Oberflächen prägen das Raumerlebnis mit

Sie sind glänzend, rau oder glatt, hart oder weich. Dauerhaft wie für die Ewigkeit gebaut oder durchsichtig wie ein Hauch: Oberflächen und Materialien auf Messeständen.

Fragt man Messedesigner, steht fest: "Platten im Messebau gehören zur Konstruktion, Oberflächen und Materialien aber zur Konzeption", sagt Michael Günther von Zeeh, Bahls & Partner. "Sie geben dem Stand die gewünschte Wertigkeit." Selbst die alte Spanplatte und ihr besserer Nachfolger die MDF-Platte, aus Kostengründen noch immer ein bewährtes Baumaterial, erhalten ihre Wertigkeit erst durch eine Lackierung, die in manchen Fällen durchaus zu außergewöhnlichen Ergebnissen führen kann, wie dies das Werbeatelier Brose mit seinem objektartigen Messestand auf der letzten Euroshop bewies. In sechzehn verschiedenen Pastelltönen waren die Platten lackiert - angelehnt an eine Musikkomposition. Ganz anders verfährt ein Aussteller, wenn Holzwerkstoffe das eigene Produkt ausmachen wie bei Egger Holzwerkstoffe auf der Holzbau & Ausbau in Friedrichshafen. Völlig "natur"- belassen entwarf der Gestalter Michael Schwebius einen Messestand wie eine große begehbare Plastik, um Architekten und Handwerkern die Einsatzmöglichkeiten zeigen zu können, die möglichen Spannweiten, die lasierten farbigen Oberflächen; und selbst Standmöbel wurden in die Gesamtgestaltung integriert.

Der italienische Hersteller von Mosaikfliesen, Bisazza, ließ sich auf dem "Salon du Meuble" 2003 in Paris einen überwältigenden Messestand nur aus einem Material, aus seinen Fliesen, bauen, um die Vielfalt der Farb- und Formmöglichkeit darzustellen. Trotz seines traditionellen Materials sieht sich das Unternehmen in der Moderne verankert, als Symbol für eine Avantgarde, und so entwarf Fabio Novembre weiche plastische Formen, eine Hymne über Liebe und Leben in Pink und Blue - in insgesamt 150 verschiedenen Farben.

In der Architektur erfüllen viele Materialien unterschiedliche Aufgaben und sind oft nur für ganz bestimmte Bereiche zu verwenden; für das Dach, den Boden oder die Wände. Nur synthetische Materialien wie Beton oder Polyurethan können für den ganzen Baukörper eingesetzt werden. Anders ist das im Messebau. Hier ist der Materialeinsatz - außer bei Bauten im Freien - in der Regel nicht von der Witterung abhängig und statische Anforderungen werden durch entsprechende Unterkonstruktionen aus Stahl gelöst, sodass viele Materialien wie Metall, Glas, Holz oder Kunststoff für den Boden und die Wände oder sogar für die Decke eingeplant werden können.

Oberflächen sind wie Häute, die gestaltet werden. Und auch ihr erster Eindruck ist immer sensorisch: hell oder dunkel, glänzend oder matt, farbig oder farblos, eben oder figuriert. Wenn man die Oberflächen anfasst, sind sie rau oder glatt, warm oder kalt. Und sie haben wie eine Person auch eine Persönlichkeit, einen Charakter: sind schwer oder leicht, dauerhaft oder kurzlebig, stabil oder empfindlich, sie können ganz eindeutig sein oder sehr verschiedenartig, unverwechselbar oder langweilig, durchsichtig oder verschließend. So verwundert es nicht, dass Messedesigner und Architekten sich diese Eigenschaften der Materialien zunutze machen, um über das Material etwas mitzuteilen und Dieter Wolff von D’Art-Design meint dazu: "Die Auswahl von Materialien und Oberflächen hängt natürlich davon ab, welche Funktion ein Bauteil hat. Wenn Botschaften über die Architektur vermitteln werden sollen, dann nutzen wir die Oberflächen, die entsprechende Assoziationen auslösen".

Giesecke & Devrient, ein internationaler Technologiekonzern für Banknotendruck und Sicherheitspapiere suchte für die Cebit einen Messestand, der seine Unternehmensphilosophie "Security at work" symbolisiert. Die Designagentur av communication übersetzte dieses Anliegen mit 6,5 m hohen und 13 m breiten Rahmen aus Edelstahl in einem Spiel aus Geschlossenheit und Transparenz. Während die Rahmen eine architektonische Metapher für Sicherheit sind, soll das Material Edelstahl Stabilität und Eleganz vermitteln. Das Beispiel macht deutlich, worum es den Gestaltern bei der Auswahl von Materialien für Oberflächen auf Messeständen geht: Sie müssen einen Produktbezug haben und im Hinblick auf das Unternehmen glaubwürdig sein. Die Wertigkeit des Materials muss mit der des Unternehmens übereinstimmen, und es muss die richtigen Inhalte assoziieren.

Auf dem diesjährigen Messestand der Siemens Automation & Drives auf der Hannover Messe Industrie sollten alle Siemensrelevanten Bereiche in einer zentral angeordneten "transparenten Fabrik" zusammen geführt werden, um die Produkt-, System- und Lösungsangebote des Workflows der Produktion zu veranschaulichen.
Für den Standgestalter Zeeh, Bahls + Partner wurde somit das Thema "Vernetzung und Transparenz" zur Grundlage der Gestaltung, das sowohl baulich als auch in den verwendeten Materialien zum Ausdruck kommen sollte. Eine mit Lasergaze bespannte Stahlkonstruktion bildete eine durchlässige Haut, die das pulsierende Innenleben durchscheinen ließ. Die Vielschichtigkeit des Unternehmens und Themas konnte auch in den mehreren Schichten der Gazehaut abgelesen werden, dennoch war alles transparent, offen einsehbar und überschaubar. Materieller Halt und Kontrast zugleich bot der Glasboden auf dem Stand. Schwarz und glänzend spiegelte er alle medialen Elemente und das Messeleben auf dem Stand wider.

Offen und transparent wollen sich heute viele Unternehmen ihren Mitarbeitern und Kunden präsentieren, und so sind durchscheinende Materialien wie Stoffe, Folien, neue Kunststoffe, die hinterleuchtet werden können, beliebte Häute aktueller Messestände. Vorteil der "softeren" Materialien sind dabei die freien Gestaltungsmöglichkeiten in der Form, die niedrigeren Kosten in der Verarbeitung und Lagerung gegenüber herkömmlichen "statischen" Strukturbauten. Und obendrein bieten gerade diese Membranen ideale Voraussetzungen für Projektionen und Bespielungen mit Licht. "Materialien sind Marken bildend", hat Manfred Wagner von BraunWagner Design schon seit langem erfahren. Und so setzt auch er für Unternehmen wie Loewe oder Smart gern semitransparente Materialien ein. Glas, eigentlich auch ein durchscheinendes Material, spielt dennoch in der Messearchitektur nur eine geringe Rolle. Braun verwendet es nur partiell als räumliche Abtrennung, emotional mit Motiven bedruckt.

"Glas in großen Flächen erinnert zu sehr an die Glasfassaden der Architektur." Und das will keiner auf einem Messestand haben. Dazu kommen noch Bruch- und Verletzungsgefahr sowie ein hohes Gewicht. Als unterleuchteter Boden hingegen ist Glas, vor allem als Milchglas, durchaus beliebt und gibt einem Stand Leichtigkeit. Lange hat das Architekturbüro Schmidhuber & Partner aus München nach einem geeigneten Material gesucht, dass den Markennamen von "O2" versinnbildlichen könnte. "O2" ist Sauerstoff, ist Leben, luftig, leicht und auch blau wie der Himmel. Von Viag Interkom in O2 umbenannt wurde der Messestand auf der CeBIT 2002 zum Geburtsort einer neuen Marke und die Architektur zum sinnlichen Träger der Kommunikationsziele: selbst bewusst, klar, offen und vertrauenswürdig. Stand- und Marken prägendes Material wurde ein umlaufendes Horizontband aus einer blauen Luftkissenwand, bestehend aus zwei PVC/PES-Folien, die gitterartig miteinander verschweißt wurden. Und das Ganze auf dem neuen Messestand 2004 über eine einprägsame Länge von 55 und 23 Metern.

Standmaterialien sind aber nicht nur Träger von Markenbotschaften sondern sind häufig einfach nur Blickfang oder bilden einen gestalterischen Kontrast zu den Produkten. Der Goslarer Sanitärhersteller Alape, Adolf Lamprecht, wollte mit seinem Messestand auf der ISH 2003 auf einen völlig neuen ganzheitlichen Markenauftritt aufmerksam machen und suchte nach einem starken Blickfang. Vor vier Meter hohe Wände im neuen CI-Farbton Gelb setzten die Designer Meiré und Meiré aus Köln zwei versetzte Abhängungen aus gelben Acrylglasplatten. Leicht, groß und transparent wurde der Stand mit den gelben Platten zum viel fotografierten Messehit.

Für den Hersteller von Egeria, Frottierwaren, verwendeten die Gestalter von Totems auf der Heimtextil 2004 ein Standmaterial, das in völligem Kontrast zum Produkt stand und dieses damit den Besuchern noch intensiver bewusst und erlebbar machte. Der kubische Messestand wurde von schwarz glänzenden Doppelstegplatten gebildet, einem robusten glatten Kunststoffmaterial, das ursprünglich in der Architektur verwendet wurde, hier in der Wertigkeit aber das weiche Frottiermaterial unterstrich. Im Obergeschoss war der Kubus in einen weißen, kuscheligen Frotteestoff eingehüllt. "Fruitful Softness" war das Motto des Messeauftritts, der mit inspirierenden Themenwelten Produktinseln "zum Abtauchen" bot. Es war ein klarer und moderner Stand, der zum Anfassen inspirierte, um den Kontrast der Materialien zwischen hart und weich, kalt und warm fühlen zu können.

Doch wie erreicht man Wertigkeit auf einem Messestand? Nur mit dem Material allein? "Noch immer wird von vielen Ausstellern Wertigkeit so verstanden, ob man man für die Ewigkeit baute", weiß der Architekt Lars-Uwe Bleher von Atelier Markgraph zu berichten. Kein Wunder, denn zu ihren Kunden zählen große Unternehmen wie Daimler Chrysler oder Mercedes Benz. Doch auch bei diesen Ausstellern müssen "Materialien in erster Linie zur Marke passen, zum Inhalt und auch zum Produkt". "Die Wertigkeit eines Materials aber entsteht vor allem durch eine intelligente Verarbeitung". "Man sieht an der Art der Bearbeitung von Kanten und Details, dass der Ausführende nachgedacht hat, noch handwerkliche Fähigkeiten besitzt und nicht nur ein passiver Konsument ist." Ein Stand mit solchen Qualitäten macht auch die Qualität der Produkte glaubhaft.
Bei der Auswahl der Standmaterialien haben viele Gestalter freie Hand und sind ständig auf Ideensuche. Dafür gehen sie auf die Möbelmesse nach Mailand, holen sich Anregungen durch Möbel, Dekore und Ausstellungen. Andere wie Architekt Bleher und auch Urs Hofer von Creaworld schauen in die Forschungslabore der Unternehmen. Da tauchen dann auf dem Messestand plötzlich neue Materialien auf wie Aluminiumschäume, die aus der Autoherstellung stammen oder aber ein Trägermaterial von Skiern, die durch ihren Produktbezug hohe Glaubwürdigkeit erzeugen. Aus dem Produktdesign kommen neue Materialien wie Carbon, Titanium, Polyurethanschäume - wie sie Rem Kohlhaas in den amerikanischen Showrooms für das Modeunternehmen Prada verwendet hat. Neue Technologien in den Unternehmen für ihr Produkte und Vermarktung brauchen auch neue Materialien auf dem Messestand, wenn diese Träger von Funktionen und Inhalten sein sollen und materialer Ausdruck einer Unternehmenspersönlichkeit. Ingrid Wenz-Gahler

m+a report Nr.5 / 2004 vom 13.08.2004
m+a report vom 13. August 2004