Abgehobene Präsentationen

Sie sind bevölkert oder leer, mit Exponaten zugestellt oder Teil einer bühnenhaften Inszenierung: Immer mehr werden Messeböden zu bewegten Messebühnen.

Wenn es auf einer Messe mal "richtig brummt", dürfte vom Standboden kaum etwas zu erkennen sein. Doch diese Situation ist meist eher Wunsch denn Realität. Dass sich Designer zunehmend der Gestaltung des Standbodens annehmen, ist nicht nur eine Frage der Kosten, sondern hängt vor allem mit der veränderten Funktion der Stände zusammen, die Ausstellung von Exponaten immer mehr zurückzunehmen zugunsten einer kommunikativen Gesprächsatmosphäre und einer bühnenhaften Inszenierung der wichtigsten Exponate. Das heißt, einen Messestand so aufzubauen, dass Besucher durch den Stand auf Entdeckungsreise gehen. Und hierbei verhält es sich dann ähnlich wie beim Entdecken einer Landschaft.
Der Boden weist unterschiedliche Materialien auf, ist weich oder hart, glänzend oder stumpf, ist eben oder hügelig bis hin zu bizarren Formen der Natur, die immer wieder neue Ein- und Ausblicke gewähren, Überraschungen bereithalten, einen völlig anderen Blickwinkel ermöglichen. Trotz der Verwendung von künstlichen Materialien und Formen holen sich viele Gestalter ihre Ideen aus der Natur. Manche sind auch der Architektur oder der Theaterwelt entlehnt, um bekannte Formen und Erfahrungen aus der Alltagswelt in einem anderen Kontext einzusetzen und dadurch neue Sehweisen und Erkenntnisse zu erzeugen.

Der Bielefelder Teppichhersteller Carpet Concept hatte zum Beispiel auf der Contractworld der Domotex 2005 in Hannover sowie der EuroShop 2005 in Düsseldorf eine fast freie Standfläche. Mit einer weltoffenen Geste präsentierte er mitten auf dem Stand seine Objektböden in einer großen offenen Weltkugel, entworfen von Designer Christian Werner. Die Standfläche aus weißen Kunststoffplatten knickte an zwei Standseiten nach oben zu unterleuchteten Sitzbänken um. So erschien der Boden wie eine helle Eisfläche, die die Besucher behutsam betraten und wodurch aber auch die Wertigkeit des Exponats erhöht wurde.
Einer Eisfläche ähnlich sind weiße Glasböden, die von unten beleuchtet sind. Licht zieht Leute an, aber auf Glas laufen sie mit Bedacht und Respekt, eine Haltung, die sich auf die Exponate überträgt. Der Messestand der Marke Love Plates tritt seit Jahren auf der Ambiente und Tendence in Frankfurt mit einem unterleuchteten Glasboden auf - ideal, um die farbigen Glasprodukte in ihrer Leichtigkeit zu unterstützen.

Eine besonders originelle Idee hatte auf der diesjährigen Ambiente der italienische Aussteller Piazza, der Edelstahlprodukte für die Gastronomie herstellt. Er ließ seinen Standboden mit durchsichtigem Glas abdecken und füllte die Rasterfächer mit seinen Produkten. Die Besucher staunten nicht schlecht, als sie quasi auf den Produkten herumspazieren konnten und damit einen Auf- und Einblick hatten. Die Idee entstand, um Platz zu sparen und hatte einen überaus großen Erfolg.

Wer kennt sie nicht, die Podeste, die die Sieger ehren. Und so sind Podeste nicht nur Raum und zu den anderen; ein Podest erhöht, stellt heraus, macht ein Produkt zu etwas Besonderem.
Das Münchener KMS-Team hat für den italienischen Modehersteller Freesoul auf der Bread and Butter 2003 in Berlin einen völlig weißen Stand entwickelt, der in Anlehnung an den Markennamen "freie Seele" mit weißen Federn ausgelegt war. Große und kleine Quader in verschiedenen Formaten gliederten den Stand, waren Präsentationsflächen, aber auch Sitze für die Besucher und bildeten ein kubistische Landschaft, die im reizvollen Kontrast zu dem farbigen, jungen Modeprodukt stand. Und um die optische Leichtigkeit noch zu erhöhen, "schwebte" der Standboden 15 cm über dem Hallenboden.

Erheblich farbintensiver trat der Büromöbelhersteller Interstuhl auf der Orgatec 2004 in Köln auf. Unter dem Motto "Come together now" entwickelten die Designer von Design hoch Drei aus Stuttgart eine Produktwelt, deren Produktgruppen in den Farben des Regenbogens hintereinander wie in einer Straße aufgebaut waren. In der Form eines umgekehrten Us umspannten farbige Stoffbahnen die jeweilige Produktgruppe. Die Neuheiten wurden auf angeschrägten, hoch glänzenden Podesten besonders hervorgehoben. Verstärkt wurde dieser Effekt des Heraushebens durch einen gestalterischen Trick, indem sich der Slogan des Standes in riesengroßen Lettern auf dem Bodenbelag davor wie ein Fluss ausbreitete, die Besucher mit sich davontragend von einem Produktbereich zum nächsten. Produkt, Marke und Kommunikation wurden auf diese Weise in Bild und Raum vereint. Trotz des farbstarken Auftritts blieb der Anspruch des Unternehmens erhalten, modern und selbstbewusst, aber auch emotional und bescheiden zu sein.

Treten Podeste nicht vereinzelt auf einem Stand auf, haben sie gar organische Formen und sind in ihrer Anordnung aufeinander bezogen, dann liegt die Assoziation mit einer Landschaft nahe; einer Landschaft mit Hügeln und Tälern oder einer Seenlandschaft mit vielen kleinen Inseln, wie sie die D‘Art Design Gruppe, Neuss, für den VDP, den Verband der deutschen Papierfabriken, entwickelt hat. Auf der Drupa 2004 in Düsseldorf sollte der Stand über die Papierindustrie und den Werkstoff Papier informieren, angefangen vom Rohstoff bis zum Endprodukt. Diese Entdeckungsreise machte eine Papierlandschaft naheliegend, die topografische Formen aufgriff. Schichtartig erhoben sich über der blauen Standfläche verschiedene Inseln, von denen jede einen anderen Aspekt des Materials Papiers beinhaltete und präsentierte. Die Lust am Erkunden, das Herumdriften um die Produktinseln, machte das alltägliche Produkt Papier und Pappe zu etwas Ungewöhnlichem, zu einer Faszination.

Material und Form können ganz wesentlich die Wirkung und auch die Bedeutung einer Standfläche beeinflussen. Für den Auftritt von CCC (Cadillac, Chevrolet und Corvette) für General Motors Europe an der Mondial de l'Automobile 2004 in Paris entwarf die Bellprat Associates AG einen Messestand, der in abstrahierter Weise an das Faltwerk von aufgebrochenen Eisschollen in verschiedenen Schrägen und Formen erinnerte. Jede Scholle bezog sich in ihrem Material auf das markenspezifische Design des Fahrzeugs, und so gab es Flächen aus geschliffenem Edelstahl, aus schwarzem polierten Granit und Glas, die auf diese Weise mit der hochwertigen Anmutung der Fahrzeuge korrespondierten. Einige Flächen wurden zusätzlich noch mit einem animierten Film bespielt. Der ganze Stand glich einem aufgefalteten Raumwerk mit schräg gestellten Podesten, auch in der Vertikalen, die alle als Ausstellungsflächen genutzt wurden.

Schräg gestellte Podeste sind vor allem von Ausstellungen und aus dem Theater bekannt, um dem Betrachter einen möglichst optimalen Blickwinkel auf das Ausstellungsgut oder die Szene zu geben. Podeste schräg aufzustellen bringt nicht nur einen anderen Blickwinkel, sondern signalisiert auch dynamisch, beweglich zu sein, anders - oder auch schräg.
Das bestimmt ungewöhnlichste Podest aber ließ Triad Berlin für Adidas bauen, um während einer internen Marketingveranstaltung die Präsentation einer neuen Produktreihe zu einem Event werden zu lassen. Dafür standen in einer dunklen Halle der bigBox in Kempten zwei Tribünen wie bei einem Tenniscourt gegenüber, als unter rhythmischen Maschinenklängen die unsichtbare Bühne von der Decke herunterkam; das Adidas-Logo mit den drei weißen Streifen in dreidimensionaler Form. Auf diesem Riesenpodest von fünf mal zehn Metern fanden dann die Tanzshow statt, die Produktshow, die Talkrunden.

Nun gibt es aber auch Lösungen, bei denen der Standboden so weit erhöht wird, dass die Besucher einige Stufen nach oben steigen müssen. Hier wird dann nicht mehr das Produkt erhöht, sondern der Besucher selbst zum Star gemacht.
Auf der Euroshop 2005 in Düsseldorf erregte der kleine Stand von Messedesign Ueberholz besonders großes Aufsehen. Wie in einer stilisierten südländischen Architektur führten zwei Treppen links und rechts eines über 200 Jahre alten Olivenbaumes den Besucher nach oben auf die weiße Standfläche, um ihn hier mit Zikadenzirpen und einer stimmungsvollen Lichtwand zu empfangen, deren Farben sich wie in einer Naturlandschaft immer wieder dramatisch veränderten. Gebaute Atmosphäre pur.

Bei Silent Gliss, einem Schweizer Hersteller von Sonnenschutzsystemen, führten auf dem völlig schwarzen kubischen Stand auf der Heimtextil 2003 in Frankfurt breite Treppen die eingeladenen Besucher nach oben in den exklusiven Besprechungs- und Gourmetbereich, wo an einer langen Tafel Gastfreundschaft und Kommunikation gepflegt wurden. Offen einsehbar von allen Seiten. Auch hier wurde der Besucher mit dieser Architekturgeste optisch erhöht und als Star in Szene gesetzt.
Nicht ganz so dramatisch, dafür aber sehr entspannend war der erhöhte Messestand für die Besucher von Kappa Packaging auf der Fachpack in Nürnberg, wo sie in bequemen Rattansesseln zwischen Bambusbüschen saßen, überwölbt von einer offenen Stoffkuppel. Die Produkte hatten die Designer von Forum Messe & Design im Rand des schrägen Standpodestes wie Schmuckstücke in kleinen Vitrinen zur Schau gestellt. Eine originelle Form, den Standboden zu nutzen und zugleich seine Marktführerschaft unter Beweis zu stellen.
Bühnen, Böden und Podeste, es lohnt sich, sich ihrer anzunehmen - um Produkte oder Besucher zu etwas Besonderem zu machen. Ingrid Wenz-Gahler

m+a report Nr.2 / 2005 vom 23.03.2005
m+a report vom 23. März 2005