Mit dem Fahrrad an die Spitze

Neue Veranstaltungen im In- und Ausland, neue Hallen, neuer Geschäftsführer: Die Messe Friedrichshafen punktet tief im Süden mit erfolgreichen Spezialmessen.

Arbeiten, wo andere Urlaub machen: Neue Räder testen, Innovationen und neue Produkte kennen lernen, fachsimpeln, feiern. Die Messe Friedrichshafen schaltet ihrer internationalen Fahrradmesse Eurobike (30. August bis 2. September) einen Neuheiten-Testtag vor - mitten in der Natur. Zum Demo Day (29. August) bittet sie Fahrradindustrie, Fachhändler und Medienvertreter nach Vorarlberg. Im nahen Österreich, 40 Autominuten vom Messegelände in Friedrichshafen entfernt, erfüllen die Messemacher ihren Kunden einen lang gehegten Wunsch. In der Bergwelt eröffnen sich geradezu ideale Testbedingungen für Fahrräder und Mountainbikes. Der Neuheiten-Testtag hat noch eine zweite Aufgabe: Er soll den Termindruck aus der Veranstaltung herausnehmen: Ein Viertel der Aussteller wünscht sich nämlich eine längere Messelaufzeit. Die können jetzt den Demo-Day zur erweiterten Kunden- und Medienansprache nutzen.
Nicht nur in Vorarlberg setzen die Schwaben auf den Mix aus Drinnen und Draußen, sondern auch in den USA. Die Eurobike engagiert sich auf dem Sea Otter Classic Festival, das im April in Monterey, Kalifornien, stattfindet. Es gilt als das größte Radsportfest der Welt "Wir möchten eine Symbiose zwischen Handelsmesse und sportlichem Event im Frühjahr zum Start in die Fahrradsaison schaffen, um Hersteller, Händler, Medien und Konsumenten gleichermaßen zu erreichen", sagt Klaus Wellmann, Geschäftsführer der Messe Friedrichshafen. Ob es beim Festival bleibt, wird die Zukunft zeigen. "Wir möchten definitiv mehr Präsenz in den USA zeigen", ergänzt Geschäftsführer-Kollege Rolf Mohne.
Freude bereitet den Verantwortlichen auch die europäische Fachmesse Outdoor, mit der sie, wie mit der Eurobike, in der weltweiten Messe-Championsleague spielen. Fläche, Besucher- und Ausstellerzahlen legen seit Jahren deutlich zu. Kein Wunder, das Thema Outdoor gilt als der dynamischste Markt in der Sportartikelbranche. Zur Outdoor 2006 kamen über 15 500 Fachbesucher aus 65 Nationen an den Bodensee.
Auch wenn sich Adidas jetzt von der Outdoor (19. bis 22. Juli) zurückzieht: Die Friedrichshafener sehen das neutral, schließlich sei dieser Anbieter in Sachen Bergsport eine etwas kleinere Nummer. Die Messemacher sind sicher, dass der künftige Weg der Fachmesse - ergänzend sollen künftig auch freizeitorientierte und modische Outdoor-Kollektionen gezeigt werden - für das Unternehmen mit Sitz in Herzogenaurach wieder interessant sein könnte. Wellmann: "Immer mehr Modehäuser schauen, wie sie ihr Sortiment erweitern können." Auch mit der Bergsport-Messe wandeln die Friedrichshafener im Ausland: Im vergangenen August fand am Messestandort Nanjing die Asia Outdoor statt, eine Kooperation der Messe Friedrichshafen und des Messeplatzes Nanjing in China. Das asiatische Pendant soll den künftigen Messestandard für die Outdoor-Branche im Reich der Mitte setzen. Da China der zentrale Einkaufs- und Herstellermarkt der weltweiten Outdoor-Industrie ist, dockten die Messemacher an die Asia Outdoor eine Outdoor Sourcing Show für Stoffhersteller und Accessoires-Lieferanten an.
Die Eurobike, die Outdoor, die Tuning World Bodensee oder die Gastmesse Fakuma: Der Erfolg der Spezialmessenpolitik hat Auswirkungen. Das erst vier Jahre alte, 68 000 m2 große Friedrichshafener Messegelände platzt zumindest bei den drei internationalen Fachmessen aus allen Nähten. Um die Veranstaltungen zu halten, entschied der Gemeinderat (die Stadt Friedrichshafen ist Hauptgesellschafter) im November, für 50 Mio. EUR zwei weitere Hallen und einen neuen Eingang zu bauen. Im Herbst 2009 soll alles fertig sein. Dann wird Friedrichshafen über eine Hallenfläche von 85 000 m2 verfügen - etwa 50 % mehr, als ursprünglich geplant. Schon während der Bauzeit waren zwei zusätzliche neue Hallen entstanden, weil Messeveranstalter Paul E. Schall mehr Platz für seine Fakuma brauchte. 85 000 m2 - das sind nur 15 % weniger als das Gelände der Messe Stuttgart, das im Sommer in Betrieb geht. Und: Mit dieser Gesamtfläche in zwölf Messehallen reiht sich der Messeplatz am Bodensee in die Reihe der Top 10 in Deutschland ein. "Mit dieser Entscheidung haben wir wirtschaftlich und strategisch wichtige Grundlagen für die Zukunftssicherung der Eurobike und der Outdoor gelegt", freut sich Messegeschäftsführer Rolf Mohne über die Zusage für die Messe-Erweiterung. "Auf dieser Basis können wir unsere erfolgreiche Arbeit fortsetzen." Baubeginn für die neuen Hallen soll im Herbst 2007 sein, die Einweihung soll nach bisherigen Planungen ein Jahr später stattfinden. Grund der regen Bautätigkeit am Bodensee: Das Wirtschaftsforschungs-Institut Prognos hatte das Risiko, dass die drei Leitmessen Fakuma, Eurobike und Outdoor abwandern, wenn kein nochmaliger Ausbau erfolgt, als "hoch" bis "sehr hoch" eingeschätzt.
Es wird aber nicht nur neue Hallen geben, sondern auch neue Projekte: Mit Spannung erwartet wird creative industries (29. bis 31. März), ein neues Treffen der Kreativwirtschaft (s. S. 44), das weit über das Dreiländereck am Bodensee ausstrahlen soll. Bei dieser Neuveranstaltung arbeiten die Messe Friedrichshafen und das Festspielhaus Bregenz zusammen. Bisher gebe es im deutschsprachigen Raum keine zentrale Veranstaltung, die die gesamte Breite des Spektrums abdeckt. 2008 wird ein creative industries-Kongress in Bregenz von einer Fachausstellung begleitet. Wichtig ist den Partnern die Vernetzung innerhalb der Branchen nicht nur rund um den Bodensee.Wo die Musikmesse in Frankfurt aufhört, soll My Music anfangen: Die Veranstaltung stellt die Anwender in den Mittelpunkt. Angesprochen werden alle Musikliebhaber - vom Fanfarenzug bis zum Schulorchester. Damit werden vom 11. bis 14. Oktober ganz neue Töne angeschlagen. Die Friedrichshafener haben nichts anderes vor, als den klassischen Messebegriff breiter zu definieren. Es geht um neue Nutzwerte und Netzwerke in der Musikbranche. Musikinstrumente sind die Basis der Veranstaltung, präsentiert werden sollen aber auch Produkte und Dienstleistungen. Wer mag, kann auf der Musik-Expo Instrumente ausprobieren, für den Handel bietet My Music einen Shop 2010, der konkrete Musterbeispiele für Warenpräsentation, Ladeneinrichtung oder Schaufenstergestaltung zeigt. Der Messetermin im Oktober dürfte dem Handel als Ordertermin entgegenkommen.
Über das Planungsstadium nicht hinausgekommen indes ist die für Mai vorgesehene Cosmopharma, die als Fachmesse für Komplementärmedizin und natürliches Wohlbefinden ihren Weg machen sollte: Anfang Januar wurde sie abgesagt. Die Schwierigkeiten um letztgenannte Messe sowie "unbefriedigendes Neugeschäft" sollen auch Grund für die Trennung von Geschäftsführer Jürgen Schmid gewesen, dessen Vertrag der Aufsichtsrat im Dezember nicht mehr verlängert hat.
Das bedeutet auch: Klaus Wellmann wird die Messe Friedrichshafen ab 1. April allein führen. Er tritt die Nachfolge von Rolf Mohne an, der im März in den Ruhestand geht. Als Tandem arbeiten die beiden seit fast einem Jahr zusammen im operativen Geschäft. Der "fließende Übergang" ist ganz im Sinne von Rolf Mohne, der die Entwicklung des Messeunternehmens in den letzten 25 Jahren entscheidend mit geprägt hat: Er sorgte mit Eurobike und Outdoor für den Aufstieg und brachte damit die Messegesellschaft entscheidend auf Kurs. Seinen Aktivitäten ist nicht nur das neue Messegelände mit zu verdanken, sondern auch die Verdoppelung des Umsatzes der Südländer seit dem Umzug im Jahr 2002 von 11,2 auf 21,4 Mio.
Den erfolgreichen Kurs Mohnes will Klaus Wellmann fortsetzen. "Visionen" hat der künftige Alleingeschäftsführer keine, er setzt sich lieber Ziele: "Das klingt realistischer." Für ihn gilt, die bestehenden Messen zu halten und weiter zu entwickeln, die gute Kundenbindung beizubehalten im In- und Ausland und natürlich nach neuen Veranstaltungen Ausschau zu halten. Für das Team in Friedrichshafen ist er sicher, dass mit zunehmender Quadratmeterzahl nicht die Arroganz steigt. "Wir haben gelernt, zuzuhören, das Gehörte dann umzusetzen und unsere Versprechen zu halten. Wellmann: "Wir haben flache Hierarchien, sind nah am Kunden und können daher immer sofort reagieren."

m+a report Nr.1 / 2007 vom 13.02.2007
m+a report vom 13. Februar 2007