“Go east” führt nicht zwangsläufig nach Asien

Auf der Suche nach neuen Absatzmärkten investieren immer mehr Messegesellschaften in der Golfregion und setzen dabei auf etablierte Themen aus der Heimat.

Während die deutsche Wirtschaft unter den hohen Rohölkosten stöhnt, reiben sich die Scheichs am Golf die Hände. Hatten Experten beispielsweise für die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ein Wirtschaftswachstum von immerhin 3 % für dieses Jahr prognostiziert, rechnen sie jetzt sogar mit einem Anstieg um gut 5 % auf rund 75 Mrd. US$. Doch mit den Mehreinnahmen wachsen auch die Chancen der deutschen Industrie auf umsatzstarke Aufträge. Denn auch in den Erdöl exportierenden Ländern hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass die Quellen des schwarzen Goldes einmal erschöpft sein werden. Entsprechend investieren die Golfstaaten ihre Petrodollars immer häufiger in Industrie- und Handelszentren, um für die Zeit nach dem Ölboom gewappnet zu sein.

Deutsche Unternehmen haben offenbar ihre Chancen erkannt und liefern verstärkt Investitionsgüter in die Region. Allein das Handelsvolumen zwischen Deutschland und den VAE ist 2003 gegenüber dem Vorjahr auf 6,4 % gestiegen, hat die Bundesagentur für Außenwirtschaft errechnet. Mit importierten Waren im Wert von 3,23 Mrd. EUR im vergangenen Jahr waren die VAE der größte Importeur der Region. Auch die deutschen Messegesellschaften haben im Gefolge der Unternehmen erkannt, dass am Golf etwas zu holen ist und transferieren immer mehr Messethemen auf die Arabische Halbinsel. Allein EPOC Messe Frankfurt will im kommenden Jahr elf Messen im Dubai World Trade Center veranstalten.

"Dubai ist der beliebteste Investitionsstandort für Messegesellschaften, weil es am weltoffensten ist", sagt Ines Ratajczak, Asienexpertin bei der IHK Bielefeld. Allerdings sei die Hochzeit des Booms dort bereits vor sechs, sieben Jahren gewesen und das Geschäft hätten zu diesem Zeitpunkt vor allem die englische und amerikanische Messeindustrie gemacht. Doch auch andere Standorte am Golf sind offenbar lohnenswert. So hat Herta Krausmann, Geschäftsführerin bei Nürnberg Global Fairs, nach einer Marktanalyse auf Bahrain gesetzt. Vorteil sei nicht nur die relativ liberale Grundhaltung des Emirats, sondern auch seine unmittelbare Nähe zu Saudi-Arabien, der größten Wirtschaftsmacht am Golf. "Bahrain dient uns somit im Wesentlichen als eine Drehscheibe, um die gesamte Golfregion zu erreichen", sagt Krausmann. Premiere hat dieses Jahr im September die Intelligent Building Middle East, eine Fachmesse für Gebäudemanagement und Technologie. Im Mittelpunkt stehen intelligente Gebäudehüllen, High-Tech-Gebäudekomponenten, Gebäudesteuerungssyteme und der Gebäudeschutz. Mit der Messe will Krausmann vor allem Entwickler großer Anlagen ansprechen, die auf der Suche nach innovativen Materialien und Techniken sind. Schließlich gehe heute "für normales Baumaterial heute so gut wie keiner mehr auf eine Messe", sagt Krausmann.

Mit dem Spezialthema besetzen die Nürnberger eine Nische im arabischen Baumessemarkt, der ansonsten mit der in Dubai stattfindenden Big Five bereits sehr gut abgedeckt ist. Auch die Verwebung mit den Messethemen im Heimatmarkt gelingt. So haben die Nürnberger unter anderem mit der Fensterbau Frontale, der Eltec, der IKK und der Enkon dezentral eine Reihe von korrespondierenden Fachveranstaltungen. Erfolgsfaktor ist für Krausmann auch das 50-50-Joint-Venture mit dem Bahrain Convention & Exhibition Bureau. "Ein strategischer Partner vor Ort ist für uns schon allein wegen der regionalen Besuchervernetzung zwingend notwendig."
Ein erstes Projekt konnten die Franken in Bahrain bereits mit ihrem Partner verwirklichen: Mit 180 Ausstellern aus 26 Ländern haben sie vergangenes Jahr die erste Water Middle East veranstaltet. Das Thema Wassertechnologie steht in den Wüstenregionen am Golf hoch im Kurs. So befinden sich von 13 000 Meerwasserentsalzungsanlagen 60 % der installierten Leistung auf der Arabischen Halbinsel. Dieses Jahr wird die Water Middle East zeitgleich mit der Energiemesse Power-Gen stattfinden, um Synergieeffekte auf der Besucherseite zu erzielen. Krausmann denkt hier vor allem an staatliche Verantwortungsträger, die zumeist in Personalunion für das Thema Wasser und Bau zuständig sind.

Die Themenkombination könnte sich auszahlen, schließlich sind die Ministerien die größten Auftraggeber beim Thema Wasseraufbereitung: "Die Staaten des Mittleren Ostens und Nordafrikas werden in den kommenden acht Jahren zwischen 4,5 und 6 Mrd. US$ pro Jahr allein für Frischwasserprojekte ausgeben", schätzt Ahmad Humaid Al Mazroui, Direktor der General Exhibition Corporation (GEC) in Abu Dhabi. Allerdings will Al Mazroui das lukrative Geschäft mit der Umwelttechnologie nicht den Bahrainern allein überlassen. So veranstaltet er kommendes Jahr zum dritten Mal die Environment & Energy Exhibition and Conference in Abu Dhabi. Zum ersten Mal mit im Boot: die IMAG, in der die Messe München ihr Auslandsgeschäft bündelt.

Stärkster Konkurrent der Münchner am Golf sind somit die fränkischen Nachbarn: "Wir wollen die Environment & Energy als klare Leitmesse vor der Water Middle East positionieren", sagt Nikolaus Wollmann, Deputy Managing Director der IMAG. Während sich die Nürnberger mit einem sechsstelligen Betrag in das Joint Venture eingekauft haben, bringen die Münchner lediglich Vertriebs- und Marketing-Know-how in die Kooperation ein. Erste Erfahrungen am Golf hat die IMAG in den vergangenen Jahren durch die Organisation der Bundesbeteiligungen bei der Big Five gesammelt. Anfang der 90er hatte man in München zudem überlegt, ob man eine Ispo Middle East gründen soll. "Das Projekt wurde aber wegen des Golfkrieges fallen gelassen und hat zurzeit keine Priorität", sagt Wollmann: "Allerdings kommen immer mal wieder Kooperationsanfragen von der Sportex Middle East."
Ähnlich wie die Nürnberger und Münchner beharken sich auch die Frankfurter und die Essener in der Region: Während EPOC Messe Frankfurt 2004 in Dubai die Sicherheitsmesse Intersec mit 209 Ausstellern veranstaltete, gingen die Essener im Oktober 2003 erstmals mit der Security & Safety Middle East in Abu Dhabi an den Start. Mit 177 Ausstellern aus 22 Nationen konnten die Essener die sehr viel geringeren Erwartungen klar übertreffen. Grundlage des Engagements der Messe Essen ist ein auf drei Veranstaltungen angelegter Kooperationsvertrag mit der GEC, die vor allem bestrebt ist, mit den großen deutschen Leitmessen zusammenzuarbeiten.
Da wundert es nicht, dass auch auf Wolfgang Lenarz' Schreibtisch eine entsprechende Anfrage landete. Erstmals im November dieses Jahres organisiert der Geschäftsführer von Hannover Messe International jetzt die Industrial in Abu Dhabi. "Wir haben mit unserer Industriemesse natürlich nicht nur das Emirat, sondern alle Golfstaaten im Fokus", erklärt er. Zudem soll zur Erstveranstaltung auch eine Bagdader Handelsdelegation anreisen. "Vielleicht richten wir sogar ein Forum Irak ein."

Lenarz rechnet mit einer belegten Nettofläche von 3500 bis 5000 m2 auf der 150 bis 200 Aussteller ihre Produkte rund 20 000 Besuchern präsentieren. Inhaltlich setzt die im Zweijahresrhythmus stattfindende Messe auf Plastik und Kunststoff, Bau und Baumaschinen, Materialhandhabung und Werkzeugmaschinen. Zwar ist die Industrial die erste Messe der Hannoveraner in der arabischen Welt, durch die Organisation von Gemeinschaftsständen, wie zum Beispiel bei der Chemiemesse Chemtex, der Elektrotechnikmesse Middle East Electricity und der Förderwesenmesse Materials Handling, kennt sich Lennarz aber bereits gut mit den arabischen Gepflogenheiten aus. Offenbar sagen ihm diese auch durchaus zu: "Wir denken zurzeit über eine weitere Messe in der Region nach, bei der wir nicht nur für den organisatorischen Part zuständig sind, sondern tiefer einsteigen." Markus Ridder

m+a report Nr.5 / 2004 vom 13.08.2004
m+a report vom 13. August 2004