Interview Entwicklungsmärkte schaffen Win-win-Situationen

Vincent Gérard, Generalsekretär der UFI - The Global Association of the Exhibition Industry, spricht über Ziele und Perspektiven des Verbands, Seminare und Kongresse, interessante Märkte und den wachsenden Wettbewerb innerhalb der Branche.

Seit Sie Generalsekretär sind, hat sich die UFI verändert. Aus der "Reisegesellschaft" ist ein offener Verband geworden. Neben Veranstaltern und Geländen können jetzt auch Zulieferer mitmachen. Wie beurteilen langjährige Mitglieder diese Profilveränderung? Wie gehen die "alten" Mitglieder und die "neuen" miteinander um? Müssen Sie viel moderieren?

Seit unserer Gründung im Jahr 1925 sind wir offen für Mitglieder aus der ganzen Welt. Nichtsdestotrotz sind wir ursprünglich ein Verband für Messeveranstalter. Es waren unsere Mitglieder selbst, die vor drei Jahren die UFI für neue Mitgliedskategorien im Rahmen der neuen Verbandsstrategie öffnen wollten. Dies wurde von einer überwältigenden Mehrheit unserer Mitglieder befürwortet. Die einzige Einschränkung, die wir weiterhin auf alle Mitgliedskategorien anwenden, ist, dass sie in ihrem Ausstellungssektor Spitzenqualität vertreten. Bis jetzt hat der Vorstand alle vorgeschlagenen Kandidaten akzeptiert. So bringt die heutige UFI die besten Vertreter des gesamten Messewesens zusammen - Veranstalter, Geländebetreiber und Zulieferer gleichermaßen.

Die UFI ist nicht nur durch die Öffnung gewachsen. Viele neue Mitglieder kommen aus Asien ...

Die Öffnung der UFI bedeutet ein Mitgliederwachstum von 32 % in dreieinhalb Jahren. In Asien ist dieses Wachstum größer als anderswo. Die Mitgliederzahlen haben sich dort fast verdoppelt. Dies liegt vor allem am rasanten Wachstum der Messewirtschaft in dieser Region.
Wir sollten aber Acht geben, diese Zahl im Verhältnis zur gesamten Mitgliederzahl zu verstehen. Reed Exhibitions zum Beispiel vertrat bis vor einem Jahr fünf verschiedene UFI-Mitglieder, aber einige seiner Niederlassungen fehlten. Heute haben wir eine Vereinbarung mit dem Stammhaus, die ihnen eine "Gruppen"-Mitgliedschaft ermöglicht. So gehören heute alle Reed-Unternehmen weltweit dazu, auch wenn sie nur als ein einzelnes Mitglied in unserer Gesamtaufstellung geführt werden. Um ein klareres Verständnis für die Bedeutung der UFI als internationale Organisation zu bekommen, ist es wahrscheinlich realistischer die Anzahl der Messen, die von unserer Mitgliedern veranstaltet wird, als Maßstab zu nehmen: Das sind etwa 4500 weltweit.

Hat sich Ihre Arbeit dadurch verändert?

Anfangs bedeutete das etwas mehr Arbeit für uns, da wir mehr Dienstleistungen anbieten wollen. Um dies zu erreichen, haben wir ein Büro in Hongkong eröffnet, um den asiatisch-pazifischen Raum abzudecken, und werden bald ein weiteres am Golf für die Region Afrika und den Mittleren Osten eröffnen. Dies entspricht den geographischen Zonen der UFI-Ortsverbände. Durch diese Büros werden wir eine größere Wirkung haben, wenn wir Programme einführen, für die Messewirtschaft werben oder allgemeine Regelwerke für unsere Branche entwickeln.

Ein Thema auf dem diesjährigen UFI-Sommerseminar war Indien. Wird sich die UFI in Asien noch stärker engagieren. Wenn ja: Wie?

Indien ist offentsichtlich an der Schwelle zu einer spektakulären Entwicklung. Wir sollten jetzt - oder in sehr naher Zukunft - Interesse zeigen. Der Messe- und Ausstellungssektor ist dort noch sehr jung, so dass es eine Menge zu tun gibt. Die UFI wird sich diesen Markt genauer ansehen.

Das Sommerseminar wies eine Rekordbeteiligung auf. Wie erklären Sie den Erfolg?

Ich glaube, dass der sich verbreitende gute Ruf unseres Seminars - und unserer UFI-Konferenzen allgemein - ein entscheidender Faktor ist. Geschäftsführer vieler großer Gruppen wollten dabei sein, um aktuelle Brancheninformationen und Gelegenheit zum Kontakteknüpfen zu bekommen. Das Einzige, was fehlte, war gutes Wetter an den ersten beiden Tagen, aber man kann nicht immer alles haben.

Auf den Sommerseminaren herrscht eine ganz andere Atmosphäre als auf den UFI-Kongressen. Was macht die Juni-Veranstaltungen so einmalig?

Es stimmt, dass die Atmosphäre auf unseren Sommerseminaren entspannter ist als auf den UFI-Kongressen, obwohl die Teilnehmer in beiden Fällen intensiv arbeiten! Dies liegt wahrscheinlich am informellen Charakter der Veranstaltung und an der Tatsache, dass mehr Manager als Geschäftsführer teilnehmen. Und es findet im Juni statt, was für viele das Ende der Messesaison bedeutet.
Aber die Atmosphäre des Jahreskongresses ändert sich ebenfalls von Jahr zu Jahr. Ich denke, das ist ein Ergebnis der Veränderungen des Verbands allgemein.

Seit 2003 bieten Sie Fokus-Meetings an. Wie oft finden sie statt und wie werden sie angenommen?

Wir haben mit 20 bis 30 Teilnehmern begonnen und hatten nach einem Jahr mehr als 70 Anmeldungen pro Fokus-Meeting. Sie sind sehr erfolgreich und effizient. Um uns bei der Themen- und Rednerwahl zu helfen, haben wir ein engagiertes Gremium für jede Gegend, das aus etwa 15 auf dem Gebiet spezialisierten Mitgliedern besteht.
Was die Teilnahme von Nichtmitgliedern betrifft, so haben wir es einmal versucht, im April letzten Jahres (Amsterdam, IT-Thema), aber haben beschlossen, diese intensiven und reichhaltigen Tagungen nur für unsere Mitglieder zu reservieren.

Auf dem Sommerseminar in Como drehte sich ein Thema um akkurate Zahlen. Sind einheitliche Messestatistiken weltweit in Sichtweite?

Geprüftes Datenmaterial ist definitiv in Sichtweite, zumindest für seriöse Veranstalter und Messen und Ausstellungen. Unsere Mitglieder müssen uns für das UFI-Siegel mit geprüftem statistischen Material über Besuche/Besucher und Aussteller versorgen, um zu belegen, dass sie die quantitativen Kriterien für eine internationale Veranstaltung erfüllen. Und unsere Miglieder sind angehalten korrekte Daten zu kommunizieren, wie in unserem "UFI Code of Ethics" vorgesehen.

Stichwort ISO-Antrag Singapur: Welchen Einfluss kann die UFI nehmen, um einen weltweiten Standard einvernehmlich zu finden?

ISO hat eine Arbeitsgruppe für Ausstellungsterminologie gegründet. Den Anstoß gab ein Vorschlag aus Singapur, das einen akzeptablen nationalen Standard entwickelt hat. Die UFI ist Teil dieser Arbeitsgruppe und wird in naher Zukunft an ihrem ersten Treffen in Singapur teilnehmen. Vor diesem Hintergrund scheint es erstaunlich, dass dieses Projekt begonnen wurde, ohne den Rat der UFI einzuholen, die so viel Erfahrung auf dem Gebiet und Mitglieder in 72 Ländern hat, die denselben Regularien für Statistiken folgen. Die UFI hat in der Tat gewisse internationale Standards, die benutzt werden, um die Statistiken für die 700 "UFI-akzeptierten" Veranstaltungen zusammenzustellen und zu prüfen. ISO hat Glück, dass die UFI gerade ihre Definitionen und Berechnungsmethoden für diese Statistiken auf den neuesten Stand gebracht hat. Es hat Jahre gebraucht, diesen Konsens zu erreichen. Es ist ein richtiges Geschenk für die Branche, und UFI-Mitglieder erwarten, dass dieser Konsens - das Resultat der Entschlusskraft einer großen Mehrheit von internationalen Messeprofis - respektiert wird. Wenn ISO diese Basis nutzen kann, um zur weltweiten Vereinheitlichung der Standards beizutragen, profitieren alle davon. Wenn nicht wird das Projekt von der Branche selbst angefochten, die der Meinung ist, bereits die nötigen Parameter entwickelt zu haben.

Was sind die großen Herausforderungen in der globalen Messewelt und mit welchen Erwartungen blicken Sie der Generalversammlung im Oktober entgegen?

Die wichtigsten Herausforderungen sind die wachsenden Bedürfnisse unserer Aussteller und Besucher sowie die globale wirtschaftliche Situation. Dies geschieht in einer Zeit, zu der die Wirtschaft in Europa und Amerika nicht übermäßig stark ist, während Asien einen beeindruckenden Boom erlebt. Wir sehen einen Auszug von Produktionsanlagen und Kapital in diese Regionen und als Resultat leiden gewisse traditionelle Messen. Aber wir können auch die positive Seite dieser Entwicklungsmärkte sehen: Sie werden ihre gigantischen Binnenmärkte (China und Indien) entwickeln, die sich noch in einem embryonalen Stadium befinden. Die UFI sollte versuchen, an dieser Entwicklung teilzuhaben, um eine positive Wirkung auf die Wirtschaftsleistung zu haben. Dies ist möglich im Messebereich. Die Märkte, die wir zu Hause verlieren, können wir dort entwickeln.

Interview: Christiane Appel

m+a NEWSLINE Nr.16 / 2005 vom 18.08.2005
m+a NEWSLINE vom 18. August 2005