Türkei - Brücke zwischen Europa und Asien

Als Messen und Ausstellungen wird alles gezählt, was bei den zuständigen Behörden registriert wird. Dennoch gibt es viele Veranstaltungen mit hohem Geschäftspotenzial.

Die Türkei ist ein spannender Messeplatz mit eigenen Regeln. Wenngleich der Handel auf Märkten und Basaren auf eine Jahrtausende alte Geschichte zurückblickt, ist das Messewesen dort noch ein sehr junges - es ist erst rund 20 Jahre alt. Der größte Teil der dortigen Fachmessen entstand erst mit dem Eintritt des Landes in die Zollunion 1996. Damit verbunden war die Hoffnung, dass die Türkei die viel beschworene Brückenfunktion zwischen Europa und Asien übernehmen und sich zur Drehscheibe des Handelns zwischen beiden Kontinenten entwickeln könnte. Die Türkei ist heute das führende Messeland im eurasischen Wirtschaftsraum.

Die Messethemen sind vielfältig, für fast alle Wirtschaftssektoren ist eine Veranstaltung als Plattform des Face-to-Face-Marketings etabliert. Mit ein wenig Recherche dürfte es nahezu jedem interessierten Unternehmen gelingen, die passende Messe in der Türkei für seine Produkte zu identifizieren. Besonders positiv ist, dass das Medium in dieser Region sowohl von den Ausstellern als auch von den Besuchern stark akzeptiert wird. Sicher liegt es nicht zuletzt an der Mentalität und der ausgesprochenen Kontaktfreudigkeit der Türken, dass Unternehmen eine große Bereitschaft zur Teilnahme an Messen und Ausstellungen haben.
Die positive Wirtschaftsentwicklung schlägt sich auch in der Dynamik des Messegeschäfts nieder. Wurden 2002 noch 435 Messen und Ausstellungen durchgeführt, so war 2003 ein 30 %iger Anstieg zu verzeichnen. 580 Messen und Ausstellungen waren registriert (580 waren gemeldet, 20 wurden abgesagt). Auch im Jahr 2004 überschritt die Zahl der Messen in der Türkei die 500 er Schwelle. Angesichts der hohen Zahl der Veranstaltungen scheint der türkische Messemarkt größer zu sein als der deutsche. Dabei muss allerdings bedacht werden, dass in Deutschland zwischen internationalen und regionalen Messen unterschieden wird, während es in der Türkei keine derartige Differenzierung gibt. Als Messen und Ausstellungen wird alles gezählt, was offiziell bei den zuständigen Behörden in Ankara registriert wird, selbst wenn es sich um einige wenige Ausstellungsstände in einem Hotelfoyer handelt.

Was das Messewesen eines Landes ausmacht, ist aber nicht die Quantität der Veranstaltungen, sondern deren Qualität. Hier ist bei manch einer Veranstaltung Vorsicht geboten, denn Messen organisieren darf jedes Unternehmen, sofern es über die entsprechende Eintragung im Handelsregister verfügt. Von den zurzeit über 160 offiziell registrierten Messegesellschaften führt nur weniger als ein Drittel aktiv Veranstaltungen in der Türkei durch. Doch innerhalb dieses Drittels - immerhin rund 50 Firmen - muss sowohl der nationale als auch der internationale Aussteller die professionellen Anbieter von den "schwarzen Schafen" unterscheiden. Zwar muss jede einzelne Messe eines Organisators bei der türkischen Regierung angemeldet und in einer entsprechenden Publikation veröffentlicht sein, doch an dieser Stelle hört die Kontrolle und Einflussnahme des Staates auf.
Das bedeutet auch, dass es für den ausländischen Aussteller nur wenige verlässliche Möglichkeiten gibt, den seriösen Messemacher herauszufiltern. Zwar sind offizielle Zahlen über Aussteller, Besucher und Flächen in den meisten Fällen zu haben, doch gibt es keinen Kontrollmechnismus etwa die Gesellschaft zur Freiwilligen Kontrolle von Messe- und Ausstellungszahlen (FKM). Das heißt: Die Daten sollten mit Vorsicht genossen werden. Hinzu kommt, dass die in der Türkei veröffentlichten Kennzahlen zu Messen lediglich auf den Angaben der Organisatoren basieren und somit je nach deren Professionalität mehr oder weniger glaubwürdig sind. Es gibt aber erste Ansätze, mit internationalen Messeverbänden Kontakt aufzunehmen, um ein ähnliches Netzwerk in der Region aufzubauen.

Es ist daher ratsam, vor einer Messebeteiligung in der Türkei die ausgewählte Veranstaltung zuvor eingehend zu prüfen. Unternehmen, die eine Messebeteiligung erwägen, sind gut beraten, sich anhand folgender Fragen ein Urteil über die Qualität des Veranstalters zu bilden:
- Gibt es mehrsprachiges Informationsmaterial über die Messe?
- Verfügt der Veranstalter über eine informative, mehrsprtachige Website (wichtig für ausländische Besucher)?
- Liefert der Veranstalter statistische Daten über die Vorjahre?
- Sind Ausstellerlisten der Vorjahre verfügbar?
- Werden die Anfragen kompetent und schnell beantwortet?

Nicht nur für die Türkei gilt: Je mehr Informationen der Veranstalter bereithält, desto besser kann der Aussteller abwägen, ob die Messe für seine Produkte und Dienstleistungen das richtige Umfeld bietet.
Wer dennoch unsicher über die Qualität der Messe ist, die Professionalität des Veranstalters oder die veröffentlichten Kennzahlen, kann sich in den meisten Fällen beispielsweise bei der deutschen Botschaft oder bei der deutsch-türkischen Handelskammer Auskünfte holen.
Obzwar mehr als die Hälfte der türkischen Messen und Ausstellungen für ausländische Aussteller uninteressant ist, finden zahlreiche attraktive Veranstaltungen mit hohem Geschäftspotenzial statt. So gibt es die CeBIT Bilisim Eurasia für die IT-Industrie, die ITSE für die Textilbranche, die ISK-Sodex für die Kälte-, Klima- und Sanitärindustrie, die Automechanika für die Automobilzuliferer, die Yapi für die Bauindustrie und nicht zuletzt die Agac Makinesi für die Holzbearbeitungsindustrie.

Die Entscheidung, ob und auf welche Messe ein Unternehmen geht, wird in der Türkei deutlich später als in Deutschland getroffen. So bleibt oft nur wenig Zeit, um die Messebeteiligung detailliert vorzubereiten. Hier ist insbesondere das Improvisationstalent des Veranstalters gefragt. Die Messegesellschaften haben die Notwendigkeit erkannt, die Wettbewerbsfähigkeit des türkischen Messesektors zu steigern. Nicht zuletzt kommt dabei ausländischen Partnern eine hohe Bedeutung zu, die mit ihrem Know-how im Auslandsmarketing und ihrer Professionalität den nationalen Veranstaltern zur Seite stehen. Unter den deutschen Messegesellschaften sind nur zwei aktiv auf dem türkischen Markt vertreten: Die Deutsche Messe AG, Hannover, und die Messe Frankfurt verfolgen gleichermaßen das Ziel, Themen der Leitmessen des deutschen Mutterhauses in der Türkei zu etablieren. Seit 1996 unterhält die Deutsche Messe AG ihre Niederlassung in Istanbul, und seit 2001 ist die Messe Frankfurt mit einer Tochtergesellschaft vor Ort vertreten. Andere deutsche Großmessegesellschaften werden durch lokale Unternehmen repräsentiert und haben somit im Wachstumsmarkt Türkei ebenfalls Ansprechpartner vor Ort.

Die meisten für internationale Aussteller Erfolg versprechende Messen finden in Istanbul statt, dem unangefochtenen Wirtschaftszentrum. Rund 40 % der gesamten Messen des Landes werden in dieser Metropole veranstaltet. Die älteste Messestadt der Türkei ist jedoch Izmir. Hier wurde 1923 der erste türkische Wirtschaftskongress auf Anweisung Mustafa Atatürks veranstaltet, der den Grundstein für die weitere Entwicklung Izmirs als Messestadt legte.
In den vergangenen Jahren kam es auch zur Eröffnung von Messegeländen in den regionalen Zentren des Landes, beispielsweise in Trabzon an der Schwarzmeerküste, in Konya in Zentralanatolien und in Gaziantep in Südostanatolien. Hier werden schwerpunktmäßig regionale Fachmessen veranstaltet, die den dortigen Schwerpunkten der Wirtschaft entsprechen. Istanbul bleibt jedoch - zumindest auf absehbare Zeit - unangefochten die Messehauptstadt der Türkei, zumal hier die Kapazitäten noch ausgebaut werden.
Die Internationalisierungsbemühungen im türkischen Messewesen tragen erste Früchte: Die Branchen- und Angebotsübersicht wird erweitert, die Faszilitäten werden ausgebaut, und insgesamt steigt die Zahl der Messen. Auch wenn noch nicht alles deutschem Standard entspricht, lassen das Improvisationstalent der Türken sowie die Attraktivität der Stadt Istanbul den internationalen Messebesucher und -aussteller gern einmal ein Auge zudrücken. Doris Petersen

Doris Petersen ist seit 2002 Geschäftsführerin der Hannover-Messe International Istanbul. Das Tochterunternehmen der Deutschen Messe AG, Hannover, wurde 1996 gegründet. Aufgabe ist die Planung, Organisation und Durchführung von Messen in der Türkei. Darüber hinaus ist das Unternehmen auch die Repräsentanz des Messeplatzes Hannover in der Türkei und hat die Lizenz zur Durchführung offizieller türkischer Gemeinschaftsstände auf Messen im Ausland. Die Hannover-Messe International Istanbul unterhält vier Joint-Ventures in der Türkei und gehört damit zu den Marktführern.

m+a report Nr.2 / 2005 vom 23.03.2005
m+a report vom 23. März 2005