Interview “Deutsche Messen sind privatwirtschaftlich organisiert“

Die Privatisierungsdiskussion wird nun etwas leiser geführt, manchmal auch hinter verschlossenen Türen. Aber vorbei ist die Debatte keineswegs. Manfred Wutzlhofer, Chef der Messe München, ist überzeugt: "Beim Messewesen wird mit zweierlei Maß gemessen."

Was stört Sie an der Privatisierungsdiskussion?

Sie geht auf die Aspekte Wirtschaftsförderung und Standortwettbewerb und damit auf die Interessenslage der Gesellschafter überhaupt nicht ein. Folglich kann sie auch nicht beantworten, was denn eigentlich mit einer angeblich überfälligen Neuordnung des Messewesens in Deutschland erreicht werden soll. Dass hier viele Messestandorte unterschiedlicher Größe im Wettbewerb zueinander stehen, kann diese Forderung jedenfalls nicht begründen.

Woher rührt der angebliche Veränderungsbedarf?

Unter anderem werden pauschal Überkapazitäten behauptet, die sich nachteilig auf den Wettbewerb auswirken, weil sie zu Dumpingpreisen führen und damit zu einer Wettbewerbsverzerrung. An den Standorten der Großmessen sind die Kapazitäten eine Voraussetzung, um das Messeprogramm realisieren zu können. Für eine seriöse Aussage zu Überkapazitäten muss nach Standorten und dem Umfang des Messeprogramms differenziert werden. Wo erst gebaut und dann am Programm gearbeitet wird, um die Hallen zu füllen, ist eine kritische Bewertung allerdings angemessen.

Wer einen großen Automobilhersteller ansiedelt, kann mit breiter öffentlicher Zustimmung rechnen. Niemand zieht in Zweifel, dass in einem solchen Fall Aufwendungen für die Verkehrsanbindung oder direkte und indirekte Vergünstigungen für Unternehmen gut investiert sind. Bei Messen ist das anders ...

Leider. Beim Messewesen wird mit zweierlei Maß gemessen. Es ist gerade in Deutschland als weltweit führendem Messestandort zwar ein etablierter Faktor kommunaler Standortentwicklung und -sicherung, sieht sich aber einer tendenziell verschärften Privatisierungsdiskussion ausgesetzt. Dabei wird komplett vernachlässigt, dass alle namhaften deutschen Messegesellschaften bereits als Privatunternehmen in Form einer GmbH oder AG geführt werden. Sie sind bereits private Kapitalgesellschaften und unterscheiden sich von Unternehmen mit privaten Kapitaleignern lediglich dadurch, dass ihre Gesellschafter öffentlich-rechtliche Körperschaften sind. Das ändert nichts daran, dass sie rentabel und rational wirtschaften müssen.

Inwieweit sind Investitionen einer Kommune oder eines Landes in das Gelände oder in die Bauten einer Messegesellschaft zulässig?

Zur Wirtschaftsförderung der Öffentlichen Hand gehört selbstverständlich auch die Unterstützung bei der Entwicklung eines Messegeländes und beim Bau von Messehallen. Das gilt nicht nur in Deutschland und Europa, sondern für alle größeren Messeplätze weltweit.

Wie sieht denn Wirtschaftsförderung an den einzelnen Standorten aus?

Sie reicht von Zuschüssen und Kapitaleinlagen bis zur Erleichterung von Grundstückskäufen. Wann immer bei größeren Messeplätzen wirtschaftliche Unterstützung durch die Öffentliche Hand in Abrede gestellt wird, sollte man getrost kritisch nachfragen. Das Gedächtnis erweist sich da häufig als sehr lückenhaft. Nachvollziehbar ist es nicht, warum einzelne Messegesellschaften dazu neigen, verschämt die Vergünstigungen zu verschweigen, die sie beim Aufbau der eigenen Infrastruktur erfahren haben - in welcher Form auch immer. Dies ist eine zulässige Form des Standortwettbewerbs und in jeder Hinsicht zu vergleichen mit der Förderung von Unternehmensansiedelungen. Es gibt keinen Grund, warum das Messewesen davon ausgeschlossen sein sollte.

Die Infrastruktur ist die eine Seite. Der Messebetrieb eine andere ...

Eine Subventionierung der Kosten des Messebetriebs würde in der Tat zu einer Verzerrung des Preiswettbewerbs führen und wäre sicherlich auch nicht mit geltendem EU-Recht vereinbar.

Investoren erwarten doch aus ihrer Sachinvestition eine langfristige Rendite des Messe-Investments?

Dies ergibt sich zum einen aus der laufenden Minderung des gebundenen Kapitals (ROI) und zum anderen aus der Umwegrentabilität, durch die der Öffentlichen Hand über ein höheres Steueraufkommen zusätzliche Einnahmen zufließen. Wie jedes andere Unternehmen stehen die deutschen Messegesellschaften im Standort-Wettbewerb zueinander. Und sie müssen sich als Veranstalter im Zuge fortschreitender Globalisierung auch der internationalen Konkurrenz stellen und sich strategisch und operativ in neuen Märkten positionieren. Ihre Gesellschafter erwarten ohne jede Einschränkung wirtschaftlichen Erfolg und unterscheiden sich in diesem Punkt in nichts von privaten Investoren.

Eine Infrastrukturfinanzierung aus Steuermitteln ist also ohne Zweifel gerechtfertigt?

Sicher, wenn sich der Aufwand langfristig für die Entwicklung einer Region rechnet. Dies betrifft die sogenannte Umwegrentabilität, bei der ebenfalls gerne pauschal der Multiplikatoreffekt aus den primären Gesamtausgaben von Ausstellern und Besuchern in Frage gestellt wird.

Fünf der zehn umsatzstärksten Veranstalter kommen aus Deutschland. Zwei Drittel aller internationalen Leitveranstaltungen finden hierzulande statt? Was bringt Privatisierung?

Diese herausragende Position des Messestandorts Deutschland bestätigt, dass die deutschen Großmessen im internationalen Vergleich ausgesprochen leistungs- und wettbewerbsfähig sind. Die Konstruktion, die die deutschen Großmessen so erfolgreich gemacht hat, verbindet klare Besitzverhältnisse, die dem öffentlichen Interesse an lokaler und regionaler Standortentwicklung entspringen, mit einer privatwirtschaftlichen Organisation, und zwar mit allen Konsequenzen für eine Renditeorientierte Betriebsführung. In der Privatisierungsdiskussion sollte deshalb auch berücksichtigt werden, dass die geschilderte herkömmliche Konstruktion eine sehr zeitgemäße Form von einer Art Public/Private-Partnership ist.

Die Fragen stellte Christiane Appel

m+a NEWSLINE Nr.12 / 2005 vom 16.06.2005
m+a NEWSLINE vom 16. Juni 2005