Weihnachten in Japan

Nachdem sich die japanische Volkswirtschaft aus der Flaute gekämpft hat, will die Bundesregierung jetzt das Image Deutschlands in Nippon verbessern.

Was wäre das Fest der Feste ohne einen Gang über den Weihnachtsmarkt? Ohne beschlagene Brillengläser vom fruchtigen Dampf billigen Glühweins? Ohne den kitschigen Charme erzgebirgischer Volkskunst? Ohne die menschliche Nähe in den engen Gässchen aus ramponierten Holzhütten? Nein, es wäre nicht dasselbe. Kaum vorstellbar, dass die meisten Nationen dieser Welt das Weihnachtsfest ohne diese unverzichtbare deutsche Tradition begehen müssen. Immerhin die Bürger der nordjapanischen Stadt Sapporo können aufatmen: Bereits zum dritten Mal organisiert der Internationale Messe- und Ausstellungsdienst (IMAG), in der die Messe München ihr Auslandsgeschäft bündelt, hier dieses Jahr einen Weihnachtsmarkt. Nach bester bayerischer Tradition versteht sich.
Zwar ist der kleine Markt im viel frequentierten Odori-Park nicht gerade der größte Umsatzbringer der IMAG. Aber immerhin schreibt Nikolaus Wollmann schwarze Zahlen mit den 30 Hütten, die er dort vermietet. "Hiervon akquirieren wir rund 20 Teilnehmer, weitere 10 kommen aus Japan", sagt der IMAG-Deputy-Managing-Director. Sein Ziel ist es, 50 Hütten an den Mann zu bringen. Immerhin 5000 EUR müssen Interessierte auf das IMAG-Konto überweisen, wenn sie ihre Waren den rund 300 000 kaufkräftigen Besuchern der 1,8 Mio. Einwohner zählenden Metropole präsentieren wollen.

Sapporo ist die Partnerstadt Münchens und schon im Rahmen der Olympischen Spiele haben sich die Japaner für den Weihnachtsmarkt auf dem Marienplatz begeistert. Jetzt ist der Weihnachtsmarkt eines der Aushängeschilder, wenn es um das Verhältnis von Japanern und Deutschen geht. Ein Verhältnis, das allseits als gut und unproblematisch beschrieben wird. Allerdings, räumt Kerstin Teicher, Geschäftsführerin beim Deutsch-Japanischen Wirtschaftskreis in Düsseldorf ein, sei das Image der Deutschen in Japan eher langweilig. "Deutschland und Japan, das ist wie ein altes Ehepaar, das eigentlich keine Probleme miteinander hat", sagt Teicher, "das sich aber auch nicht mehr so viel Mühe miteinander gibt."
Dentsu, Japans renommierteste Werbeagentur, hat erst kürzlich in einer Studie aufgezeigt, dass Deutschland seinen europäischen Nachbarn in Sachen Image gewaltig hinterherhinkt. So kommt Europas bevölkerungsreichstes Land auf der japanischen Attraktivitätsskala hinter Frankreich, Italien und Großbritannien nur auf den vierten Rang. Japaner verbinden Deutschland mit Fleiß, Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit. "Das Land wird als eine Art strebsamer Student gesehen", sagen die Autoren von Dentsu. "Was ihm im Vergleich mit den europäischen Nachbarn fehlt, ist Spaß und Eleganz." Vor allem bei Frauen und bei jungen Menschen fällt Deutschland zurück, bei den älteren technikinteressierten Herren, schneiden die Deutschen hingegen besser ab.

Die Bundesregierung will das spröde Deutschlandimage jetzt ändern und hat für 2005 und 2006 ein Veranstaltungsjahr "Deutschland in Japan" ausgerufen. Entsprechend wollen das Auswärtige Amt, die Japaninitiative im Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, die Deutsche Industrie- und Handelskammer in Japan und das Goethe-Institut mit einer japanweiten Medieninitiative reagieren: Deutschland soll von April 2005 bis März 2006 in den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft, Sport und Tourismus an Kontur gewinnen. Die konkreten Ziele der 300 Veranstaltungen in dieser Zeit sind:
• Die Darstellung der Attraktivität Deutschlands, besonders im Bereich Lifestyle, Design, Mode und Konsumgüter
• Die Präsentation Deutschlands als technologisch führendes Land in Europa und als Wissenschaftsnation mit hohem Potenzial
• Die Profilierung Deutschlands als interessantes Reiseland und als attraktiver Studienstandort

Vor allem auf die Messe Frankfurt kann die Bundesregierung bei ihrem ehrgeizigen Programm zählen. Mit der Exhibition Micromachine, der Style Asia, der Beautyworld Japan, der Interior Lifestyle, der Open Network Automation System Expo, der Thermotec und der Ippex hat sie gleich sieben Veranstaltungen in Japan im Programm. Aushängeschild ist die Interior Lifestyle, in der die Frankfurter ihr Konsumgütergeschäft im Land der aufgehenden Sonne bündeln. Offenbar mit Erfolg: Die Kombination aus Ambiente Japan, Heimtextil Japan, und Home Design Japan lockte im Juni 518 Aussteller ins Messezentrum Tokyo Big Sight. Verglichen mit dem Vorjahr bedeutet dies nach Messeangaben ein Wachstum von 60 %.
Daten, die allem Anschein nach auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit überzeugt haben. So hat die Messe Frankfurt vor Kurzem die Zusage auf finanzielle Unterstützung für die Sonderschau "German Living" auf der Interior Lifestyle erhalten. Vom 8. bis 10. Juni 2005 präsentieren die Frankfurter nun alles, was hip, frech, stylisch und natürlich made in Germany ist, auf einem eigenen Areal innerhalb der Messe: Junge Designtalente zeigen ihre Exponate, eine Werkstatt führt ihr traditionelles Können vor und auch die "deutsche Weihnacht" soll eine bedeutende Rolle spielen. Schließlich sollen nicht nur die Bürger Sapporos an der berühmten "German Gemütlichkeit" teilhaben.

Die Initiative der Bundesregierung kommt zu einem günstigen Zeitpunkt. Galt der japanische Markt über Jahre hinweg als wachstumsschwach und war wie der deutsche durch Konsumzurückhaltung geprägt, so geht es jetzt wieder aufwärts mit der Wirtschaft Nippons. So legte das Bruttoinlandsprodukt im Fiskaljahr 2003/2004 um real 3,2 % gegenüber dem Vorjahr zu. Die Entwicklung war vorrangig durch das gute Exportgeschäft mit China getrieben. Viele Wirtschaftsexperten bleiben aber nach wie vor kritisch, was die Entwicklung des Landes betrifft, und weisen darauf hin, dass das Deflationsgespenst noch nicht nachhaltig vertrieben worden sei, auch wenn sich der Preisverfall mittlerweile abgeschwächt habe.
Einig sind sich die Experten dabei, dass Japan generell ein interessanter Markt für deutsche Produkte ist. "Japan ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und die Japaner sind durchaus bereit, für hochwertige Produkte mehr zu bezahlen", sagt Jürgen Dirkes von ECOS Japan-Consult in Osnabrück. Und Japanexpertin Teicher zeigt auf, dass der halbe Markt ganz Asiens nach wie vor in Japan liegt. Vor allem die hohen Kosten für den Markteintritt schrecken allerdings viele deutsche Unternehmen ab, diesen kaufkräftigen Markt zu beackern. Teicher kennt das Problem, weist aber darauf hin, dass "die Margen in Japan höher sind und damit die höheren Distributionskosten ausgeglichen werden können."
Allerdings brauchen Unternehmer einen deutlich längeren Atem, um in Japan erfolgreich zu sein. Dirkes: "Geschäfte werden hier nicht so schnell abgeschlossen, man plant langfristiger und setzt stark auf den persönlichen Kontakt." Teicher stimmt zu: "Die persönliche Ansprache ist außerordentlich wichtig, leider fehlt vielen deutschen Unternehmen die entsprechende Kundenorientierung." So sei es ratsam, sich im Vorfeld mit der japanischen Kultur und den Gepflogenheiten des Landes auseinander zu setzen. Zudem sollte man einen Dolmetscher hinzuziehen und seine Achtung vor dem Gesprächspartner durch einen Geschäftsbericht in japanischer Sprache zum Ausdruck bringen. "Das schafft Vertrauen", sagt Teicher.

Aber auch die Produkte müssen auf den japanischen Markt zugeschnitten werden. Das gilt zum Teil für das Produktdesign, aber noch mehr in der Ansprache des Konsumenten. So ist Japan noch stärker als Deutschland von der Überalterung der Bevölkerung betroffen: Bereits heute sind 50 Millionen der 128 Millionen Japaner über 50 Jahre alt, in 20 Jahren werden es 60 Millionen sein. Zwar haben die Best Ager meistens ein volles Konto, doch wer dieses mit seinen Produkten anzapfen will, muss auch passgenaue Ware für die Graumelierten liefern. Gefragt sind laut Teicher beispielsweise medizinische Produkte und gesundheitsfördernde Lebensmittel.

In die Öko-Lücke stieß vor drei Jahren die NürnbergMesse mit der BioFach Japan, die auf dem gleichen Konzept beruht, wie die Veranstaltung in Bayern. Während die Ausstellerzahlen zunächst in den Keller gingen, konnte die Messe 2004 mit 173 Ausstellern wieder deutlich zulegen. "Das wird auch nicht die letzte BioFach in dieser Hemisphäre sein", kündigt Peter Ottmann, Pressesprecher der NürnbergMesse wolkig an. Gerade in Japan gilt das Messegeschäft als haarige, zeitraubende Branche. Zwar gehen Japaner gerne und ausgiebig auf Messen, das Messegeschäft ist aber fest in den Händen von Fachverbänden; die Messen selbst vermieten größtenteils lediglich die Hallen. Entsprechend müssen ausländische Messeunternehmen, die in Nippon punkten wollen, sehr viel Zeit und Ausdauer mitbringen. Oder sie verfügen über eine Kernkompetenz, die japanische Unternehmen einfach nicht bieten können. Bayrische Weihnachtskompetenz zum Beispiel. Markus Ridder

m+a report Nr.8 / 2004 vom 08.12.2004
m+a report vom 8. Dezember 2004