Heute Voraussetzungen für erfolgreiches Business legen

Nach vier Jahrzehnten der Abschottung: Indien öffnet sich und ist - wie China - jetzt einer der asiatischen Wachstumsmärkte par excellence.

Euphorie beflügelt die Wirtschaft. Indien ist auf dem Sprung. Der Subkontinent könnte in wenigen Jahren in den Kreis der entwickelten Länder aufsteigen. "Erst Anfang der 90er Jahre hat Indien seine Märkte vorsichtig geöffnet, nachdem die Wirtschaft vier Jahrzehnte lang abgeschottet und in Autarkie geübt hatte. Daher ist Indien ein Land, das sich (noch) hinter anderen großen Wirtschaftsnationen immer nur in der zweiten Reihe, eher der dritten, aufstellt, obgleich es mit 1,1 Mrd. Menschen die zweitgrößte Nation auf unserem Planeten bildet und mit fast 3,3 Mio. km2 der Fläche der gesamten EU entspricht", weiß Ingo Klöver, planetfair, Hamburg, der seit zwei Jahren in Indien aktiv ist und die CIDEX vertritt, das indische Joint Venture der Messe Düsseldorf und der Koelnmesse. Zwar kämpfe Indien mit den Problemen, die die Überbevölkerung mit sich bringe, die "riesige Mitelschicht aber ist auf dem Weg, Bedürfnisse und Ansprüche zu entwickeln, die westlichen Attributen entsprechen". Der steigende Wohlstand dieser Schicht, deren Anteil an der Bevölkerung pro Jahr um rund 15 % wächst, ist allerorten zu sehen: Viele Städter leisten sich einen Motorroller, die Zahl der Handy-Nutzer schnellte 2003 um 170 % auf 28 Millionen hoch und wird sich wohl in diesem Jahr auf 56 Millionen verdoppeln. "In manchen Regionen gibt es mehr Fernseher als Toiletten", weiß Klöver, "in jedem dritten Haushalt steht ein TV-Gerät. Auch wenn das Konsumniveau der Inder gern zu statistischen Zwecken unterschätzt wird, hat das National Council of Applied Economic Research (NCAER) festgestellt, dass Indiens Mittelschicht bis zum Jahre 2007 auf 430 Mio. Menschen anwachsen wird."

Egal ob im Konsumgütersektor oder in der Investitionsgüterindustrie - Indien könnte sich in den nächsten Jahren zu einem riesigen Absatzmarkt entwickeln. Da auch die Inder nicht in der Lage sind, sämtliche Produkte in der benötigten Qualität selber herzustellen, ist es wie jedes andere Land auch auf Waren und Dienstleistungen aus anderen angewiesen. Daher sind Messen zu allen Themenbereichen wichtig. "Ähnlich wie China ist Indien ein riesiger Binnenmarkt und hat in den vergangenen Jahren eine enorme Metamorphose durchgemacht", konstatiert auch Werner Matthias Dornscheidt, Chef der Messe Düsseldorf. "Mehr und mehr Käufer und Verkäufer wechseln von den melas, den traditionellen indischen Marktplätzen, auf anspruchsvolle Handelsplattformen, um Geschäfte auf nationaler und internationaler Ebene zu akquirieren." Durch die Öffnung vieler Wirtschaftsbereiche, die vorher durch staatlichen Schutz für ausländische Unternehmen quasi als Tabubereiche galten, wurde das Betätigungsfeld für Messeveranstalter erheblich ausgeweitet.
Dornscheidt will nicht verschweigen, dass die Entwicklung des indischen Messewesens als Spiegelbild der allgemeinen wirtschaftlichen Reformprozesse nicht im "gewünschten Eilzugtempo", wie etwa in China, verläuft. "Internationale Messen im Sinne eines globalen Anspruches haben in Indien derzeit keine Bedeutung", sagt er und fügt hinzu: "Ich sehe den indischen Markt mehr und mehr auch auf die südost- und südasiatische Wirtschaftsregion ausstrahlen. Für die Messen hat dies sowohl auf der Anbieter- als auch auf der Nachfrageseite Bedeutung. In erster Linie besuchen Fachbesucher aus diesen Regionen Messen in Indien." Vor diesem Hintergrund habe das indische Messewesen ein sehr großes Potenzial, das sich aber erst in einigen Jahren voll entfalten werde.

Fast schon ein alter Hase im indischen Messegeschäft ist die Messe München, die über die Tochtergesellschaft IMAG - Internationaler Messe- und Ausstellungsdienst dort bereits seit 1955 Messen und Messebeteiligungen im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft veranstaltet, darunter Beteiligungen 1955 in Neu-Delhi, 1962 in Madras sowie 1983 in Neu-Delhi und 1988 die deutsche Industrieausstellung Technogerma India in Neu-Delhi.
"Darüber hinaus finden seit dem Jahr 2000 regelmäßig eigene Veranstaltungen der Messe München in Zusammenarbeit mit der IMAG statt", sagt Manfred Wutzlhofer und zählt auf: "Im Bereich Elektronik die Componex/Electronica India (seit 2000), für den Bereich Transport/Logistik die Transport India (seit 2000), für die Bauwirtschaft die Baucon India (seit 2002) und den Bereich Biotechnik die Analytica Anacon (seit 2003)." Insbesondere die Veranstaltungen im Bereich Elektronik und Analytik hätten sich erfolgreich entwickelt. So sei die Componex/Electronica im Jahr 2003 aufgrund der großen Flächennachfrage von Bangalore nach Neu-Delhi verlegt. Das Ganze sei keine Einbahnstraße, so der Vorsitzende der Geschäftsführung der Messe München. "Auch Fachmessen in Deutschland sind attraktiv für die indische Wirtschaft. Im Durchschnitt der vergangenen vier Jahre haben jährlich über 100 Aussteller sowie rund 750 Besucher an Fachmessen in München teilgenommen." Die Interessensschwerpunkte auf Ausstellerseite: Schmuck und Uhren, Sportartikel sowie Elektronik. Auf Besucherseite: Bauwirtschaft, Keramik, Elektronik, Laser, Analytik, Getränketechnologie, Schmuck und Uhren sowie Sportartikel.

Mit der Durchführung von Bundesbeteiligungen machte auch die Messe Düsseldorf in den 80er Jahren erste Schritte auf dem Subkontinent, bevor sie sich entschloss, sich 2001 mit der Koelnmesse zu einem Joint Venture zusammenzutun und begann, eigene Produkte im Markt zu entwickeln. In der CIDEX Trade Fairs PvT. Ltd. Haben sich somit zwei Messegesellschaften mit großem Renommee zusammengeschlossen. "Aufgrund der Unterstützung und der langjährigen Erfahrung der beiden deutschen Partner verfügt CIDEX sowohl über ein ausgesprochen gutes Kontaktnetz zu internationalen Verbänden aus Industrie, Handel, Dienstleistungen und weiteren Organisationen als auch über enge Verflechtungen zu den internationalen Auslandsvertretungen und Tochtergesellschaften der Messen Düsseldorf und Köln", betont Dornscheidt.

"Den Weg in den prosperierenden indischen Markt gehen deutsche und europäische Unternehmen am besten über Messen. Für viele Unternehmen ist die Teilnahme die erste Begegnung mit den Menschen und den Möglichkeiten. Messen vor Ort, die ein vertrauter Dienstleister verantwortet, bieten gute Chancen, sich mit den Anforderungen und Besonderheiten des neuen Marktes auseinander zu setzen und gleichzeitig Fehler möglichst zu vermeiden", erklärt Jochen Witt, Chef der Koelnmesse, die bereits fünf Veranstaltungen auf dem Subkontinent organisiert. Zuletzt wurde die International Foodtec India 2004 nach dem Vorbild der Kölner Leitmesse Anuga Foodtec mit Erfolg durchgeführt. Im Dezember wird zum ersten Mal die World of Food China im südindischen Hyderabad stattfinden."Indien ist weitaus schwieriger zu begreifen als China", weiß Michael von Zitzewitz, Chef der Messe Frankfurt, die seit 1998 dort mit einem Tochterunternehmen präsent ist. Mit der Automechanika fand 1999 die erste Messe vor Ort statt, die für 2005 wurde gerade gecancelt. "Wir sind froh, dass wir mit der Heimtextil India eine Messe haben, die auf sicheren Füßen steht", sagt er mit Blick auf den indischen Markt.

Noch in der Sondierungsphase ist die Deutsche Messe AG, Hannover. Sven Prüser, dort für das Auslandsgeschäft zuständig, ist sicher, dass "wir im nächsten Jahr die ersten konkreten Aktivitäten zumindest annoncieren werden." Das müssen nicht unbedingt Veranstaltungen sein. "Es gibt in Indien eine Reihe von Projekten zur Realisierung von neuen Messegeländen. Bei verschiedenen der Akteure haben wir uns als Consultants in die Diskussion gebracht beziehungsweise wurden gebeten, uns als solche zur Verfügung zu stellen", berichtet Prüser. Andererseits wird die Deutsche Messe AG "wahrscheinlich an verschiedenen Standorten und in Kooperation mit bewährten Partnern in die Durchführung von Messen vor Ort einsteigen: Die Interkama India werden wir nach derzeitigem Stand in Kooperation mit der Messe Düsseldorf respektive der CIDEX durchführen. Die Details sind aber noch nicht definiert", betont Prüser.

Hilfestellungen für Unternehmen, die auf dem Subkontinent ausstellen wollen, bieten alle Messegesellschaften an. Neben den klassischen Service-Tools gibt Ingo Klöver Tipps im Umgang mit der lokalen Wirtschaft, die man, wie er sagt, als "recht spezifisch" bezeichnen kann. "So ist zum Beispiel das Interesse eines Inders am geschäftlichen Abschluss während der Gespräche nicht immer ersichtlich. Wenig offentlichtliche Begeisterung ist aber nicht gleichzusetzen mit mangelndem Interesse. Es ist nicht unhöflich, schnell zur Sache zu kommen, lange Umwege zum Kern der Verhandlungen sind in der Regel nicht vonnöten."
Noch sehr unterschiedlich zu bewerten ist die Qualität der Messegelände. Außer dem neuen Hitex in Hyderabad, das in puncto Sauberkeit und Funktionalität internationalen Standards genügt, ist Indien hinsichtlich der Infrastruktur und der Gelände ein Entwicklungsland. "Aber", so Ingo Köver, "das Anspruchsdenken in Indien entwickelt sich rasch."

m+a report Nr.8 / 2004 vom 08.12.2004
m+a report vom 8. Dezember 2004