Integrierte Kommunikation Real oder nur ein Traum?

In den 90er Jahren war integrierte Kommunikation "das" Thema. Auch die Messebranche wurde davon erfasst. Nur selten wurde hier etwas davon umgesetzt.

Heute möchte in der Messebranche kaum noch jemand etwas von vernetzten Lösungen hören. Zu viele Unternehmen haben sich an der New Economy die Finger verbrannt. Man konzentriert sich lieber auf Investition zum Anfassen als auf die virtuelle Datenwelt - eine Überreaktion.
Wer aber etwa im Rahmen eines Kontaktgespräches auf der Messe seinen persönlichen Zugangscode für den Fachzugang zu einer Website erhält, wird die auf diesem Weg übermittelten Informationen mehr wertschätzen als die Daten auf einer unspezifischen Webplattform, auf der jedermann herumsurfen kann. Falls es gelingt, diese Informationen auch noch persönlich zu gestalten und auf das Profil des Interessenten zuzuschneiden, kann daraus eine für beide Seiten wertvolle Presales-, Sales- und Aftersales-Kommunikation erwachsen.
Ein anderes Beispiel für den offenkundigen Nutzen von vernetzten Medien- und Informationslösungen ist die Möglichkeit, Reden messebegleitender Kongresse online anzubieten, sei es live oder auch nur zur Dokumentation. Die Möglichkeit einen Zusammenschnitt des Kongresstages oder auch einzelne Vorträge gegen Bezahlung abzurufen, würde vielfach genutzt und ganz sicher nicht zum grundsätzlichen Fernbleiben von einer Messe führen.
Solche Angebote sind sowohl technisch möglich als auch wirtschaftlich. Warum also werden sie im Rahmen von integrierten Medienlösungen so selten umgesetzt? Drei Faktoren wirken hier seit langem als Bremse: Erstens die Spartenorganisation, zweitens technische Verspieltheit statt Nutzenorientierung und drittens fehlende Schnittstellen und die Begrenztheit vorhandener Management-Programme.
Neben der Angst vorm nächsten Flop im Bereich Neue Medien basiert die Zurückhaltung oft auf zergliederten Entscheidungsstrukturen. Integrierte Kommunikation bedeutet zeitlich, inhaltlich, formale Abstimmung, erfordert Querschnittsmanagement, also Kommunikationszielverantwortung und nicht Spartenverantwortung. Maßnahmen, wie der Aufbau von Kundenbeziehungen über die Medien hinweg, erfordern Organisationen und Budgets, die nicht an Abteilungsgrenzen Halt machen.
Es liegt in der Natur der Organisation, dass Sparten-Entscheider kein gesteigertes Interesse an Querschnittsprojekten haben. Solche Projekte sind kaum aus der eigenen Abteilung heraus steuerbar, mögliche Erfolge sind nur schwer zurechenbar und so scheint der Einsatz von Zeit und Geld aus dem eigenen Budget nicht lohnend. Wer hat schon Lust, sich eine neue Baustelle aufzuhalsen, wenn die Kosten dafür zu Lasten des eigenen Budgets gehen, er aber die Lorbeeren nicht für sich beanspruchen kann?
Wer integrierte Messekommunikation will, muss Spartenstrukturen aufbrechen. Es kommt darauf an, das Portfolio an Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen so zu verteilen, dass eine Wirkungskette entstehen kann - von Aufmerksamkeit über Sympathie und Interesse hin zu Reaktion und Transaktion. Dabei müssen die Verantwortlichen aus allen Kommunikationssparten zusammenarbeiten, zumindest aber diejenigen, die zentrales Marketing, Messen und Events sowie Internetaktivitäten verantworten. Nicht zu vergessen und absolut erfolgskritisch: Auch die IT-Verantwortlichen müssen einbezogen werden. Wenn die mauern, geht gar nichts.
Ein weiterer Grund für wenig integrierte Konzepte: Viele Auftraggeber wie auch Agenturen schauen vor allem durch die technische Brille. Aber Messegimmicks sind albern, das x-te Spiel will niemand spielen und kaum ein Besucher hat Lust, sich an einem Terminal mit Darbietungen zu beschäftigen, die er genauso gut im Internet betrachten kann. Er kommt hier her, um Menschen zu treffen! Was zählt, ist der persönliche Kontakt. Die Technik ist nur Mittel zum Zweck und sollte entsprechend eingesetzt werden. Gute Medientechnik etwa kann dafür sorgen, dass der Besucher sich im Begegnungsraum Messestand von der Ausstrahlung der Marke angenehm umfangen fühlt und die Markenbotschaft aufnimmt. Oder sie kann zur Interaktion anregen. Vernetzte Informationstechnik kann dafür sorgen, dass Informationen aus Gesprächen und der Korrespondenz mit dem Kunden bei weiteren Kontakten berücksichtigt werden. Sie ermöglicht eine individuelle Kontaktpflege. Häufig werden die Standbesucher im Rahmen der Messenachbereitung nicht einmal kontaktiert, wenn sie ihre persönlichen Daten samt qualifizierenden Informationen an einem Terminal eingegeben haben - verschenktes Kapital, um nicht zu sagen Ignoranz. Es geht auch anders: Zum Beispiel kann es für alle Beteiligten interessant sein, wenn Messeorganisation und Aussteller sich miteinander vernetzen, um den Besuchern die Möglichkeit zu geben, sich vor der Messe online zu registrieren. So ist es etwa für die Aussteller attraktiv, wenn ihre Kunden über einen solchen integrierten Zugang freie Eintrittkarten bestellen oder empfangen können. Die komfortabelste Variante wäre hier die Online-Registrierung über die Homepage des Ausstellers. Allerdings setzt das eine reibungslose Integration der Daten von Messegesellschaft und Aussteller voraus. Hierzu muss geklärt werden, wem die generierten Adressen gehören und wie sie verwendet werden dürfen.
Selbst dort wo während der Messe gewonnene Informationen ordentlich erfasst wurden, fließen sie häufig nicht in die Wertschöpfungskette ein, weil jede Abteilung mit einem anderen System arbeitet und es an den notwendigen Schnittstellen fehlt. Aber was bringt es, Kontakte und Gesprächsnotizen von der Messe zu erfassen, wenn diese Informationen dann im Messe-Informationssystem versanden und nicht anderen Abteilungen zufließen, etwa dem Vertrieb oder dem Marketing? Nebenbei bemerkt sind solche vernetzten Lösungen auch unter dem Aspekt der Erfolgskontrolle sinnvoll. Kaum jemand will sich damit beschäftigen, was ein Messeauftritt dem Unternehmen genau bringt. Es gibt aber sehr wohl Indikatoren, die den Erfolg messbar machen. Der AUMA hat hierzu einen "Nutzencheck" publiziert. Dieser soll Messeverantwortlichen in den Unternehmen helfen, den Nutzen von Messen in Heller und Pfennig zu quantifizieren, eine Art Tausender-Kontakt-Preis-Bemessung für Messeaktivitäten. Ausgewählte Controlling-Tools ließen sich auch in ein gutes Messe-Management-System integrieren. Stefan Ludwigs

m+a report Nr.5 / 2004 vom 13.08.2004
m+a report vom 13. August 2004