Offen und geschlossen zugleich

Transparente Materialien erfüllen die scheinbar konträren Wünsche nach Einsehbarkeit und Abschirmung auf dem Messestand. Licht setzt zusätzlich Akzente.

Messestände sollen offen, einladend, überschaubar und freundlich aussehen. Oft sind aber auch abgeschirmte Zonen nötig, in denen ungestörte Kundengespräche geführt werden können. Ein transparentes Baumaterial wie Glas oder Acrylglas ermöglicht gleichzeitig Offenheit und Abgeschirmtheit. Durch Färbungen oder Hinterleuchtungen lassen sich dazu noch Designeffekte erzielen, die bestimmend für die Atmosphäre am Stand sind.

Ein Beispiel für einen gläsern-offenen und gleichzeitig durch Jalousien abschirmbaren Stand ist das Waskönig-Konzept für "Smarthouse" auf der ISH 2003 in Frankfurt. Das Projekt wurde von Modul International, Neuss, aus einem Aluminiumsystem mit Wandfüllungen aus einem Polycarbonatmaterial (B1-Qualität) umgesetzt. Teilweise wurde die Lamellenkonstruktion mit Ätzfolie belegt. Wegen seiner Flexibilität, der Montagefreundlichkeit und des modernen Designs wurde das Modulsystem herangezogen.
Was war der Grundgedanke des Konzepts für ein derartiges gläsernes Haus als Messestand? "Die Aufgabenstellung des Kunden (der Zentralverband für Sanitär, Heizung und Klima aus St. Augustin) war, die Gebäudetechnik in ein modernes Messestandkonzept zu integrieren", erklärt Stefan Godecki, Geschäftsführer von Waskönig Messebau, Essen. "Daraus ist das Smarthouse - dieser Begriff wurde übrigens geschützt - entstanden. Es ist eine lichtdurchflutete Raumanimation, mit Darstellung von modernster Produkttechnik aus den Bereichen EIB, Sanitär, Heizung und Klima." Der Stand wurde in dieser Form dreimal aufgebaut.
Durch die Verwendung von PR-Füllprofilen und das entsprechende Zubehör aus der Q-Profilserie von Modul, die bei diesem Stand als einem der ersten zum Einsatz kamen, wurde die Möglichkeit geschaffen, Glas zu integrieren. "Das Material hat genug Stabilität, um auch große Wandflächen mit Glas (wie verbaut) einzusetzen", so Norbert Giehl, Geschäftsführer von Modul International. "Da sowohl die Stützen als auch Zargen gleichermaßen als Querstrebe zur Verfügung stehen, schafft dies eine sehr gestalterische und optische Geradlinigkeit."

Was mit Glas in der Architektur alles machbar ist, zeigt die Internationale Glasfachmesse glasstec vom 9. bis 13. November in Düsseldorf. Transparent und begehbar präsentiert sich dabei als anschauliches Beispiel die Sonderausstellung glass technology live. Realisiert wird dieser "gläserne Pavillon" in Halle 11 von Stefan Behling, Leiter des Instituts für Baukonstruktion an der Universität Stuttgart und Partner im Londoner Architektenbüro von Sir Norman Foster. Die Sonderausstellung widmet sich auf über 2000 m2 den Einsatzmöglichkeiten von Glas - neben Fassaden wird ein Schwerpunkt erstmalig im Bereich Innenausbau liegen. Namhafte Architekten werden im Symposium über neueste, teilweise noch in Planung befindliche Projekte und Entwicklungen berichten.
Paul Neeteson, der neue Präsident der glasstec, sagt über diesen zukunftsträchtigen Baustoff: "Glas ist ein innovatives, unendlich vielseitiges Produkt. Wir haben noch längst nicht das Innovationspotenzial des Werkstoffs Glas und die Leistungsfähigkeit der Glashersteller, Glasbearbeiter sowie der Maschinen- und Ausrüstungshersteller ausgeschöpft."
HighTech ist im Innen- und Außenbereich zu finden. Spezialgläser ermöglichen erst die rasante Entwicklung in der Kommunikationstechnik, die überall eingesetzt wird: Displaygläser am Flachbildschirm sind nur ein Beispiel. Der Einsatz von innovativer Lasertechnologie, mit der sich Gläser trennen, gravieren oder schmelzen lassen, animiert Innenarchitekten bereits heute zu ganz neuen Designideen mit Glas. Räume werden mit verbautem Glas optisch erweitert. Gläserne Möbel schaffen ein besonderes, exklusives Ambiente. "Glas pur ist transparent, zerbrechlich und ewig, ein Spiegel der Seele", beschreibt Neeteson die psychologische Annäherung an den zeitlosen Baustoff.

Citizen Watch Europe nutzte die Vorteile von Glas auf der diesjährigen Inhorgenta in München. Hinterleuchtete Glasbausteinwände und eine Glasbaustein-Infotheke fügten sich stimmig in das symmetrische Standkonzept, konzipiert und umgesetzt von Concepto Internationaler Werbebau, Grevenbroich. Um eine Weltneuheit zu integrieren, befanden sich Durchbrüche mit Vitrinen in den Glasbausteinwänden. Die Form der neuen Uhr spiegelte sich in der ergonomischen Bodenform sowie der Aufstellungsformation der gebogenen Glaswände wider. Um ein hohes Maß an Transparenz, aber dennoch eine klare Grenzlinie zu erreichen, war der Baustoff Glas ideal. Durch die unterschiedliche Farbhinterleuchtung der Glaswände wurde zudem einerseits eine deutliche Flächenabgrenzung in das Konzept integriert und andererseits die Verschmelzung aller Farbkomponenten im vollständigen Standdesign erreicht.
Mit dem Material habe es keine Probleme gegeben, so Frank Mosdzien, Projektleiter bei Concepto mit seinem Team. "Schwierigkeiten entstehen lediglich dann, wenn die Längen, Höhen und Stärken der Glaswände nicht 100 % genau sind oder wenn die in das Betonfundament eingerüttelten Metallverstrebungen nicht exakt den vorgegebenen millimetergenauen Radius besitzen." Einer Wiederverwendung des Standes stehe nichts im Wege, allerdings fallen dann einige Kosten für die Anfertigung von Transportkisten, spezielle Transporte sowie Handling- und Lagerkosten an.

Vom hohen Gewicht abgesehen hat echtes Glas einen entscheidenden Vorteil gegenüber Acrylglas: Es verkratzt nicht und wirkt immer edel. Auch der vielfache Einsatz kann dem Material kaum etwas anhaben. Dafür muss für die Bearbeitung ein Glaser herangezogen werden, wogegen sich Acryl vom Messebauunternehmen leicht selbst verarbeiten und auch verformen lässt, erklärt Klaus Zittrich, Geschäftsführer von Complexx Messe- und Ausstattungsbau, Gelsenkirchen. So sind außer Wänden auch amorphe Objekte formbar, wie zum Beispiel so genannte Cocoons. Diese Gebilde wurden bereits mehrfach erfolgreich für das Pharmazieunternehmen Novartis eingesetzt.
Zudem sind aus Acryl wegen der Bruchsicherheit große Flächen lieferbar, die Angebotspalette lässt keine Wünsche offen: "Es gibt heute beinahe alle Farben des Regenbogens sowie auch opake Materialien, die von hinten angestrahlt eine homogen leuchtende Oberfläche erzeugen. Die Beleuchtung ist bei einem gläsernen Stand eine besondere Herausforderung, da sich sehr wirkungsvolle Effekte erzielen lassen."
Für den Tür- und Fenstertechnikspezialisten Winkhaus hat Complexx auf der Bau in München alle diese Vorteile genutzt und einen gläsernen Kubus konzipiert und realisiert. Der Messestand war ein echter Hingucker. Trotz der massiven Bauweise wirkte er durch seine Transparenz offen und einladend. Der scheinbare Widerspruch von Ruhe- und Beratungszonen löste sich durch eine durchdachte Architektur. Für die Acrylglasscheiben hatte Complexx eigens ein Stützensystem entwickelt. "Mit den heute erhältlichen transparenten Materialien kann man wunderbar spielen. Ein flexibles Material, mit dem sich auch die Corporate Identitys der Kunden in vielen Farbwelten überzeugend akzentuieren lassen", resümiert Zittrich.

"Plexiglas kommt mit seiner Vielfalt sowohl dem Wunsch nach Offenheit als auch dem nach Abschirmung entgegen", heißt es im selben Tenor auch aus dem Hause Degussa Plexiglas, Darmstadt. "Plexiglas ist hoch transparent. Selbst Glas hat eine geringere Lichtdurchlässigkeit, erst recht andere Kunststoffe. Nichts behindert den Blick. Die besondere Farblosigkeit gibt dem Material gleichzeitig eine ganz spezielle Brillanz. Auch mit transparent eingefärbten Plexiglassorten kann diese Durchsichtigkeit erzielt werden."
Im Trend liegt aber laut Degussa etwas ganz anderes: Plexiglas Satinice und Plexiglas Struktur geben Messeständen eine sehr spezielle Note. Sie sind hoch lichtdurchlässig, sorgen also für viel Helligkeit und Freundlichkeit. Gleichzeitig lassen diese beiden Produkte aber Blicke nicht ungehindert durch. Der Betrachter ahnt, was hinter der Scheibe ist, kann es aber nicht genau sehen. Dadurch wird eine sehr reizvolle Semitransparenz erzielt, die das Interesse des Betrachters anzieht und dem Messestand räumliche Tiefe gibt.

Raum - und eine besonders individuelle Präsentation - schafft auch der Einsatz von Holografien, wie ihn sax3d.com aus Chemnitz beispielsweise anbietet. HOPS. (Holografisch-Optische ProjektionsScheiben) sind transparente und rahmenlose Bildflächen, die besser - und auffälliger - als Monitore den Stand mit Leben füllen können. HOPS. sind geeignet zur Großbildwiedergabe auch bei Tageslicht oder direkter Scheinwerfereinstrahlung. Das Herzstück ist ein hoch auflösender Holografiefilm, der mittels umfangreicher Lasertechnologie behandelt und wahlweise in Glas oder auf Acryl laminiert. Spiel mit Licht und Farbe, Ornamenten und ganzen Bildern gibt dem Architekten Raum zur Gestaltung.

m+a report Nr.7 / 2004 vom 27.10.2004
m+a report vom 27. Oktober 2004