Ein Näschen fürs Besondere

Locationscouts spüren neue Veranstaltungsorte auf - rund um den Globus, zu Wasser und zu Land und an jedem noch so entlegenen Ort.

Wenn über große Galas oder Automobilpräsentationen im Fernsehen berichtet wird, sind es nicht nur Prominente oder schicke Nobelkarossen, die für Aufsehen erregende Bilder sorgen, sondern die Orte, an denen sich die Kameras auf sie richten. Vorbei sind die Zeiten, in denen Produktneuheiten allein auf Messen vorgestellt, neue Modetrends in Hotellobbys den Modejournalisten gezeigt wurden.

Ungewöhnlich muss der Veranstaltungsort sein, möglichst am anderen Ende der Welt gelegen oder in einem schwer zugänglichen Urwald. Je schräger die "Location" desto besser, doch wenn das Schräge nicht taugt, so muss der Ort des Geschehens zumindest von einem Hauch Noblesse umweht sein. Waschtischarmatur-Serien werden unterm Wüstenhimmel präsentiert, Uhrenkollektionen in U-Booten der eigenen Vertriebsmannschaft angepriesen, Motivationsseminare für Manager finden im tibetanischen Kloster statt: Geht nicht, gibt's nicht, hat es den Anschein. Doch wer spürt eigentlich diese Orte auf, öffnet für Veranstaltungen die Türen von Adelspalästen, in die sich noch nie ein Nicht-Blaublütiger verirrt hat?

Locationscouts nennt sich der Berufszweig derjenigen, die stets auf der Suche nach der "ultimativen Location" rund um den Globus jetten. Sie jagen durch finstere Stadtviertel, in denen es in ein paar Jahren trendy zu wohnen sein wird, sie robben in wildnistauglichen Kleidern durch Orchideendschungel und Mangrovenwälder. Oder sie klingeln auch schon einmal bei "Otto-Normalverbraucher" mit der Frage, ob man in dessen 60er Jahre-Badezimmer die Mordszene eines neuen Krimis drehen dürfe. Und genau dort liegen auch die Wurzeln dieses Berufsstandes. Locationscouts suchten ursprünglich nur für Film-, TV- und Werbeproduktionen oder Fotografen die geeigneten Orte für Dreharbeiten und Foto-Shootings. Auch für so genannten "Wedding Planner", also Agenturen, die in Amerika die Hochzeiten der High Society planen und umsetzen, haben Location Scouts von jeher gearbeitet und den besten Ort fürs "Ja-Wort" oder die Hochzeitsparty aufgespürt. Doch seitdem in unseren Breiten nichts mehr "nur" eine schnöde Veranstaltung, sondern "alles Event ist", muss eben auch der Veranstaltungsort, pardon, die "Eventlocation", ein Event sein. Locationscouting-Agenturen haben sich schon lange auf diesen Trend eingestellt und bedienen nun auch Eventagenturen oder Unternehmen, die Events durchführen, in dem sie diesen Unterstützung in Sachen Recherche, Suche, Präsentation und Vermittlung von Locations bieten. Der Service reicht bis hin zur Einholung von Sondergenehmigungen für die Veranstaltungsdurchführung an Orten, die sonst eigentlich nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind.

Doch in den meisten Eventagenturen gibt es mittlerweile auch spezielle Mitarbeiter, die sich ausschließlich oder vorrangig mit der Recherche von Locations befassen. Um den "ultimativen Veranstaltungsort" zu finden, fährt man bei der Event-Agentur concept X aus Rheine eine mehrschichtige Vorgehensweise. Geschäftsführer Ulf Gassner setzt auf ein gut organisiertes und geführtes Archiv: "Viele Informationen über neue Angebote werden von den Betreibern zugesandt, man muss sie dann aber auch wieder finden!" Internetrecherche, Multiplikatoren, Kontaktpersonen, Scouts vor Ort, Fachpublikationen sowie Touristinfos, Verkehrsvereine, Stadtmarketing, der Agentur vor Ort bekannte Personen sowie ein gut funktionierendes Netzwerk helfen bei der Suche. Auch bei Stagg & friends hat man eine "gut sortierte Database" und "in allen größeren Städten Partner, die bei Bedarf helfen. Diese Partner kommen aus der Hotellerie, von Caterern oder aber auch von speziellen Locationscouts. "Somit können wir meist 90 % abdecken und es kommt nicht vor, dass ein Wettbewerber eine Location findet, von der wir nichts wissen", berichtet Geschäftsführer Göran Göhring. Auf eine gut geführte Datenbank und ein Partnernetzwerk verlässt man sich auch bei der Agentur MKG. "Für Veranstaltungen im Ausland sind wir natürlich auf ortsansässige Partner angewiesen. Sie richten ihre Locationsuche nach unseren und des Kunden Anforderungen aus", weiß Geschäftsführer Matthias Kirchgässner. Da seine Agentur an 30 Standorten in der ganzen Welt präsent ist, muss sich PGI-Geschäftsführer Carsten Knieriem in Sachen Locationscouting keine Gedanken machen: "Durch dieses Netzwerk sind wir weltweit immer auf dem aktuellen Stand und kennen viele vermeintliche ,Geheimtipps bereits, bevor sie zum Mainstream avancieren." Die drei deutschen PGI-Büros nutzen bei ihrer Locationrecherche dabei die Leistungen der gemeinsamen Unit "Destination Management", die aufgabenbezogen für die Projektteams arbeitet. Knieriem weiter: "Neben der Recherche der optimalen Location sind damit beispielsweise auch die Hotelkapazitäten und die Erarbeitung der idealen Reiselogistik verknüpft. Als die wichtigsten ,Informanten' fungieren dabei sämtliche Agenturmitarbeiter, die während und neben ihrer Agenturtätigkeit permanent auf der Suche nach sehenswerten Veranstaltungen, Locations und Aktionen sind."

Die Entscheidung für oder gegen einen Veranstaltungsort trifft natürlich letzten Endes der Kunde und meist richtet er sich auch nach den Empfehlungen der Agentur. Doch welche Faktoren beeinflussen diese Entscheidung? Ulf Gassner: "Hier ist vor allem die Frage nach der Veranstaltungsart relevant. Bei einer Veranstaltung am Unternehmensstandort ist meist die Location gesetzt. Sollte die Veranstaltung dezentral sein, ist mehrheitlich die Agentur in der Pflicht zu recherchieren und Empfehlungen zu geben." Nach der Konzeptentscheidung durch den Kunden macht man bei stagg & friend in der Regel eine gemeinsame Vorreise mit dem Auftraggeber, bei der letztendlich die Entscheidung gefällt wird: "Kriterien bei der Entscheidungsfindung sind Miet- und Mietnebenkosten, eine zum inhaltlichen Konzept passende Architektur sowie logistische Punkte. Auch eine möglichst hohe Flexibilität in der Auswahl eines Caterers oder Technikdienstleisters sind nicht unwichtige Kriterien. Immer öfter erhalten Agenturen aber auch Briefings, wo Kunden die Location bereits vorab definiert haben. Macht der Kunde keine Vorgaben, kommt es natürlich sehr darauf an, was er mit seiner Veranstaltung erreichen möchte. "Wir richten das Konzept dementsprechend aus und wählen dann natürlich auch die Locations aus, die das Konzept am besten umsetzten, und schlagen diese dem Kunden entsprechend vor", erklärt Matthias Kirchgässner. Und Carsten Knieriem berichtet: "Unsere Aufgabe ist es, im Rahmen des Gesamtkonzepts und unter Berücksichtigung logistischer Aspekte die bestmöglichen Vorschläge zu recherchieren, auszuarbeiten und zu argumentieren. Diese stellen wir - verbunden mit einer klaren Empfehlung - unseren Kunden vor." Doch ob dann der Gletscher im Mondschein oder das alte Weingut für ihn die richtige Location ist, muss letztlich der Kunde entscheiden! Antje Peters-Reimann

m+a report Nr.3 / 2005 vom 27.04.2005
m+a report vom 27. April 2005