Kleiner Markt voller Kreativität

Schweizer Qualität ist ein international anerkanntes Markenzeichen. Diesen Anspruch erhebt auch der Messebau für sich, der dort jedoch ebenso unter Preisdruck steht wie anderswo.

Die Schweiz ist kein Sonderfall. Wie im übrigen Europa auch, ist der Sparkurs der Aussteller und Besucher im Messegeschäft zu spüren. Dennoch: "Gemäß der Schweizer Werbestatistik verhielt sich das Messegeschäft der Veranstalter mit Netto-Einnahmen von 239 Mio. Franken für Standmiete (gegenüber 243 Mio. Franken in der Vorperiode) relativ stabil", so die Auskunft von Andreas Hilbert, Mitglied der Geschäftsleitung von Expomobilia Exhibition + Communication, Effretikon-Zürich. "Wenn man die entsprechenden Werte mit dem Faktor 2 multipliziert, ergibt sich ein geschätzter Messebaumarkt von annähernd einer halben Milliarde Franken. Diese Zahl könnte in etwa stimmen, wenn man sie mit den neuesten Wirtschaftszahlen der Messe Schweiz AG vergleicht." Der führende Veranstalter in der Schweiz setzt mit seinem Messeportfolio rund 180 Mio. Franken um, der gesamte volkswirtschaftliche Marktnutzen für Messeleistungen, aber auch Hotellerie, Catering, lokales und nationales Gewerbe betrage allerdings rund 2 Mrd. Franken. Ein Messebaumarkt von annähernd einer halben Milliarde Franken scheine demnach realistisch.
"Diesen Kuchen teilen sich in der Schweiz etwa 100 Branchenteilnehmer", erklärt Hilbert. "Der durchschnittliche Ertrag pro Unternehmen beträgt demnach geschätzte 5 Mio. Franken. Eine kleine Zahl. Sie wird in Zukunft nicht größer, weil der Markt nicht unendlich ist und weil Überkapazitäten bereits abgebaut sind oder es noch werden." Da Messen ein globales Geschäft sind, haben sich auch in der Schweiz die Margen auf einem international üblichen Niveau eingependelt. Das bedeutet sprichwörtliche "Swiss Quality zu kompetitiven Preisen".
Dennoch ist der Schweizer Messebau ein interessanter Markt. Aus der Sicht des Designers lasse sich gut in Nischen arbeiten, die Markenidentität werde von einigen Unternehmen kontinuierlich gepflegt. Thomas Wachter, Mitglied der Geschäftsleitung und Teilhaber der Formpol AG, Zürich: "An Messen entstehen immer wieder Nischen, in denen sich Unternehmen mit innovativen Standbauideen profilieren. Dabei sind die Investitionen in den Messeauftritt meist langfristig angelegt und es wird mit dem Messeauftritt eine klare Strategie verfolgt."

Allerdings ist Schweiz nicht gleich Schweiz, sondern ein Verbund unterschiedlichster Sprach- und Kulturregionen: die Deutschschweiz, die französisch sprechende Westschweiz und das italienischsprachige Tessin. "Die Alpen durchschneiden das ganze Land und schaffen nochmals eigene, teilweise mikrokleine Kulturregionen", schildert Andy Pape vom gleichnamigen Werbeatelier in Weiningen die Situation. "Schweizer Messebau betrifft vor allem die städtischen Zentren nördlich der Alpen."
Letztlich sind die Schweizer Märkte viel kleiner als in Deutschland. "Das heißt: Die Unternehmen, die Produktionszahlen vieler Güter, natürlich auch die Messen und Flächen der Messestände - alles ist bis zu zehnmal kleiner. Oft sind an Fachmessen die Hälfte der Stände zwischen 30 und 60 m2 groß, viele sind kleiner. 200 bis 300 m2 große Stände sind Ausnahmen und geradezu rare ,Highlights für schweizerische Messebauer."
Dementsprechend seien auch die Schweizer Messebauunternehmen strukturiert: "Es gibt vier große mit 50 bis 80 Mitarbeitern, aber Dutzende mit 10 bis 20 Mitarbeitern. Meistens aber sind sie hervorragend eingerichtet, inhabergeführt und verfügen über jahrzehntelange Kompetenz. Fast alles wird im eigenen Haus produziert. Die Fertigungstiefe ist deshalb sehr hoch und nicht selbstverständlich: Gestaltung und Design, Metallbau, Schreinerei und Malerei, eigenes Beschriftungsatelier und Mietmaterialfundus, eigene Monteure und vielfach eigene LKWs."
Nur in den wenigsten Fällen werde der Weg über eine Werbeagentur gesucht, zum Beispiel, wenn das Projekt in eine geplante Kampagne eingebunden werden soll. Im Gegensatz zu großen deutschen Kunden kämen die Schweizer direkt zum Messebauunternehmen. Dieses setzt das Projekt gemäß CI/CD mittels hochmoderner Arbeitstools wie CAD oder andere Programme um. Praktisch unbekannt und nur für große Prestigeobjekte komme die Linie "Designer-Gestalter-Messebauer" zum Zug.

Zu den regionalen Besonderheiten bemerkt Urs Hofer, Designer, Szenograph und Mitglied der Geschäftsleitung bei der creaworld.AG, Bellach: "Es ist die normale Konzentration in den Wirtschaftszentren Zürich, Basel und Bern wahrzunehmen. Daneben gibt es noch eine Aufteilung zwischen der deutsch und der französisch sprechenden Schweiz. Die im französisch sprechenden Teil der Schweiz tätigen Messebauunternehmen weiten ihr Tätigkeitsfeld hauptsächlich nach Frankreich aus. Im Gegensatz dazu drängen die Deutschschweizer Firmen eher nach Deutschland und Osteuropa."

Auch die schweizerische Messebranche ist von der allgemeinen schlechten Konjunktur nicht verschont geblieben. Sowohl auf der Veranstalter- wie Messeausstatterseite mussten Haare gelassen werden. Gleichzeitig haben sich die Bedürfnisse der auftraggebenden Unternehmen verändert. Es sei eine große Verunsicherung spürbar, so die Auskünfte von Andy Pape. Heute seien nicht mehr primär Messebauten gefragt, die "ein Leben lang" halten. Flexibel zusammen- und umstellbare Module, die möglichst nur (noch) ein und nicht mehrere Jahresbudgets belasten, würden immer mehr verlangt, ebenso multimediale Elemente, raffinierte Elemente der Eventtechnik im Bereich Licht und Sound.
"Diejenigen Messestandbauer, die den Trend der Zeit frühzeitig erkannt haben, wagten sich frühzeitig auch auf andere Geschäftsfelder vor oder arbeiten in Netzwerken mit ,benachbarten' Branchen zusammen. Oder sie haben investiert und bieten heute selber Nischen- und anverwandte Produkte und Dienstleistungen an: Eventorganisation, Webdesign und Hosting, Schrift- und Bildservice und vieles mehr. Da die sehr persönliche und homogene Messebaulandschaft von der Beziehung Kunde-Lieferant lebt, wird das in der Schweiz vielfach als Erweiterung des qualitativen Angebots geschätzt. Eine weitere Besonderheit: Messebau ist und bleibt wie vieles in der Schweiz ein ,Beziehungsdelikt'."
Dass sich viele Aussteller in den letzten Jahren aus Kostengründen von den Messen ferngehalten hätten, würde heute mit Bedauern gesehen. Jetzt seien erhöhte Investitionen nötig, um die Marktpräsenz wieder lebendig werden zu lassen. Ein Trost: "Die Messestandbauer, Kommunikationsagenturen und Messeorganisatoren freut's allemal."
"Im Moment versuchen auch wieder verschiedene ,Organisatoren' als Messe- und Kongressveranstalter aufzutreten", so Pape. "Ein deutliches Zeichen der Hausse - fast wie in den 80er Jahren! Denjenigen Messebauunternehmen, die in vernünftigem Rahmen weiterinvestiert und ihre Kunden nicht mit destruktiver Rabattinflation, sondern mit fundiertem Wissen und qualitativ fundierter, zuverlässiger Arbeitsausführung begleitet haben, schlägt jetzt die Stunde. Sie sind bereit für die zukünftigen Herausforderungen."

Anlass für Optimismus sieht auch Thomas Wachter: "Der Schweizer Messemarkt ist aus der Sicht des Designers kein Binnenmarkt, sondern steht in Ergänzung zum internationalen Messemarkt. Schweizer Designbüros und Messebauer sind an internationalen Messen auch für internationale Unternehmen tätig und tragen so die konjunkturellen Schwankungen mit. Es ist zu beobachten, dass im Designmarkt ein Aufbruch beginnt. Die Rückstellung vieler neuer Messeauftritte wird nun vermehrt kompensiert. Was eine positive Marktentwicklung erkennen lässt."
Die unglückliche Entwicklung, dass Unternehmen Gratisangebote einiger Messebaufirmen für den Entwurf nutzten, sollte laut Wachter zunehmend der Vergangenheit angehören. "Diese Entwicklung führte zu einer drastischen Verschlechterung der Messeauftritte. Aufgrund schwacher Designleistungen, die mit der Produktion querfinanziert wurden, reduzierte sich der Spielraum der Gestaltung zugunsten der Baukosten, was im gegenteiligen Interesse des Kunden steht. In Zukunft wird sich der Standbau wieder vermehrt auf die Planung und das Design ausrichten und als eigenständiger Arbeitsbereich verstanden. Wir beobachten einerseits, dass sich die Messebauer in Wettbewerben durchsetzen, die professionelle Designbüros zur Planung der Messestände beiziehen und anderseits das Unternehmen vermehrt unabhängige Entwürfe von Designern zur Grundlage ihrer Ausschreibung einkaufen. Die Kostenstruktur im Messebau wird sich dadurch für alle Beteiligten positiv entwickeln, da sich die Planung kundenorientierter und der Messebau kostenbewusster realisieren lässt."

"Eine andere interessante Erscheinung zeigt sich langsam am Unternehmerhimmel", so Urs Hofer von creaworld. "Es gibt vereinzelt Firmen, welche sich dazu entschieden haben, die Kommunikation zu bündeln und die einzelnen Kommunikationsinstrumente zu integrieren. Der Begriff der integrierten Kommunikation wird hier, vereinzelt noch, gelebt. Die Erkenntnis und der Anspruch, das CD weltweit auch in der dritten Dimension zu realisieren, ist gewachsen. Eine Entwicklung, welche die klassischen Messeunternehmen vor neue Herausforderungen stellt, müssen sie doch hier aufrüsten. Das heißt, das Wissen um die Zusammenhänge der Kommunikation und die Wirkungen der Integration der Kommunikationsmittel muss erarbeitet werden. Auch das Know-how der formalen Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse muss neu erarbeitet werden. Damit wird eine neue Klasse der ,Messebauer' geschaffen. Hier stellt sich dann die Frage, ob der Messebauer dazu in der Lage ist oder ob eine neue Gilde entsteht, die sich ausschließlich mit Konzepten und deren Umsetzungen beschäftigt. Eine neue Zusammensetzung von Berufsgruppen wird sich hier aufdrängen, welche den Anforderungen entsprechen. Inderdisziplinäres Arbeiten wird unumgänglich."
Eine weitere Anforderung, welche auf die Schweizer Messebauunternehmen zukommt, sei der Anspruch, diese Projekte der multinational tätigen Firmen in der ganzen Welt umsetzen zu können. Nach Hofers Einschätzung wird sich der Schweizer Messebau in Spezialisten für Systemüberbauungen und in Messeagenturen für integrierte Kommunikation splitten. Ein Trend, der wohl nicht nur in der Schweiz Schule machen könnte.

m+a report Nr.4 / 2005 vom 14.06.2005
m+a report vom 14. Juni 2005