Aus dem "Nichts" in Rekordzeit an die Börse

Lanxess? Nie gehört. Noch vor kurzem gab es das Unternehmen nur als Teil des Bayer-Konzerns. Mit gezielter Kommunikationsstrategie gelang ein erfolgreicher Spin off.

Wo ist die Position im Markt, was ist unser Markenkern? Fragen, deren richtige Beantwortung überlebenswichtig ist, wenn man ein völlig neues Unternehmen lancieren und mit Hochgeschwindigkeit an die Börse bringen will. Vor dieser Herausforderung stand das Chemieunternehmen Lanxess aus Leverkusen. Der junge Spin Off des Bayer-Konzerns muss sich seit Beginn des Jahres mit seinen verschiedenen Geschäftsfeldern allein in einem Markt behaupten, der geprägt ist von einer eher konservativen Einstellung zum Geschäft. Ausgründungen wie Lanxess haben es nicht leicht, sich ohne schützende Muttergesellschaft durchzusetzen - und dazu auf dem Börsenparkett erfolgreich zu sein. Eine Situation, die Herausforderung und Risiko auch für die komplette Kommunikation war und ist.

Die Zielgruppe für alle zu kommunizierenden Maßnahmen der Gründung war alles andere als homogen. Neben den eigenen Mitarbeitern, vom Arbeiter bis zu den Führungskräften, den Kunden und der Presse mussten auch die Informationsbedürfnisse und -pflichten von Investoren und der Branche erfüllt werden, um zum Börsengang Ende Januar ein überzeugendes stabiles Unternehmen zu präsentieren.
So wurde die Ausgründung von einer Reihe von Partnern begleitet, zum Beispiel der Agentur Interbrand Zintzmeyer & Lux, die bei der Namensfindung und bei der Entwicklung des Corporate Design behilflich waren. Entstanden ist der Name dann bei einem Mitarbeiterwettbewerb: Lancieren + success = LanXess, war eine Formel, die bei allen ankam. So zieht sich auch ein großes X durch die Grafik und den Unternehmensauftritt in den Farben schwarz/weiß/rot. "Das Interessante an dem Projekt Lanxess war, dass die Zusammenarbeit mit dem Kunden und anderen Agenturen sehr interdisziplinär gelaufen ist," betont Jörg Krauthäuser, Geschäftsführer der Kölner Agentur facts+fiction. Er und sein Team fanden den Einstieg bei Lanxess über einen eigens zur Firmengründung erstellten Imagefilm. Das Konzept überzeugte sowohl die Kommunikationsprofis als auch Chemiker und Kaufleute bei Lanxess gleichermaßen und auch den Vorstand. Man war bereit, Mut zu zeigen und in der Unternehmenspräsentation neue Wege zu gehen.

Christoph Sieder, Leiter Corporate Communication von Lanxess, war es, der federführend sowohl die interne wie auch die externe Kommunikation während des Prozesses steuerte. Eine Maßnahme, die bis heute auch in Großunternehmen nicht immer durchsetzbar ist. "Erfolgreiche Kommunikation kann nicht funktionieren, wenn einzelne Bereiche isoliert agieren", formulierte es Peter Maubach, Leiter Advertising und Events von Lanxess. Daher müsse eine ganz klare Kommunikationsstrategie vorgegeben sein, an der sich alle Maßnahmen orientierten. "Die vier Segmente sind bei uns die interne Kommunikation, die in einem Changeprozess eine sehr große Rolle spielt, die klassische externe Kommunikation, dazu gehören Marktkommunikation Events, Messen und Ausstellungen, elektronische Kommunikation, sprich Internet sowie die Konzern- und Fach-PR", so der Mann, der sechs Jahre lang die Messeplanung von Bayer geleitet hat.

So wurden beispielsweise schon recht früh, während der Vorbereitung der Ausgliederung aus dem Konzern, 3500 Mitarbeiter zu einer Informationsveranstaltung in eine alte Produktionshalle eingeladen, um ihnen in ungewöhnlicher Umgebung nicht alltägliche Maßnahmen zu kommunizieren - sprich ihnen die Neuerungen näher zu bringen. "Dort konnten wir testen, wie weit die Mitarbeiter mitgehen, wie mutig sie sind, aber auch wie viel man ihnen zumuten kann, denn bei solch einem Prozess bricht viel über die Leute herein." Broschüren wurden erstellt, Werbemaßnahmen erdacht und alles in der Fachabteilung Corporate Communication koordiniert. Also war Lanxess schon "erprobt", als es dann einen Schritt weiterging in Richtung wirklicher Selbstständigkeit, mit dem Thema Börsengang und einer komplett neuen Konzerndarstellung. So kam es zum Einstieg für facts+fiction, die mit ihrem Filmkonzept punkten konnten. Grundlage der Story war die Frage nach dem Markenkern, was ist Lanxess, woraus besteht das Unternehmen, wie unterscheidet es sich von anderen in der Branche?

Entgegen dem Bedauern der Werbe- und Eventbranche, dass Kunden zu wenig Mut beweisen, setzte Lanxess auf eine andere Art der Präsentation, als den klassischen Imagefilm: "Wir hatten den Mut und wurden belohnt. Intern ist der Film im positiven Sinne wie eine Bombe eingeschlagen. Das war dann auch die Initialzündung, mit facts+fiction weiter zu machen und vom Film ausgehend eine ganzheitliche Eventstrategie zu entwickeln, die auch den Börsengang beinhaltet," erinnert sich Maubach. "Alles drehte sich dabei um drei Kernbegriffe, die ebenfalls Lanxess geprägt hat, die wir in allen Medien und auch in der Live-Kommunikation umgesetzt haben," ergänzt Krauthäuser. "Lanxess ist mutig, fähig, lebendig." Diese Begriffe seien gut geeignet, sie in Live-Kommunikationsmaßnahmen umzusetzen. Alles was geplant war, sei um diese mit Leben gefüllten Schlagworte herum gestaltet worden, so der Agenturchef weiter. Eines durften Kunde und Agentur dabei nicht aus den Augen verlieren. Sie agierten in einer sehr konservativen Branche. "Es geht also nicht nur darum mutig zu sein, sondern man muss auch noch passend und glaubwürdig bleiben. Nichts schlimmer, als wenn man die Zielgruppe nicht erreicht."

Auch auf der K 2004, der weltgrößten Kunststoffmesse in Düsseldorf, haben die Leverkusener mit facts+fiction zusammengearbeitet. Dabei kamen wiederum Elemente aus dem Imagefilm zum Tragen, die am Stand, der als Entwurf schon existierte, umgesetzt wurden. So kreierte facts+fiction die integrierende Klammer zu dem, was Lanxess beim Premierenauftritt auf der Messe ausmachte. "Die vier Businessunits des Unternehmens waren klar, doch es fehlte das gemeinsame Dach Lanxess, das ja erst im Entstehen war", erklärt Maubach. So wurden gestalterische Anleihen am Film genommen und Lanxess mittels vier großer LED-Wände auf dem Messestand präsentiert. "Das war dann auch unsere erste große externe Markenkommunikation. Damit hatten wir wieder einen Schritt in Richtung Ziel getan, eine völlig neue, große Marke erfolgreich zu kommunizieren und eigenständig von Bayer zu platzieren." Das aber funktioniere nur, wenn mit Konsequenz die Markenkommunikation bis in die kleinsten Maßnahmen durchdacht sei. "Nur so konnten wir glaubwürdig vermitteln, dass es trotz neuer Eigenständigkeit bei der alten Qualität des Unternehmens bleibt," beschreibt er die Gratwanderung der Kommunikation.

Die Glaubwürdigkeit war es dann auch, die beim Börsengang eine große Rolle spielte. Doch dazu gab es eine zweite Herausforderung für die Corporate Communication und das Team von facts+fiction: "Der Börsengang musste super sein und Aufmerksamkeit erregen, in einer Welt, die gigantische Events wie die Börsengänge der Postbank und der Telekom kennt. An denen mussten wir uns messen lassen" erinnert sich Krauthäuser. Leichter wurde dies durch die Stringenz, mit der Lanxess intern wie extern die großen Veränderungen kommunizierte. "Das verhalf auch der Live-Kommunikation zu Glaubwürdigkeit. Beim Börsengang musste nichts gebogen werden, sondern es wurde das vermittelt, was intern auch gelebt wird", ist der Agenturchef überzeugt. Alles andere, aufgesetzte Aussagen oder Unstimmigkeiten könne man auch mit einem Event nicht verbergen.

Damit nicht nur in Frankfurt der Bulle tanzte, wurden alle Mitarbeiter weltweit mit eigenen Börsenkits ausgestattet, um den großen Tag gebührend zu feiern. Und das taten die rund 20 000 in allen Niederlassungen. Mit Deko, Luftballons, Plüschbullen und einem Pappaufsteller mit dem Börsenbullen Lance wurden die IPO-Partys zum Erfolg, wie viele Fotos belegen, die mit der eigens im Börsenkit mitgelieferten Digicam geschossen wurden. Die Ergebnisse konnte die Belegschaft hinterher im Intranet bewundern. Dies war ein weiterer Baustein um als Lanxess Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln.
Genau wie ein eigens komponierter Firmensong, der überall Einsatz fand und findet und für Mitarbeiter sogar als Handyklingelton zu haben ist. Ergänzt wurden die Aktivitäten noch durch einen großen Kundenempfang, moderiert von der ZDF-Moderatorin Nina Ruge, an dem auch Repräsentanten von Politik und Wirtschaft von der Strahlkraft des neuen Unternehmens Lanxess überzeugt werden konnten.
Abgesehen von einem zufriedenen Kunden können sich die Kölner ihres Erfolges beim Börsengang sicher sein. Umsetzung und Professionalität haben sich herumgesprochen und facts+fiction sich allein dank ihrer Arbeit schon für einen weiteren Börsengang empfohlen. Annic Kolbrück

m+a report Nr.3 / 2005 vom 27.04.2005
m+a report vom 27. April 2005