Deutschland sitzt in China fest im Sattel

Mit Know-how aus Hannover, Düsseldorf und München soll Shanghai zur Messehauptstadt der Volksrepublik werden.

China erwartet in den kommenden fünf Jahren ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 7 % bis 8 %. Schon 2015 könnte die Volksrepublik China die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt sein. Von den 185 Mrd. EUR asiatischen EU-Exporten in 2002 gingen mit 34 Mrd. EUR bereits über 18 % in die Volksrepublik. Für die deutsche Wirtschaft entspringt das Interesse am chinesischen Markt allerdings weniger aus dem derzeitigen Exportvolumen, als aus der wachsenden Dynamik. Dass die Chinesen mit Erfolg stetes Wirtschaftswachstum produzieren, belegen auch andere Zahlen. Nach Schätzungen der Welttourismusorganisation (WTO) wird China im kommenden Jahrzehnt zum größten Tourismusland der Welt avancieren. Teilhaben am Wirtschaftsboom wollen viele.

Nüchternes Kalkül deutscher Messegesellschaften ist also das Engagement in Shanghai, dem wichtigsten chinesischen Wirtschafts- und Finanzzentrum mit 15 Mio. Einwohnern. Der Einsatz für das Shanghai New International Expo Centre (SNIEC) sprengt den bisherigen Rahmen deutscher Messeaktivitäten im Ausland. Die Deutsche Messe AG, Messe Düsseldorf und Messe München als Joint-Venture-Partner der chinesischen "Shanghai/Pudong Land Development Corporation" (SPLDC) haben gemeinsam bereits 75 Mio. USD in bauliche Maßnahmen investiert. Anfang 2004 werden sieben Messehallen, die westeuropäischen Standard bieten, und rund 78 000 m2 Hallenfläche zur Verfügung stehen. Für die weiteren vertraglich vereinbarten zehn Messehallen gibt es derzeit noch keine konkrete Planung. Den Takt dafür gibt der chinesische Partner vor.

2002 und 2003 wurden auf dem neuen Gelände insgesamt über 80 Messen veranstaltet, davon rund ein Drittel unter der Ägide des deutschen Messe-Trios. Ohne die zweimonatige Schließung des Geländes wegen der Lungenkrankheit SARS wäre die Bilanz kompakter ausgefallen. Allein im kommenden Jahr soll die Zahl auf bis zu 50 ansteigen. Das deckt sich mit dem erklärten Wunsch von Zentral- und Stadtregierung, Shanghai zur "Messehauptstadt" der Volksrepublik zu entwickeln. Das neue Messegelände liegt in einer Sonderwirtschaftszone, was zu Erleichterungen in Zollfragen führt. Der Start der Transrapid-Verbindung zwischen der Stadt Shanghai und dem internationalen Flughafen Pudong zum Jahreswechsel gilt als bedeutende infrastrukturelle Stärkung der Region.

Die drei Investoren der German Exposition Corporation (GEC) setzen in Shanghai neue Maßstäbe. Den Erfolg sieht Wilhelm Niedergöker, Geschäftsführer der Messe Düsseldorf GmbH und Chairman des Board of Directors der Messe Düsseldorf China Ltd., in der spezifischen Arbeitsteilung: "Während die deutschen Messegesellschaften über die GEC das Messe-Know-how und ihre Kontakte zu internationalen Verbänden in die Kooperation einbringen, erfüllt die SPLDC in erster Linie zwei Funktionen: Zum einen dürfen Ausländer nach wie vor in China kein Land erwerben, so dass SPLDC die Landnutzungsrechte sichert. Auf der anderen Seite tragen deren sehr gute örtlichen Kontakte zum Erfolg des Investments bei." Die deutschen Partner haben sich untereinander vertraglich abgesichert: Themenschutz für die einzelnen Veranstaltungen ist garantiert.

Für die Themen aus der Rheinstadt ist die Messe Düsseldorf China Ltd. mit Sitz in Hongkong und Büros in vier chinesischen Städten einschließlich Shanghai zuständig. 1999 gegründet, beschäftigt das Unternehmen heute 26 chinesische Mitarbeiter, die neben Marktforschung, Vertrieb und Service vor allem für das Projektmanagement der Veranstaltungen verantwortlich sind. Mit China bedienen die Düsseldorfer einen ihrer drei asiatischen Kernmärkte. Es sei erklärtes Ziel, vor dem Hintergrund selbst gesteckter hoher Qualitätsansprüche und -standards ausgewählte Märkte mit großem Einsatz und viel Energie zu erschließen, betont Kommunikationschef Ingo Lentz. Düsseldorf präsentiert 2004 in Pudong sieben Messen, darunter mit "wire China", "Tube China", "China International Retail Conference and Expo" sowie der "China Occupational Safety and Health" vier Premieren. Als wichtiges Branchenevent mit 480 internationalen Ausstellern und knapp 40 000 Besuchern positionierte sich die Neuveranstaltung "All-in-Print China 2003" eindrucksvoll. 2006 wollen 80 % der Aussteller mehr Fläche mieten. Die Tochter Igedo Company führt zudem Modemessen in Shanghai durch.

Bei der Realisierung der Veranstaltungen spielen Verbände wie VDMA, ZVEI oder Bitkom eine wichtige Rolle. "Wir sind", sagt Deutsche Messe AG-Pressesprecher Detlev Rossa, "auf die Einschätzung der Potenziale der chinesischen Märkte durch die Verbände angewiesen und bekommen gute Prognosen und aufschlussreiches Material über einzelne Marktsegmente." Ein eigenes Büro der Tochtergesellschaft in Shanghai mit 30 chinesischen Mitarbeitern sorgt für die Nähe zum Markt. Zugleich arbeiten die deutschen Aussteller bei ihrer Messepräsenz in China mit dem Team, das sie aus Hannover bereits kennen.
Mit rund 100 internationalen Ausstellern fand vom 18. bis 21. November in Shanghai erstmals die Factory Automation Asia 2003 statt. Mit dieser Messe, so die Hannoveraner, erhalte der boomende Wirtschaftsraum China einen Umschlagplatz für die Branchen Maschinenbau, Elektronik und Industrial IT & Software. Zeitgleich hatten die Hannoveraner dort die Messen "Power Transmission and Control (PTC) Asia", "CeMAT Asia" und die "Energy Asia" im Programm. Nach 18 Messen in den ersten zwei Jahren wird die Deutsche Messe AG im kommenden Jahr mit acht Veranstaltungen in Shanghai vertreten sein. Klein, aber fein mit von der Partie ist die "CeBIT Asia" im April 2004. Rund 300 Aussteller, die Hälfte aus dem Ausland, präsentieren sich dort rund 50 000 Besuchern.

Die Messe München präsentiert die Themen Transport, Verkehr, Logistik und Telematik, Umwelt- und Entsorgungstechnologie, Sportartikel und Sportmode sowie Gewerbeimmobilien. Einen guten Premierenstart absolvierte im letzten Jahr die "Luxury China" mit 286 Ausstellern aus 22 Ländern und rund 7000 Fachbesuchern, darunter 15 % aus den asiatischen Nachbarländern. 2004 gehört die "Luxury China" zu acht Münchner Veranstaltungen in Shanghai, darunter die Messen "Electronic China", "Analytica China", "Bakery China" und die zweite "Bauma China", die sich 2002 nach Münchner Einschätzung "auf Anhieb zur größten und wichtigsten Messe Asiens für die Bauindustrie etablierte". Premiere feiern die "Expo Real China", "Transport Logistic China" und die "IFAT China". In Hongkong führt die "electronicAsia" Mitte Oktober über 500 Aussteller, davon 60 % aus dem Ausland, mit rund 16 000 Besuchern zusammen. Wolf-Dietrich Groß

m+a report Nr.8 / 2003 vom 10.12.2003
m+a report vom 10. Dezember 2003