Tagungsmarkt Deutschland wieder auf gutem Weg

Lutz P. Vogt vom German Convention Bureau (GCB) fordert mehr Flexibilität seitens der Veranstalter, Internetlösungen und ungewöhnliche Tagungslocations.

Wie dynamisch ist der deutsche Tagungs- und Kongressmarkt?

Kongresse und Tagungen sind ein Motor für die Wirtschaft - wenn das Kongressgeschäft floriert, entstehen Arbeitsplätze. Im Jahr 2002 fanden in Deutschland rund 1,3 Millionen Kongresse, Tagungen sowie Seminare mit etwa 69 Millionen Teilnehmern statt und initiierten ein Umsatzvolumen von knapp 50 Mrd. EUR. Aus diesem Umsatzvolumen resultieren bundesweit etwa 970 000 Arbeitsplätze. Mit 67,6 Mio. Übernachtungen ist jeder dritte Hotelgast ein Tagungs- oder Kongressteilnehmer - damit wird eindrucksvoll die Bedeutung von Kongressen und Tagungen für die Hotellerie als auch für die Tourismusbranche insgesamt belegt. Die Stimmung in der Kongress- und Tagungsbranche ist zurzeit verhalten positiv.

Das bedeutet?

Für das zweite Halbjahr 2004 wird eine leichte Steigerung der Nachfrage erwartet. Seit Beginn des Jahres ist die Weiterbildung für Mediziner gesetzlich vorgeschriebenen. Das dürfte zu einer spürbaren Marktveränderung in diesem Bereich führen. Die Teilnehmerzahlen bei großen nationalen und internationalen Kongressen werden steigen. Viele Tagungs- und Kongressplaner haben bereits das Potenzial und die Vorteile des Standorts Deutschland erkannt. Zahlreiche internationale Kongresse finden 2004 in Deutschland statt, darunter große Veranstaltungen der Medizinbranche.

Wie unterscheidet sich der deutsche Markt von dem in anderen europäischen Ländern?

Eine Basis für die Spitzenposition Deutschlands weltweit ist die große Vielfalt für Veranstaltungen und die breite Pallette an Tagungsräumen: Rund 11 000 Tagungsstätten wie Kongresszentren und Hotels sowie 1500 ungewöhnliche Veranstaltungsstätten wie Klöster, Museen, Themenparks oder maritime Tagungsalternativen bieten sich an für Meetings und Kongresse. Die Bandbreite ist riesig. Räume in jeder Größenordnung ermöglichen Veranstaltungen vom kleinen Workshop bis zu großen Verbandsmeetings oder Wissenschaftskongressen, von Seminaren und Schulungen bis zu Plenumsveranstaltungen mit mehreren Tausend Teilnehmern.
Ein weiterer Pluspunkt für die Kongressdestination im Herzen Europas: Die deutschen Veranstaltungsorte sind in der Erreichbarkeit kaum zu schlagen. Internationale Kunden wissen zu schätzen, dass Flughäfen - allen voran der Airport in Frankfurt - eine hervorragende Anbindung aus allen Teilen der Welt gewährleisten. Auch die gut ausgebaute Infrastruktur und damit das leichte Reisen in Deutschland selbst sowie innerhalb der Städte unterstützt die effiziente Durchführung und Logistik jeder Art von Veranstaltung. Darüber hinaus ist die Kommunikationsinfrastruktur in Deutschland schnell, zuverlässig und flächendeckend ausgebaut. Internet- und Intranetverbindungen, Telefon- und Videokonferenzen sind für "Meetings made in Germany" Standard: Die deutschen Konferenzhotels bieten ihren Gästen eine überdurchschnittlich gute technische Ausrüstung, meist mit der neuesten und schnellsten Übertragungstechnologie. Planer von Großveranstaltungen finden häufig die komplette Versorgung unter einem Dach vor. Vom Ablauf der Veranstaltungen über die technische Ausrüstung bis zum organisierten Freizeitangebot führen erfahrene Fachleute auf Wunsch das komplette Veranstaltungsmanagement auf höchstem Niveau durch.

Wissen Veranstalter um diese Vorteile?

Das positive Bild des Standorts Deutschland für Kongresse, Tagungen, Events und Incentives haben auch britische Agenturen, Unternehmen und Verbände bei einer Untersuchung der FH Osnabrück in Zusammenarbeit mit dem GCB im Rahmen einer bisher unveröffentlichten Diplomarbeit bestätigt. Gefragt nach den Faktoren, die bei der Auswahl eines Veranstaltungsortes eine wichtige Rolle spielen, nannten die Befragten an erster Stelle mit 100 % die Erreichbarkeit des Veranstaltungsortes, an zweiter Stelle mit 97,1 % das Preis-Leistungs-Verhältnis, an dritter Stelle mit 89,4 % Gastfreundschaft und Freundlichkeit, an vierter Stelle mit 86,5 % Sicherheit und danach mit 85,6 % die Infrastruktur. Gefragt nach dem Land, an das sie für die Organisation von Meetings, Konferenzen und Kongressen sowie von Ausstellungen als erstes denken, nannte die Mehrheit der Befragten Deutschland. Rund 90 % der Befragten haben hier bereits eine Veranstaltung organisiert und dabei gute Erfahrungen gemacht.

Welche Trends beobachten Sie? Was wollen Kunden, was Tagungsteilnehmer?

Das hängt natürlich stark von der konjunkturellen Entwicklung ab. Was wir dringend brauchen ist ein positives Gesamtklima! Das Kongressgeschäft reagiert sehr sensibel auf Veränderungen im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld. Das kommt heutzutage mit Blick auf die beschleunigte Entwicklung dieses Umfelds und dem damit verbundenen Wandel der Bedürfnisse von Kongressveranstaltern und Tagungsteilnehmern mehr denn je zum Tragen: Kosteneffizienz, Erfolgsmessung, Risikominimierung, professionelles Veranstaltungsmanagement und Zuverlässigkeit sind nur einige Schlagworte. Es zeigt sich auch die Tendenz zu kurzfristigeren Buchungen und Planungen. Für die Anbieter bedeutet dies eine noch größere Bereitschaft zur Flexibilität. Von den Kongressdienstleistern wird eine zunehmende Unterstützung bis hin zu einem differenzierten Angebot an Kongress-Packages erwartet. Tagungs- und Kongresslocations stehen in einem wachsenden Wettbewerb. Daher müssen sie sich durch kontinuierliche Verbesserungen ihrer Leistungen und ein professionelles Marketing profilieren.
Für unsere Branche wird unter anderem die FIFA Fußball Weltmeisterschaft 2006 positive Impulse bringen. Internationale Großereignisse kommen der Infrastruktur und dem Image eines Landes zugute. In diesem Sinne bringt auch die WM 2006 zusätzliche Impulse für die Kongress- und Tagungsdestination Deutschland.

Was tut sich in Sachen Kongress-Locations?

84 % der insgesamt 1,3 Mio. Veranstaltungen entfallen auf Hotels. 8 % finden mit begleitenden Ausstellungen statt. Kongresse sind sogar zu 30 % durch Ausstellungen flankiert. Die Kongresszentren und Hallen haben sich in den vergangenen Jahren vor allem in struktureller Hinsicht den veränderten Marktbedürfnissen angepasst. Neben großen Saalkapazitäten stellen sie zunehmend auch kleinere Gruppenarbeitsräume zur Verfügung. Vor dem Hintergrund einer angespannten wirtschaftlichen Situation spielen die firmeneigenen Veranstaltungszentren vor allem im Bereich der Weiterbildungen eine wichtige Rolle. 6 % der Tagungsstätten, darunter alle Kongresszentren, bieten Platz für Großveranstaltungen mit 500 und mehr Teilnehmern. Tendenziell werden die Anbieter den Anforderungen der Veranstalter an ein großzügiges Raumangebot mit höherer Qualität in zunehmendem Maße gerecht. Ausgesprochen dynamisch entwickelt sich auch der Angebotsmarkt im Bereich der "außergewöhnlichen Veranstaltungsstätten", zu denen Schlösser und Co. zählen. Zirka 1500 Anbieter in diesem Segment gegenüber etwa 1000 im Jahr 1999 führen pro Jahr rund 25 000 Veranstaltungen mit etwa fünf Millionen Teilnehmern durch.

Was leistet das Internet bei Kongressen?

Gerade bei der Planung von Veranstaltungen, Kongressen und Events besteht ein sehr hoher Kommunikations- und Koordinationsbedarf aller Projektbeteiligten. Ohne das Internet und eine webbasierte Datenbank ist eine zeitgemäße Organisation von Kongressen und Tagungen heute fast nicht mehr denkbar. Die heutigen leistungsstarken Systeme unterstützen ein effizientes Online-Veranstaltungsmanagement durch eine Reihe von Internet- und Intranetmodulen für die Teilnehmereinladung, Onlineakkreditierung, Rechnungsstellung, Zugangs- und Anwesenheitskontrolle, Teilnahmebestätigung oder Terminvereinbarungen. Das Internet ist geradezu prädestiniert dafür, seine vielfältigen Möglichkeiten für die weitreichenden Anforderungen der Kongress- und Tagungswirtschaft zu nutzen. Durch zeitgleiche Zugriffsmöglichkeiten auf den gleichen Datenbestand, für einen definierten Personenkreis mit unterschiedlichen Rechten, kann der organisatorische Aufwand und die Fehlerquote enorm reduziert werden. Dies ermöglicht darüber hinaus eine effiziente, zielgruppengerechte und kostengünstige Kommunikation zum Beispiel per E-Mail und reduziert den Aufwand für Dateneinpflege, Zahlungsmanagement und Reporting.
Auch zur Programmplanung und Referentenverwaltung, zur Erstellung von Ausstellerverzeichnissen, Abstracts und virtuellen Ausstellungen lässt sich durch die webbasierten Systeme der organisatorische Ablauf perfektionieren und alle Informationen können direkt im Internet veröffentlicht werden. Videoübertragungen im Web unterstützen vor, während und nach einer Veranstaltung die Kommunikation und ermöglichen es der Zielgruppe, Kongresse, Seminare und Vorträge intensiv zu verfolgen. Die Internetpräsentation dient somit zur weiteren Nutzung der wertvollen Inhalte eines Kongresses und zur Bewerbung der nachfolgenden Veranstaltung. Wahlweise wird eine Veranstaltung live übertragen oder zeitverzögert im Directly-OnDemand-Verfahren zur Verfügung gestellt. Während sich die Livevariante vor allem bei Aktionärs-Hauptversammlungen und Pressekonferenzen bereits etabliert hat, setzt sich bei Kongressveranstaltungen zunehmend die Directly-OnDemand-Dokumentation durch.
Noch am selben Tag können Reden und Podiumsdiskussionen von Interessierten online abgerufen werden. Innovative, flexible Softwarelösungen, die den Erfolg von Veranstaltungen erhöhen und deren Organisation in der Vor- und Nachbereitung sowie während der Veranstaltung erheblich vereinfachen, gibt es mittlerweile für alle Anforderungen und alle Unternehmensgrößen.
Interview: A. Peters-Reimann

m+a report Nr.6 / 2004 vom 24.09.2004
m+a report vom 24. September 2004