Best Practices: Kundenorientierung im Vergleich

Was in vielen Branchen seit Jahren erfolgreich praktiziert wird, war bis vor Kurzem für die europäische Messewirtschaft ein Novum: das Benchmarking von Unternehmen.

Benchmarking stellt einen anerkannten Managementansatz dar, der durch einen Vergleich zwischen Organisationseinheiten oder Unternehmen die jeweilige relative Wettbewerbsposition ermittelt und sogenannte Best Practices identifiziert. Ende letzten Jahres präsentierte das Institut für Messewirtschaft, Universität zu Köln, die Ergebnisse der ersten europaweiten Benchmark-Studie von Messeveranstaltern.

Kundenorientierung als zentraler Erfolgsfaktor

Im Rahmen dieser Studie wurde festgestellt, dass 90 % der befragten Messeveranstalter einen zentralen Erfolgsfaktor von Messen in der Partizipation der marktführenden Aussteller und Besucher sehen. Damit bestätigt sich einmal mehr die hohe Bedeutung, welche Kunden und damit letztlich auch die Kundenorientierung für die Messeunternehmen haben. Diese Erkenntnis ist einerseits wichtig für die Gestaltung der Unternehmensprozesse, andererseits stellt sich die Frage, inwieweit Kundenorientierung tatsächlich von den europäischen Messeveranstaltern gelebt wird.
Ein Vergleich ausgewählter Aspekte soll Aufschluss darüber geben, ob es sich bei der Kundenorientierung um ein bloßes Lippenbekenntnis der europäischen Messegesellschaften handelt oder ob die Ausrichtung an den Bedürfnissen der Aussteller und Besucher bereits zum gelebten Credo der Messeunternehmen in Europa gehört.

Unterstützung bei der Bestimmung von Messenutzen und -kosten

Das Kosten/Nutzen-Verhältnis einer Messebeteiligung rückt zunehmend in das Bewusstsein der Aussteller und fungiert in jüngster Zeit als wichtiges Kriterium bei der Entscheidung über die Anmeldung zu einer Messe. Während des Erhebungszeitraums boten 32 % der Messeveranstalter einen Online-Kostenkalkulator an. Marketingspezifische Beratung im Rahmen der strategischen Planung einer Messebeteiligung konnte als Service bei 50 % der Messeunternehmen gebucht werden. Hinsichtlich der schwierigeren Erfassung des Messenutzens und der Bestimmung des daraus resultierenden individuellen Messeerfolges (Verhältnis von Nutzen zu Kosten) konnten lediglich zwei Messeunternehmen ihre Kunden unterstützen.
Es ist bemerkenswert, dass diese beiden Unternehmen aus Deutschland stammen und kein weiterer europäischer Messeveranstalter explizit angegeben hat, seinen Ausstellern einen auf die Erfolgsermittlung ausgerichteten Service zu offerieren. Im Zuge der Wettbewerbsintensivierung und zunehmend knapper Marketingbudgets wird jedoch die Forderung nach der Transparenz des Messenutzens immer deutlicher. Hier ist folglich von einem in Zukunft stärker zu nutzenden Potenzial für die Kundenorientierung auszugehen.

Online-Services

Einen weiteren Aspekt, der auf eine starke Kundenorientierung und ein hohes Innovationspotenzial schließen lässt, stellen Online-Services dar. Im Rahmen der Studie identifizierten 84 % der Teilnehmer das Angebot von Internet-Services als einen wichtigen Erfolgsfaktor für Messen. Einen äußerst innovativen Service stellt die Möglichkeit dar, bei der Anmeldung zur Messe die Positionierung des eigenen Messestandes im Internet mittels einer Karte des Messegeländes zu buchen. Diese Dienstleistung wurde Ausstellern lediglich von einem europäischen Messeveranstalter aus der Schweiz angeboten.
Zum Standard der Online-Services gehören laut Antworten der Studienteilnehmer eine Übersicht über das Serviceangebot des Veranstalters, mehr oder minder detaillierte Geländepläne, die Verlinkung mit den Homepages der Aussteller oder Listen mit bereits angemeldeten Ausstellern.
Von besonderer Wichtigkeit für die Kundenorientierung sind Internet-Services, die Ausstellern und Besuchern die Vorbereitung der Messeteilnahme erleichtern, so zum Beispiel die Online-Erstellung von Besuchsplänen. Zum Erhebungszeitpunkt ermöglichten nur 14 % der Messegesellschaften ihren Kunden den Service eines "Digital Organisers" im Internet. Gegenwärtig wird dieser Service intensiver angeboten, dennoch besteht bezüglich der Messevorbereitung mittels elektronischer Medien in einigen Ländern noch Potenzial.
Hinsichtlich des Online-Angebots präsentierten sich im Befragungszeitraum verschiedene Messegesellschaften aus Deutschland und ausgewählten direkten Nachbarländern sowie aus Nordeuropa besonders fortschrittlich.

Beschwerdemanagement

Ein institutionalisiertes Beschwerdemanagementsystem liegt bei den wenigsten der Messegesellschaften vor. Die Dauer vom Eingang einer Beschwerde bis zu deren Lösung wurde laut 40 % der Antworten bislang noch nicht systematisch erfasst. Die befragten Messemanager setzen überwiegend auf individuelle Lösungen durch die jeweiligen Produktmanager/Abteilungsleiter. Damit unterscheidet sich die Handhabung einer Kundenbeschwerde von Veranstaltung zu Veranstaltung. Immerhin: 21 % der Antwortenden konnten bestätigen, dass Beschwerden verursachende Probleme innerhalb von 24 Stunden behoben sind. Regionen- oder länderspezifische Aussagen über Best Practices hinsichtlich des Beschwerdemanagement lassen sich aufgrund des unterschiedlichen und veranstaltungsbezogenen Handlings nur schwerlich treffen.

Kundenbindung

Ein bemerkenswertes Befragungsergebnis ist, dass ungeachtet der hohen Relevanz elektronischer Medien die Mehrzahl der Messegesellschaften bei Maßnahmen zur Kundenbindung in erster Linie auf den persönlichen Kontakt zu ihren Ausstellern setzen. Als zweithäufigstes Instrument nach dem persönliche Kontakt wurden Telefonate mit Ausstellern genannt. An dritter Stelle rangieren Direct Mailings via E-Mail oder Post. Lediglich eine Messegesellschaft aus Nordeuropa gab bei der Erhebung an, für die Gestaltung von Kundenbindungsmaßnahmen ein ausgefeiltes Customer Relationship Management (CRM) einzusetzen. Das Gros der Messeunternehmen lebt somit vor allem von den persönlichen Netzwerken ihrer Mitarbeiter.
Eine im Gesamtvergleich der genannten Aspekte überdurchschnittliche Kundenorientierung kristallisierte sich vor allem bei einer Vielzahl der deutschen Messegesellschaften heraus. Aber auch die Gesellschaften aus den östlichen Ländern Europas erzielten in Summe positiv zu betonende Ergebnisse. Die besten Werte der Kundenzufriedenheit erreichte ein Messeunternehmen aus Deutschland.
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die europäischen Messegesellschaften trotz der hier kritisch angemerkten Punkte in vielen Bereichen ein hohes Maß an Kundenorientierung aufweisen. Es handelt sich bei der Kundenorientierung also nicht um ein reines Lippenbekenntnis.
Dennoch, im Zuge des sich verschärfenden Wettbewerbs, ist zu empfehlen, die bestehenden Potenziale noch besser und systematischer als bisher auszuschöpfen, um somit auch in Zukunft die jeweilige Wettbewerbsposition zu sichern oder auszubauen. Als Maßstab für die Kundenorientierung kann bei einem bedürfnisgerechten Veranstaltungsprogramm der Wahlspruch gelten: "make participation easy". Werner Delfmann, Rowena Arzt

Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Delfmann, Jahrgang 1949, ist nach Professuren an den Universitäten Münster, Osnabrück, Frankfurt a. M. seit 1988 Direktor des Seminars für betriebswirtschaftliche Planung und Logistik der Universität zu Köln. Von April 1999 bis April 2001 war er Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät und in dieser Funktion maßgeblich an der Gründung des Instituts für Messewirtschaft und Distributionsforschung beteiligt, dessen Vorstand er von Anbeginn angehört. Neben verschiedenen Forschungsprojekten leitete er unter anderem die im Jahr 2004 abgeschlossene erste UFI European Benchmark Study.

Rowena Arzt, Jahrgang 1975, studierte nach dem Abitur Betriebswirtschaftslehre in Köln mit den Schwerpunkten Planung und Logistik, Marketing und Marktforschung sowie Verkehrswissenschaft. Seit der Gründung des Instituts für Messewirtschaft und Distributionsforschung (Universität zu Köln) im Jahr 1999 ist sie dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. Neben ihrer Mitarbeit beim Aufbau des Instituts leitete und betreute Arzt verschiedene Praxisprojekte mit Ausstellern, Messeveranstaltern und Messebauunternehmen. Dazu zählt auch die UFI European Benchmark Study. In ihrer voraussichtlich im Herbst 2005 fertig gestellten Dissertation beschäftigt sich Rowena Arzt mit der Wettbewerbsfähigkeit von Messeveranstaltern.

m+a report Nr.2 / 2005 vom 23.03.2005
m+a report vom 23. März 2005