Kommentar m+a NEWSLINE Nr. 14/15 / 2004 vom 22.07.2004

Es ist schon ein Phänomen. Da lassen die Kölner nach dem Niedergang ihrer Modemesse als letzten Akt die jungen Lifestyletypen ziehen - Sie erinnern sich, nach zähen Verhandlungen kam man nicht zueinander - und dann setzen die abgewanderten Bread-&-Butter-Macher in Berlin neue Highlights im Messegeschäft. Innerhalb kürzester Zeit avancierte die "offshow für selected brands" zum Modemagneten in der deutschen Hauptstadt, weitere Shows folgten und wurden populär.

Markenartikler entdecken eine neue Welt fürs Sponsoring - die Brauerei Beck etwa engagiert sich für junge Designer und erschließt gleichzeitig neue Zielgruppen. Die Berliner Szene reagiert ebenfalls begeistert: Clubs und Partymacher steigen ein in das Geschäft und nicht nur die Printmedien überschlagen sich in der positiven Berichterstattung rund ums Modehappening.

Fatal für viele: Das Ganze hat nur noch wenig mit einem traditionellen Messeauftritt zu tun. Die Messe Berlin zum Beispiel sieht beim Modespektakel ziemlich alt aus. Locations außerhalb der staatlichen Gelände werden gesucht. Alte Industrieanlagen oder die Hackeschen Höfe bieten eben mehr Ambiente, als quadratische Messehallen. Neue Veranstaltungskonzepte ersetzen alt hergebrachte und bislang wohlvertraute Messerituale. Möglich ist das, weil sich junge Veranstalter wie Karl-Heinz Müller, der Bread-&-Butter-Chef, nicht um eine Messegesellschaft scheren. Leute wie er machen ihr eigenes Ding, dafür braucht es keinen schwerfälligen Messeapparat.

Ob sich der Moderummel als Eintagsfliege entpuppt, bleibt dabei abzuwarten. Doch der Erfolg der vergangenen zwei Jahre spricht für sich und für eine lebendige Zukunft. Die Entwicklung in Berlin kann auch als Chance gesehen werden, etablierten Messekonzepten, die nach Jahrzehnten erfolgreicher Auftritte in den letzten Jahren kränkeln, neues Leben einzuhauchen. Für Veranstalter aus anderen Branchen ist das Berliner Modell vielleicht Ansporn, sich einmal außerhalb gelernter Normen zu bewegen und auch an anfänglich schräge Konzepte zu glauben. Dann wird es hoffentlich weniger dieser Meldungen geben: "Aus Mangel an Ausstellern muss die Messe xyz leider abgesagt werden."

annic.effertz@dfv.de

m+a NEWSLINE Nr.14 / 2004 vom 22.07.2004
m+a NEWSLINE vom 22. Juli 2004