Interview "In zehn Jahren wirtschaftlich unabhägig"

Seit 1. April 2004 lenkt der 40-jährige Wolfgang Marzin die Geschicke der Messe Leipzig. Seine Eindrücke der ersten 100 Tage?

Von München, Düsseldorf, Chicago und nochmals München nach Leipzig ... wie schmeckt der Messealltag in Leipzig?

Wolfgang Marzin: Durchaus gut! Es gibt jede Menge zu tun, das erste Halbjahr war sehr intensiv und die Rahmenbedingungen sind nicht einfach. Wir haben gerade den Masterplan für die nächsten Jahre aufgestellt.

Ihre persönliche 100-Tage-Bilanz?

Im ersten Halbjahr konnten wir ausnahmslos Besucher- und Ausstellersteigerungen verzeichnen. Außerdem haben wir mit der Agra und der Dach+Wand zwei neue Messen nach Leipzig geholt. Schließlich hat uns das Ergebnis des Messeservice-Checks im Wirtschaftsmagazin Impulse besonders gefreut, in dem wir als Messe-Dienstleister Nr. 1 abgeschnitten haben.

Dazu herzlichen Glückwunsch. Wie geht es jetzt weiter?

Leipzig will den Sprung in die Erste Liga schaffen. Das ist eine große Herausforderung, wir wissen ja alle: Der Kuchen ist weitgehend verteilt. Mit dem Alleinstellungsmerkmal der guten Servicequalität und dazu der geografischen Toplage seit 1. Mai 2004 wollen wir das Geschäft ankurbeln. Dabei geht es auch darum, das Auslandsgeschäft zu intensivieren, denn hier liegt das wichtigste Potenzial speziell für die Fachmessen.

Gibt's denn nicht genug zu tun vor Ort?

Neue Messen nach Leipzig zu bringen, kann nicht nur dadurch geschehen, dass wir anderen deutschen Plätzen bestehende Veranstaltungen abwerben. Ich sehe große Chancen darin, mit Auslandsveranstaltern zu kooperieren. Wir sind gerade dabei, internationale Veranstalter von unseren Vorteilen zu überzeugen, dazu gehört das unschlagbare Preis-Leistungsverhältnis. In den vergangenen Monaten wurden neue Auslandsstützpunkte in Dubai, Großbritannien, und Thailand eröffnet, es folgen in Kürze Serbien und Slowenien. Außerdem haben wir unsere Vertretungen in Moskau und der Tschechischen Republik verstärkt.

Alle Kenndaten seien positiv, lautete Ihre Nachricht zur Bilanz-PK Ende Mai. Im Ergebnis steht ein Fehlbetrag von 13,4 Mio. EUR. Die Messe Leipzig hängt am Tropf der öffentlichen Hand, 2003 wurde sie mit 11 Mio. EUR bezuschusst. Wie planen Sie die Subventionen abzubauen?

Die Zuschüsse der öffentlichen Hand waren in den vergangenen Jahren nahezu unverändert. Bezuschusst werden viele, Leipzig geht in seiner Informationspolitik mit diesem Thema sehr offensiv um. Unser Auftrag ‚Standortförderung' ist in den neuen Bundesländern besonders ausgeprägt, das sehen auch unsere Gesellschafter so. Wir planen, in zehn Jahren wirtschaftlich unabhängig zu sein. Dafür brauchen wir größere Messen vor Ort. Einsparungen auf der Kostenseite sind jedoch weitestgehend ausgereizt, das Zauberwort heißt Umsatz- und Ertragssteigerung durch neue Messen und messenahe Dienstleistungen.

Wermutstropfen waren die Absagen respektive Terminverschiebungen der BauFach und SHKG. Beide Messen sollen ab 2006 zusammen mit HolzTec stattfinden. Warum diese Veränderungen?

Es handelt es sich klar um Terminverschiebungen und nicht um Absagen. Die Aufgabe lag auf der Hand, es war nötig, unser Portfolio in diesem Punkt zu bereinigen. Die BauFach befindet sich in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld und der Termin im Oktober wurde für die Branche immer unattraktiver. Mit dem Frühjahrstermin entsprechen wir den Wünschen der Aussteller aller drei Branchenveranstaltungen.

Mit dem neuen Untertitel für die AMI ‚Mitteleuropäischer Automobilsalon' positionieren Sie Leipzig beispielsweise gegen Genf. Wie lauten Ihre Pläne?

Die Länder in Osteuropa haben ungesättigte Märkte. Leipzig bildet den Messe-Brückenkopf in die neuen EU-Mitgliedsstaaten. Natürlich sehen wir hier unsere große Chance. Die ausstellende Industrie - in diesem Fall besonders die Automobilhersteller - bekräftigt uns, indem sie auf unsere Veranstaltungen setzt. Hier liegt unsere Zukunft.

Interview: Petra Schmieder.

m+a NEWSLINE Nr.14 / 2004 vom 22.07.2004
m+a NEWSLINE vom 22. Juli 2004