die Standarchitektur ist durch das Messekonzept vorgegeben. Die einheitliche Standgestaltung auf der ZOW ermöglicht ein offenes, transparentes Erscheinungsbild, das der Kommunikation zwischen Ausstellern und Besuchern förderlich ist. Dadurch haben auch kleinere Unternehmen die Chance, sich angemessen zu präsentieren.

Was ist für Sie besonders wichtig, um erfolgreich am Messestand zu sein?Der Landessprache mächtiges Standpersonal ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen Messeauftritt in Russland.
Wichtige Produktprospekte und Broschüren sollten ebenfalls in Russisch verfügbar sein. Give-aways kommen immer gut an. Bei der letzten Messe haben wir zum Beispiel an unsere Gäste eine kleine energiesparende LED-Leseleuchte verschenkt, die man auf ein aufgeschlagenes Buch klemmen kann. Das kam bei den Kunden sehr gut an.

Sehen Sie Messen als Türöffner für neue Märkte?Messeauftritte sind ein wichtiges Standbein bei der Erschließung neuer Märkte. Je zielgenauer Sie auf einer Messe Ihre Kunden erreichen können, desto besser. Welche Messe die richtige ist, kann letztlich nur jedes Unternehmen für sich selbst herausfinden. Wir sind sicher, mit der ZOW die richtige Plattform für unser Unternehmen gefunden zu haben und werden auch im Jahr 2006 wieder dort ausstellen. Die Qualität der gesammelten Kontakte ist gut und wird für uns langsam in Euro und Cent ablesbar.

Was glauben Sie, ist neben den Messeauftritten unablässig, um in Russland langfristig Erfolg zu haben?Eine Firmenrepräsentanz in Moskau und/oder St. Petersburg, die als Ansprechpartner und Koordinator vor Ort wichtige Aufgaben übernimmt.
Interview: Christine Seizinger

m+a report Nr.5 / 2005 vom 12.08.2005
m+a report vom 12. August 2005