Zehn Länder mehr: Europas neue Hoffnung

Die Ausdehnung bringt der Europäischen Union nicht nur wirtschaftlich einen spürbaren Wachstumsschub. Auch die Messeszene wird den Aufbruch spüren.

Durch die Erweiterung der Europäischen Union (EU) um zehn neue Mitgliedsstaaten am 1. Mai 2004 entsteht der größte gemeinsame Markt der Welt. 485 Millionen Verbraucher bedeuten einerseits eine große Herausforderung für die deutsche Wirtschaft. Andererseits bietet ein erweiterter Binnenmarkt mit zusätzlichen 100 Millionen Menschen gute Export- und Investitionschancen.

Die Beitrittsländer befinden sich noch in einem stetigen Wandel. Die Mitgliedschaft vor Augen, haben ihre Volkswirtschaften konsequent aufgeholt. Das schnelle Umstellen auf die freie und soziale Marktwirtschaft stellt schon jetzt eine beachtliche Leistung dar. Bereits seit einem Jahrzehnt befinden sich die Staaten in Mittel- und Osteuropa (MOE) in einer wirtschaftlichen Auf- und Umbruchphase: Ihr Wachstumspotenzial ist enorm. Nun wird für sie der Marktzugang erleichtert.

Umgekehrt schafft die Liberalisierung der Märkte Anreize für ausländische Direktinvestitionen. Im Jahr 2000 war das Handelsvolumen der EU mit den Beitrittsländern bereits größer als mit den USA. 24 Mrd. EUR investierten allein deutsche Unternehmen in die Ostmärkte, errechnete das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg. Der deutsche Handelsverkehr mit den Beitrittskandidaten sei so groß wie das Geschäft mit Lateinamerika. Jeder zehnte Euro wird durch den Handel mit den Beitrittsländern in Mittel- und Osteuropa verdient. Schon heute sichert dieser Warenaustausch mit den Newcomern allein in Deutschland jeden zehnten exportorientierten Arbeitsplatz, teilen die Experten dort weiter mit.

Mit der Erweiterung der Europäischen Union sollen aber auch die Teilung des Kontinents und ihre negativen Folgen Schritt für Schritt überwunden werden. Länder wie Polen, Ungarn und die Tschechische Republik, die in der europäischen Geschichte und Kultur eine bedeutende Rolle gespielt haben, werden wieder integriert. Die Grenzen weiter nach Süden und Osten verschoben. Langfristige Vorteile, politisch gesehen, könnten heißen Stabilität, Demokratie, Menschenrechte und Minderheitenschutz.

Ebenso ist mit kurzfristigen Vorteilen zu rechnen: Durch den Beitritt könnte das Brutto-Inlandsprodukt (BIP) in Deutschland jährlich um etwa 0,5 % wachsen, prognostiziert das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg.
Polen und die Tschechische Republik gehörten schon im Jahre 2000 zu den 15 wichtigsten Außenhandelspartnern Deutschlands. Sicherlich erhöht sich der Lebensstandard in den Beitrittsländern, das Wohlstandsgefälle zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn sinkt. Experten meinen, dass Zuwanderung und Kriminalität wegen der verbesserten Situation durch den Beitritt abnehmen werden. Weitere Hoffnung, die sich realisieren lassen muss: Durch die Übernahme der Umweltstandards wird die Luft- und Wasserqualität in den Beitrittsländern spürbar verbessert.

Erfreuliche Nachrichten. Auch für die Messewirtschaft, die bereits regen Zuspruch verzeichnen kann. Nahezu jede größere Messe in Deutschland verbuchte zunehmende Aussteller- und Besucherzahlen aus den Neulingsländern. "Die Länder Mittel- und Osteuropas leisten bereits jetzt einen erheblichen Beitrag zum Wachstum der deutschen Messen. Die durchgreifende Privatisierung und das teilweise erhebliche Wirtschaftswachstum haben für die deutschen Messen einen neuen Quellmarkt genau vor der Haustür entstehen lassen", sagt Hermann Kresse, Hauptgeschäftsführer des AUMA_Ausstellungs- und Messe-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Berlin.

Allein von 1997 bis 2002 sei die Zahl der Aussteller aus den EU-Beitrittsländern Mittel- und Osteuropas um 28 % auf 3600 gestiegen. Damit nähern sich die Beitrittsländer bereits der Größenordnung von Spanien, das in 2002 rund 4400 Aussteller verzeichnete, ergaben Berechnungen des Verbandes. Führend im Wachstum war Tschechien mit einem Ausstellerzuwachs von 41 % seit 1997, gefolgt von Polen mit 40 % und Slowenien mit 35 %.

Die jetzt erreichten Größenordnungen der Beteiligungen zeigen, dass Produkte aus den Ländern Mittel- und Osteuropas inzwischen in erheblichem Umfang weltmarktfähig sind, fährt Kresse fort. Messebesucher könnten sich intensiv über das Angebot aus diesen Ländern informieren.
Parallel dazu seien auf deutschen Messen auch die Besucherzahlen aus den Beitrittsländern Mittel- und Osteuropas erheblich gestiegen. Sie erreichten 2002 eine Größenordnung von fast 130 000 Interessenten (plus 31 % gegenüber 1997) - für den AUMA ein Indiz dafür, dass für diese Länder Importe von Investitions- und Konsumgütern aus Deutschland und Westeuropa erheblich an Stellenwert gewonnen haben.

Deutsche Unternehmen haben deshalb die Chance, bereits mit Messebeteiligungen in Deutschland Kontakte zu wichtigen Importeuren aus den EU-Beitrittsländern aufzunehmen. "Für intensivere Kontakte und zur Demonstration von Präsenz sind allerdings ergänzende Beteiligungen in den einzelnen Zielländern sinnvoll und notwendig", ergänzt Kresse.

Dementsprechend sei die Zahl deutscher Beteiligungen an Messen in Posen, Brünn oder Budapest erheblich gewachsen. Längst nicht mehr auf Großunternehmen beschränkt werde sie weiter zunehmen - und zwar unabhängig davon, dass offizielle Auslandsmessebeteiligungen des Bundes in dieser Region weitestgehend zurückgefahren wurden. "Denn Beteiligungen in den mittel- und osteuropäischen Staaten (MOE) sind heute nicht mehr schwieriger als in Spanien oder Schweden." So werde auch der deutsche Export in die Beitrittsländer zu einem tragenden Pfeiler der deutschen Ausfuhr.

Deutsche Messeveranstalter engagierten sich verstärkt im östlichen Mitteleuropa mit eigenen Messen, allerdings weniger mit Ablegern internationaler Leitmessen. Dafür liege die Region noch zu stark im engsten Einzugsbereich solcher Messen. Jedoch böten sich für deutsche Veranstalter eher national ausgerichteter Messen dort naheliegende Chancen, zusätzliche Aussteller- und Besucherpotenziale zu erschließen. Das Verhalten der Aussteller und Besucher zeigt: Die EU-Erweiterung ist keine Einbahnstraße. Neulingsländer und die alten EU-Staaten vermengen ihre Interessen zum Profit aller.

m+a report Nr.2 / 2004 vom 18.03.2004
m+a report vom 18. März 2004