Konjunkturmotor zwischen Branchenbelebung und Flop

Wenn es mit der Wirtschaft aufwärts geht, dann spüren das die Menschen zuerst auf den Messen. Optimismus bricht aus - manchmal leider unbegründet.

Ganz vorsichtig steckt es sein Köpfchen aus der Erde - das kleine Pflänzchen mit dem großen Namen Konjunkturerholung. Es ist noch so zart, dass niemand weiß, ob es die harten Zeiten überlebt. Nur auf Messen, so scheint es, sieht man schon wieder die blühenden Landschaften. "Die ersten 20 Messen in diesem Jahr stimmen optimistisch," freut sich Harald Kötter. Der Sprecher des Ausstellungs- und Messeausschusses der Deutschen Wirtschaft (AUMA) kann im Schnitt einen Ausstelleranstieg um rund 1 % ausmachen und auch bei den Besuchern sind es gut 1,5 % mehr als im Vorjahr.
Ein positives Signal, vor allem wenn man bedenkt, dass der Aufschwung auch vor Branchen nicht Halt macht, die seit Jahren daniederliegen, wie zum Beispiel die Möbelindustrie. Auch sie wittert zum ersten Mal seit langer Zeit Morgenluft. "Auf der imm cologne war die bessere Stimmung fast mit den Händen zu greifen", bilanzierte Dirk-Uwe Klaas, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie gegenüber der Presse. Die bessere Stimmung rechnet sich in Euro und Cent: "Wir denken, dass es in diesem Jahr ein Umsatzwachstum von mehr als 2 % geben wird." Der Verband registrierte auch schon einen gesteigerten Auftragseingang nach der Messe.
Noch besser brummt der Konjunkturmotor, wenn es ums Luxussegment geht. Die internationale Boots- und Wasserwirtschaft jubelte, als im Januar nach neun Tagen die Düsseldorfer boot ihre Pforten schloss. 309000 Besucher aus 60 Ländern hatten sich in dieser Zeit bei über 1600 Ausstellern über die neuesten Trends informiert. Dabei ergaben Besucherbefragungen, dass 74 % von ihnen auf der Messe bereits schon gekauft hatten, oder aber mit Kaufabsichten gekommen waren, 4 % mehr als im Vorjahr. 85 % der Befragten beabsichtigten, zu einem späteren Zeitpunkt etwas kaufen zu wollen. Die Aussteller hatten daher keinen Grund zur Klage. 69 % werteten die Messelaufzeit schon als geschäftlichen Erfolg, 80 % rechnen mit einem guten Nachmessegeschäft.
Wie sehr auf Messen zum Anheizen des Geschäfts gesetzt wird, dass zeigt auch der Mut der Metav-Macher. Diese lassen ihre internationale Messe für Fertigungstechnik gleich zweimal an den Start gehen. München hat Ende April Premiere und Mitte Juni folgt dann die traditionelle Veranstaltung in Düsseldorf. Der Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken, Frankfurt, (VDW) ist als Veranstalter überzeugt, dass das neue Messekonzept ankommt. 1200 Firmen (davon 400 für München) aus 22 Ländern sind bislang als Aussteller gemeldet. Auch im Werkzeugmaschinenbau zeige sich 2004 eine für die Investitionsgüter eher untypische Aufbruchsstimmung, wobei hier der Konjunkturmotor vor allem die Auslandsnachfrage wie etwa aus Asien sei. Der VDW rechnet optimistisch mit einem Produktionszuwachs von 4 % in diesem Jahr.
Sind Messen also tatsächlich der Konjunkturmotor, als den ihn Veranstalter und Messegesellschaften immer preisen? Natürlich sind sie als Treffpunkt der Branche und Stimmungsbarometer für ganze Industriezweige unschlagbare Instrumente für Marketing und Geschäft. So ist auch die Zuversicht zu verstehen, mit der Aussteller und Macher großer Konsumgütermessen der anhaltenden Kaufunlust der Konsumenten widerstehen. Michael Peters, Geschäftsführer der Messe Frankfurt setzt ebenfalls auf die gute Stimmung, die seit Anfang des Jahres die bundesdeutschen Messehallen durchdringt. Über 4600 Aussteller haben in Frankfurt zur Ambiente wieder einmal auf 190 000 m2eueste Trends und Tipps rund ums schöne Leben gezeigt und damit an die Erfolge der Konsumgütermessen Heimtextil, Christmasworld und Paperworld angeknüpft.
Dennoch: Trotz der unbestrittenen Wirkung von Messeauftritten, es geht anscheinend auch ohne. Nicht umsonst verzichten namhafte Markenartikler zu großen Leitmessen auf den eigenen Auftritt. Ob ISM, CeBIT, Internationale Tourismusbörse in Berlin (ITB) oder Inhorgenta - wenn große Namen die Messeabstinenz verkünden, dann sorgt dies für Aufsehen weit über die Messebranche hinaus. Zur ISM sind die Kölner allerdings Kummer gewöhnt. Schon seit Jahren bleiben Unternehmen wie Masterfoods und Nestlé den Messehallen fern. Doch auch Ferrero machte sich in diesem Jahr rar und selbst Storck sah im Firmenjubiläum keinen Grund zum Messeauftritt.
Die Uhren- und Schmuckbranche wird auf der Inhorgenta in München vergebens nach der Swatch Group Ausschau halten und zur ITB fehlten wieder Rewe, FTI-Frosch-Touristik, Alltours und dieses Jahr auch der wirtschaftlich ins Trudeln gekommene Reisekonzern Thomas Cook. Hauptargument aller gegen eine Beteiligung seien wieder die Budgets der Messebeteiligung, die, wie etwa bei Thomas Cook angekündigt, in andere Marketing- und Vertriebskanäle fließen sollen.
Da stottert er dann, der Konjunkturmotor. Es wäre aber falsch, nur Messeveranstaltern und -gesellschaften anzulasten, wenn Sand ins Getriebe kommt und der auf der Messe propagierte Aufschwung mit einem Kolbenfresser auf der Strecke bleibt. Bestes Beispiel ist die IAA 2003 in Frankfurt. Blickt man zurück, dann waren es nicht nur Hersteller, die mit Optimismus in die Zukunft blickten, auch Politiker nutzten die Autoshow, sich im Glanz der vermeintlich aufstrebenden Branche zu sonnen. Geblieben ist wenig. Der neue Golf liegt wie Blei in den Regalen und ist nur Dank verbrämter Preisnachlässe an den Mann zu bringen, die Absatzmärkte in den USA brechen ein und auch Opels neues Zugpferd Astra wurde schon vor dem Verkaufsstart mit einem Frühbucherrabatt zum Schnäppchenartikel. Es bleibt abzuwarten, ob sich ein ähnliches Phänomen zur gerade angelaufenen CeBIT wiederholt.
Aber vorerst scheint für die Messebranche die Talsohle durchschritten. Der AUMA rechnet nach Besuchereinbußen von 4 % auf 9,6 Mio. und Ausstellerrückgängen von 2 % auf 161 000 im vergangenen Jahr für 2004 damit, das Ergebnis ohne weitere Verluste zu halten.

m+a report Nr.2 / 2004 vom 18.03.2004
m+a report vom 18. März 2004