Keine Angst vor Kannibalismus

Dass Messeexporte nach Asien den Leitmessestandort Deutschland gefährden, befürchtet kein Veranstalter hierzulande. Doch über längerfristige Auswirkungen der Expansion gibt es unterschiedliche Meinungen.

Wilhelm Giese, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Düsseldorf, ist davon überzeugt, dass "die regionalen Leitmessen in Asien den Weltleitmessen am Standort Düsseldorf weder mittel- noch langfristig den Rang ablaufen werden". Sie brächten die Weltleitmessen nach vorn, "Kannibalisierungseffekte" seien in aller Regel ausgeschlossen. Die Messe Essen agiert hingegen etwas vorsichtiger: Alle vier Jahre, wenn in Essen die Leitmesse "Schweissen & Schneiden" durchgeführt wird, setzt in Asien die Messe "Beijing Essen Welding" aus.
Für die NürnbergMesse formuliert es Pressesprecher Peter Ottmann deutlich: "Wir gehen von einer kontinentalen Teilung der sogenannten internationalen Leitmessen aus". Künftig werde es eine europäische Leitmesse, eine (nord-)amerikanische und eine asiatische Leitmesse geben. Allerdings müsse damit nicht zwangsläufig eine Schwächung der jeweiligen Messe in Europa verbunden sein.

"Die Frage nach dem Standort von Leitmessen stellt sich immer wieder neu", sagt Gotthard Graß, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) e.V.. Damit äußert sich der Verbandsmann differenzierter als die meisten Veranstalter, wird er nach der möglichen Kannibalisierung durch den Export von Messebrands gefragt. Denn: "Messen können nicht einfach die Leitfunktion der Märkte übernehmen." Graß kritisiert gar die mangelnde Aufgeschlossenheit mancher deutscher Veranstalter im Ausland. Man könne nicht einfach die deutschen Brands ins Ausland übertragen, sondern müsse sich auch aktiv um dortige einheimische und führende ausländische Aussteller beispielsweise aus Japan oder den USA bemühen, um den jeweiligen Markt realistisch abzubilden. Hier gebe es deutlichen Nachholbedarf, denn auch im Ausland gelte 'all business is local'. Und dazu gehöre eine bessere Verzahnung deutscher mit den Konzepten chinesischer Veranstalter. Die Entscheidung für ein eigenes Gelände der drei deutschen Messegesellschaften München, Düsseldorf und Hannover in Kooperation mit Chinesen in Shanghai habe sich bewährt. Grundsätzlich gelte aber, dass man für deutsche Messen "keinen eigenen Beton" haben müsse. Vielmehr sei Messemobilität am Markt besonders wichtig.

Seit Jahren boomt das Auslandsmessegeschäft deutscher Veranstalter. Beruhigt haben sich im Großen und Ganzen Länder und Städte, die anfangs als kommunale Eigentümer hausgemachte Konkurrenz für die mühsam gezüchteten Leitmessen in Deutschland und die damit einher gehenden Sekundäreffekte befürchteten. Doch derart negative Effekte sind den Angaben der Veranstalter zufolge bisher ausgeblieben. Als Wegbereiter und Wegweiser darf die CeBIT gelten, die heute nicht nur als Leitmesse in Hannover, sondern mit ihren Ablegern in China, Australien, der Türkei und seit der Premiere 2003 der CeBIT america in New York erfolgreich agiert. "International Branding" heißt das Prinzip der Deutschen Messe AG. Es sei nicht nur ein Engagement in Richtung Ausland, sondern schaffe eine Reihe von positiven Rückwirkungen auf den Messeplatz Hannover und seine Leitmessen. Dort habe die CeBIT dadurch neue Kunden gewinnen können. Für die Frankfurter sei die durch das Auslandsgeschäft induzierte wachsende Internationalität gerade in wirtschaftlich instabilen Zeiten ein wichtiger Faktor für die Messen. So will die Messe Frankfurt ihre Brandstrategie im Ausland konsequent fortsetzen.

Die Messe München verfolgt mit ihrem Auslandsengagement eine Kundenbindungsstrategie. Wie Manfred Wutzlhofer, Vorsitzender der Geschäftsführung, betont, "haben wir bisher die Erfahrung gemacht, dass unsere internationalen Leitmessen in München auch von den Veranstaltungen im Ausland profitieren, da dort neue Aussteller- und Besucherpotenziale erreicht werden". Beispiele für die Wechselwirkungen seien im Elektronikbereich die Leitmessen Electronica und Productronica mit ihren Ablegern in Hongkong, Shanghai und Neu Delhi. Die Strategie der deutschen Großmessen heißt aber auch ganz klar, jetzt die Messemärkte der Zukunft zu bedienen und zu sichern.

So kann Singapur mit 44 internationalen Messen laut Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V. (AUMA) aufwarten. Die ambitionierten Pläne des Landes, als asiatischer High-Tech-Standort Messezentrum Asiens zu werden, konnten seit der Eröffnung des Singapore International Convention & Exhibition Centre im August 1996 nicht realisiert werden. Gleichwohl findet dort eine Anzahl wichtiger Fachmessen statt, die nicht nur von Reed Exhibitions und einheimischen Unternehmen, sondern auch von deutschen Veranstaltern konzipiert sind. Die Deutsche Messe AG liegt mit der "Biotechnica Asia" gut im Rennen. Mit der "Essen Welding Fair Asia" tritt die Messe Essen auch in Singapur auf. Für die Düsseldorfer zählen Malaysia, Singapur und Thailand neben China und Indien zum dritten asiatischen Kernmarkt. Die 15 Mitarbeiter der Messe Düsseldorf Asia Pte. Ltd. in Singapur organisieren Veranstaltungen in verschiedenen südostasiatischen Staaten, darunter die nationale "T-PLAS International Plastics and Rubber Trade Fair" im thailändischen Bangkok sowie die "HOSPIMedica Asia" mit rund 200 Ausstellern und die "OS+H Asia - Occupational Safety + Health Exhibition & Conference" in Singapur mit rund 70 Ausstellern und knapp 4000 Besuchern.

Singapur ist auch Sitz einer Frankfurter Tochtergesellschaft. Von hier aus werden die Fäden für die "Automechanika Asia" in Malaysia gezogen, die Mitte November im Putra World Trade Centre in Kuala Lumpur ihre Tore öffnete. Während die Messe Frankfurt in Busan/Süd-Korea die "Korea Railways & Logistics Fair" und 2004 als Mai-Premiere die "Seoul International Consumer Goods Fair" organisiert, ist München in Nord-Korea mit der "Pyongyang ITIE, 3rd International Technology & Infrastructure Exhibition" am Markt. In Indien feierten die Essener Anfang 2003 die erfolgreiche Premiere der "Essen Welding India". Für 2005 ist in Hyderabad die zweite Auflage geplant. Die Messe München schickt in 2004 drei Veranstaltungen in Neu Delhi ins Rennen: die Messen "Componex/Electronic India", "Baucon India" und "Transport India". Die CIDEX - Cologne India Düsseldorf Exhibition, ein Joint-Venture der Messen Düsseldorf und Köln, hat sich in kurzer Zeit zum führenden privaten Messeveranstalter in Indien entwickelt. Und P. E. Schall, Frickenhausen, hat für Februar kommenden Jahres die neue "Control India" in Cimbatore angekündigt.

Nur wenige Eigenveranstaltungen "Made in Germany" hingegen finden sich noch in Japan. Zu den Highlights zählt die "BioFach" in Tokyo der Nürnberg Global Fairs GmbH. Stärker engagiert sich die Messe Frankfurt. Sechs Messen stehen 2004 auf dem Programm, darunter die "Beautyworld" und - unter der Dachmarke Interior Lifestyle - vom 23. bis 25. Juni im Tokyo International Exhibition Center, Big Site, die "Heimtextil Japan", "Ambiente Japan" und "Home Design Japan". An über 1000 Veranstaltungen, von denen nur ein geringer Teil internationale Relevanz hat, beteiligen sich in Japan jährlich etwa 100000 Aussteller. Wolf-Dietrich Groß

m+a report Nr.8 / 2003 vom 10.12.2003
m+a report vom 10. Dezember 2003